Seinen Einstand in der Formel 1 hatte sich Williams-Pilot Lance Stroll sicherlich schöner vorgestellt. Statt richtig durchzustarten, hat der Kanadier in der Königsklasse bisher noch kein einziges Mal die Zielflagge gesehen - von WM-Punkten ganz zu schweigen. Mit nur 52 Rennrunden hat er auf den Sonntag bezogen bisher von allen Fahrern die wenigste Zeit hinter dem Lenkrad verbracht. Sogar Pascal Wehrlein und die McLaren-Piloten hatten mehr zu tun. Entmutigen lässt er sich davon aber noch lange nicht.

Wie schon bei dem Sturm, der nach den Unfällen bei den Wintertestfahrten über ihn hinweg zog, bleibt Stroll auch nach seinem Fehlstart in die Debüt-Saison abgeklärt. "Ich denke, es wäre ziemlich lächerlich, wenn ich jetzt nach drei Rennen in der Formel 1 schon aufgeben würde", gibt er sich kämpferisch. An seine Kritiker dürfte sich der 18-Jährige mittlerweile gewöhnt haben, pendelt sein Ruf doch nicht erst seit der Vertragsunterzeichnung bei Williams zwischen Supertalent und Paydriver hin und her.

Schon in der Formel 3, wo er für das von seinem milliardenschweren Vater Lawrence Stroll aufgekaufte Prema-Team an den Start ging, sorgte er zu Beginn für viel Kleinholz. Erst mit wachsender Erfahrung stellten sich Erfolge ein, die 2016 im Titelgewinn der Formel 3 Europameisterschaft gipfelten. Stroll glaubt also zu wissen, wie er schwierige Zeiten auch in der Königsklasse übersteht: "Motorsport findet zu 90 % im Kopf statt. Wenn du mental nicht dazu nicht der Lage bist, Dinge hinter dir zu lassen, bist du im falschen Sport."

Den verpassten Chancen nachzuweinen ist für ihn definitiv keine Option. "Wir können diesen Dingen nicht nachtrauern. Es geht darum weiter am Ball zu bleiben, denn es ist noch eine lange Saison und wir sind noch nicht einmal in Europa angekommen. Da sollte es für mich viel einfacher werden, denn wir reisen zu Strecken auf denen ich in der Vergangenheit schon Rennen gefahren bin."

Stroll schaffte es bisher bei noch keinem Rennen ins Ziel, Foto: Sutton
Stroll schaffte es bisher bei noch keinem Rennen ins Ziel, Foto: Sutton

Bisher nur Pech gehabt

In seiner momentanen Lage braucht Stroll zweifelsohne all seinen Optimismus. Denn während Teamkollege Felipe Massa mit 16 WM-Zählern in der Gesamtwertung hinter den Piloten drei Top-Teams als Best of the Rest rangiert, steht er mit leeren Händen da. "Natürlich ist es frustrierend, aber ich habe ja keine Wahl. Es gab nichts, was ich hätte tun können. Bisher war es einfach nur Pech diese Saison", findet er schnell eine Antwort auf die ausgebliebenen Erfolgserlebnisse - und tatsächlich ist er für die Misere keinesfalls ganz alleine verantwortlich. Nachdem er bei den Barcelona-Testfahrten ein Auf und Ab aus Unfällen und guten Ansätzen zeigte, lief ab dem Auftaktwochenende in Australien für ihn vieles schief.

In Melbourne flog er im Training ab und fiel im Rennen mit einer defekten Bremsanlage aus. In China kollidierte er schon in der ersten Runde mit Sergio Perez und in Bahrain beendete ein Unfall mit Carlos Sainz sein Rennen nach nur elf Runden. "Das sind Dinge, die passieren im Racing einfach. Es war einfach nur Pech, das kann man drehen und wenden wie man will", fasst Stroll zusammen. Pech trifft sicherlich vor allem auf sein Aus in Bahrain zu, als er ohne Schuld von Sainz aus dem Grand Prix gerissen wurde, der sich schlichtweg verschätzt hatte.

