Zwei Wochen ist es her, dass Romain Grosjean und Jolyon Palmer in der ersten Runde des Grand Prix von Russland aneinandergerieten. Die beiden Unfallgegner schoben sich hinterher gegenseitig die Schuld in die Schuhe, während die Stewards auf Rennunfall entschieden und die Sache damit ad acta legten. Am Donnerstag vor dem Großen Preis von Spanien beharrten die beiden Kontrahenten dennoch weiter eisern auf ihren Standpunkten. Grosjeans Teamchef Günther Steiner will von all dem mittlerweile nichts mehr hören.

"Ich bin nicht glücklich damit, zu akzeptieren, dass es ein Rennunfall gewesen sein soll", so Renault-Pilot Palmer, der sich nach wie vor in der Opferrolle sieht. Er hätte nirgendwohin ausweichen können, da außen von ihm der Sauber von Wehrlein war. Dass er deshalb mit dem innen neben ihm fahrenden Grosjean kollidierte, sei für ihn somit unvermeidbar gewesen. "Ich kann seinen Standpunkt verstehen, dass er innen war. Aber aus meiner Sicht musste ich einlenken", erklärt Palmer weiter, der unmittelbar nach dem Rennen Grosjean vorgeworfen hatte, sein Gehirn nicht benutzt zu haben.

Relativ unmissverständliche Worte vom Briten, die eigentlich keinen Zweifel daran lassen, dass er sich nach wie vor nicht in der Verantwortung für die Kollision sieht. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com war er sich aber offensichtlich doch nicht ganz im Klaren darüber, wie er die Situation schlussendlich beurteilt. Rennunfall oder die Schuld des Gegners? "Beides."

Der Moment kurz vor der Kollision zwischen Grosjean und Palmer, Foto: Sutton
Der Moment kurz vor der Kollision zwischen Grosjean und Palmer, Foto: Sutton

Grosjean schießt gegen Palmer

Grosjean war sich zumindest in dem zuerst von Palmer angeführten Punkt einig, dass die Entscheidung der Rennleitung, niemanden für den Unfall verantwortlich zu machen, nicht richtig war. "Wir waren zusammen bei den Stewards, aber es hat eigentlich keinen Sinn gemacht, darüber zu sprechen", so der Franzose gegenüber Motorsport-Magazin.com. Er ließ es sich dabei auch nicht nehmen, eine Spitze in Richtung des in dieser Saison bisher äußerst erfolglosen Konkurrenten zu schießen : "Es ist meine Schuld, denn ich habe mich nur auf Platz 20 qualifiziert - und wenn du so weit hinten stehst, hast du es immer mit Fahrern zu tun die etwas... naja, sagen wir, solche Dinge passieren dir in den ersten drei oder vier Startreihen nicht."

Wenn es nach Grosjean ginge, hätte es von der Rennleitung durchaus eine Strafe geben dürfen. "Ich habe erwartet, dass er vielleicht eine bekommt. Die Regeln besagen, dass du eine Autobreite Platz lassen musst, wenn neben dir jemand ist. Ich war beim Anbremsen einmal sogar fast vor ihm", so der Haas-Pilot. Palmer wiederum argumentiert damit, dass ihm der Platz ausging: "Alles was ich machen konnte, war zu versuchen, das Auto außen nicht zu treffen und dabei zu hoffen, dass das Fahrzeug innen auch versucht, nicht in mich zu crashen."

Dementsprechend sieht Palmer keinen Anlass, bei einer Wiederholung des Szenarios anders zu reagieren. "Ich würde nichts anders machen und ich erwarte von jedem im Feld, in so einer Situation fair zu fahren", so der Brite. Fair gefahren ist Grosjean seiner Ansicht nach jedoch. "Ich habe die erste Kurve sauber bekommen und konnte sogar noch auf den orangenen Kerb ganz innen fahren, um die Kollision zu vermeiden. Aber dann hat er sich gedreht. In so einer Situation musst du eigentlich auf die Bremse steigen, aber was Jolyon gemacht hat, war weiter Gas zu geben und so kam sein Auto zurück in meine Linie und wir sind kollidiert", erklärt der Franzose.

Günther Steiner befürwortet die Entscheidung der Stewards, Foto: Sutton
Günther Steiner befürwortet die Entscheidung der Stewards, Foto: Sutton

Haas-Teamchef kann mit Entscheidung der Rennleitung gut leben

Die beiden Unfallgegner hätten ihre sehr unterschiedlichen Sichtweisen wohl noch stundenlang ausführen können. Haas-Teamchef Günther Steiner war in seinem Urteil im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com deutlich abgeklärter als die Streithähne. "Meine Sicht der Dinge ist, dass die Stewards die richtige Entscheidung getroffen haben. Wir könnten tagelang hier sitzen und keinem die Schuld geben und dadurch wird es zu einem Rennunfall - und das war es auch", so der Österreicher, dem das Ping Pong-Spiel bei der Rennleitung in Russland offenbar schon mehr als genug war. "Wir waren bei den Stewards und es ging hin und her bis zu dem Punkt, an dem wir gesagt haben: Wenn wir aufhören gegeneinander Rennen zu fahren, schaut uns auch keiner mehr zu."

Für Steiner waren die beiden Crash-Piloten mit dem Renn-Aus in der ersten Runde bereits mehr als genug gestraft. "Dass sie aus dem Rennen waren, war für beide die größte Enttäuschung. Es gab für niemanden einen Vorteil und für mich wäre es sinnlos, danach einem Fahrer noch eine Strafe zu geben", fügt er an. Dementsprechend wenig Verständnis hätte er dafür gehabt, wenn die Rennleitung dem Wunsch der Piloten, jemanden zu bestrafen, nachgekommen wäre: "Das muss wirklich nicht sein. Sie haben ihre Rennen weggeschmissen und was wollen sie denn dann noch?"

Immerhin einen Funken Einsicht gab es bei Grosjean und Palmer darin zu vernehmen, dass sich beide dann doch lieber auf das anstehende Wochenende in Barcelona konzentrieren wollen. "Was auch immer in Sochi passiert ist, bleibt in Sochi. Jetzt sind wir in Barcelona", so Palmer. Grosjean möchte der gelben Gefahr ganz einfach damit aus dem Weg gehen, dass er seine katastrophale Leistung vom Russland-Wochenende nicht wiederholt: "Dieses Mal qualifiziere ich mich einfach besser."