"He brake tested me!", schimpfte Sebastian Vettel am Radio, nachdem er beim Aserbaidschan GP zweimal mit Lewis Hamilton kollidiert war. Die erste Kollision war in Vettels Augen ein böses Foul von Hamilton, der zweite Kontakt seine Rache - daraus machte Vettel später keinen Hehl. Viele Zuschauer hörten beim Aserbaidschan GP zum ersten Mal vom sogenannten 'Brake-Testing'. Was hat es damit auf sich?

"Brake-Testing ist ein unmotiviertes Bremsmanöver, um den Hintermann auflaufen zu lassen", erklärt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. Vor allem im Kart- und GT-Sport kommen solche Manöver häufiger vor, im Formel-Sport sind sie eher die Ausnahme, weil die Autos filigraner sind und durch die freistehenden Reifen sehr schnell, sehr gefährliche Situationen entstehen können.

Lewis Hamilton vs. Sebstian Vettel: Unfair oder nicht?, Foto: Sutton
Lewis Hamilton vs. Sebstian Vettel: Unfair oder nicht?, Foto: Sutton

Beim Brake-Testing lässt der Vordermann den hinterherfahrenden absichtlich auflaufen, indem er grundlos vom Gas geht oder sogar richtig in die Eisen steigt. Entweder als Revanche, um den Gegner einfach zu schikanieren, oder als taktisches Mittel: Vor allem in langsamen Kurven kommt es in Zweikämpfen vor, dass der Vordermann am Kurvenausgang noch einmal kurz die Bremse antippt oder nicht richtig aufs Gas geht. Der Hintermann, der schon wie gewöhnlich auf dem Gas steht, muss dann bremsen, um eine Kollision zu vermeiden.

Somit kann ein Ziehharmonika-Effekt wie am Stauende auftreten: Weil der Hintermann zu spät reagiert, muss er auf eine niedrigere Geschwindigkeit abbremsen als der Vordermann, um eine Kollision zu verhindern. Da der Vordermann dann schon wieder auf dem Gas ist, vergrößert er den Vorsprung auf seinen Jäger.

Unter Rennfahrern gilt das Brake-Testing als grobes Foul, in der Formel 1 ist das Phänomen aus oben genannten Gründen weniger Bekannt. Ein bekanntes Beispiel lieferte Fernando Alonso im Training zum Ungarn GP 2006: Weil er sich von Robert Dornboos behindert fühlte, ließ er ihn in der nächsten Runde extrem auflaufen. Der Spanier bekam dafür eine Zeitstrafe auf seine Qualifying-Runde von einer Sekunde.

Hamilton: Habe Vettel nicht gebrake-testet

Hamilton beteuert aber, dass er Vettel nicht auflaufen hat lassen. "Ich habe Sebastian definitiv nicht gebrake-testet", verteigt sich der Mercedes-Pilot. "Ich habe die Pace hinter dem Safety-Car einfach nur kontrolliert, so wie bei allen anderen Restarts auch. Ich bin genau an der gleichen Stelle am Eingang von T15 vom Gas."

Die Rennleitung konnte es in den Telemetriedaten ebenfalls sehen, dass Hamilton nicht in die Eisen gestiegen ist. Danner meint: "Hamilton hat nicht gebremst, er hat einfach kein Gas gegeben. Man braucht mir aber nicht erzählen, dass er nicht wusste, was er damit bewirkt. Wir reden von Lewis Hamilton - der weiß ganz genau, was er macht."