Schuldzuweisungen oder nachtragende Worte kommen Stroll angesichts dessen aber auch nicht in den Sinn. "Wenn ich in Carlos' Position wäre, wäre ich sicher frustriert über mich selbst. Aber im Rennsport machen die Leute Fehler. Ich mache Fehler und hier hat er einen gemacht. In Zukunft werde ich auch irgendwann wieder Fehler machen und er genauso. So läuft es halt. Das ist Teil des Spiels", zeigt er sich verständnisvoll.

Stroll zeigte sich nach der Kollision mit Sainz nicht nachtragend, Foto: Sutton
Stroll zeigte sich nach der Kollision mit Sainz nicht nachtragend, Foto: Sutton

Formel 3 war anders

An dieser Einstellung tut Stroll sicherlich gut, denn der Druck der in der Formel 1 auf ihm lastet, wird kaum abnehmen. Statt sich um Kritik oder um sein Pech zu kümmern, konzentriert er sich daher lieber auf seine eigene Entwicklung. "Es gab Dinge die wir verbessern müssen und bei denen wir sehen, dass wir mit jedem Rennen besser werden", resümiert er seine persönlichen Fortschritte. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com lässt er aber durchblicken, dass er immer noch mit der Umstellung vom Formel-3-Boliden auf die Königsklasse kämpft.

"Es ist so anders als in der Formel 3. Da ging es einfach nur darum, wie sehr du ein Auto herausfordern und es dazu zwingen kannst, schneller und schneller zu werden. Aber hier geht es darum, die kleinen Tricks und fahrerischen Kniffe zu finden, die das Auto glücklich machen", beschreibt Stroll die Unterschiede. Dass bei ihm noch Luft nach oben ist, zeigt der Abstand auf den Teamkollegen - denn bisher konnte er Massa noch nicht im Ansatz gefährlich werden. Einzig der Einzug ins Q3 beim Grand Prix von China steht für ihn auf der Habenseite.

Stroll findet Formel 1 unnatürlich

"Es gibt so viele unnatürliche Fahrtechniken, die du erlernen musst und die ganz anders sind als alles in allen anderen Serien, die du auf der Welt außer der Formel 1 fahren kannst", beschreibt Stroll die fahrerische Herausforderung, bei der für ihn vor allem die Reifen eine zentrale Rollen spielen: "Die Reifen sind in der Formel 1 eine riesige Sache, denke ich. Wie man sie richtig managt, im Qualifying und im Rennen. All diese Dinge sind neu und es geht darum, die ganzen kleinen Tricks zu begreifen und zu verstehen, wie man den Reifen glücklich macht."

Gerade die Testtage sind für Stroll deshalb von enormer Wichtigkeit. "In der F1 ist die Streckenzeit heute so limitiert und im Rennen merkt man das natürlich. Du hast zwar ein bisschen Streckenzeit in den Trainings, aber da werden so viele Änderungen vorgenommen und du bist sehr eingeschränkt darin, Dinge für dich selbst auszuprobieren. Deshalb sind Testtage wie heute gut dazu geeignet, Experimente zu machen."

An den Rennwochenende profitiert er dafür aber umso mehr von der Erfahrung des routinierten Teamkollegen. "Es hilft, Felipe als Referenz zu nehmen und die Dinge auszuprobieren, die er macht. Seine Daten anzuschauen hilft mir sehr - neben dem Verständnis, das ich selbst auf der Strecke erlange", so Stroll, der sich für die Zukunft selbst noch etwas Zeit gibt: "Ich bin neu dort draußen und kämpfe und gebe mein Bestes, aber es geht erst darum zu verstehen und zu lernen, bevor ich meine Möglichkeiten als Rennfahrer voll ausschöpfen kann."