Dass Red Bull Probleme mit der Power Unit hat, ist kaum mehr eine Meldung wert. Die letzten drei Jahre leideten die Bullen an Leistungsmangel. Doch beim Saisonstart in Australien offenbarten sich auch gravierende Schwächen am Chassis. Red Bull war in Melbourne nur dritte Kraft, deutlich geschlagen von Ferrari und Mercedes.

"Unser Grundproblem war schon bei den Tests, die richtige Balance zu finden", gestand Dr. Helmut Marko. Bei den Testfahrten wurde das in komplett unterschiedlichen Rennsimulationen offensichtlich. Am einen Tag funktionierte der RB13, am nächsten Tag nicht mehr. In Melbourne wurde es noch offensichtlicher: Am Samstagmorgen landeten Daniel Ricciardo und Max Verstappen nur auf den Plätzen sechs und zwölf. Im Qualifying war die Pace schließlich wieder da.

"Änderungen, die sonst nur minimale Auswirkungen wie leichtes Über- oder Untersteuern hatten, haben plötzlich ein komplett anderes Handling verursacht und bei der Rundenzeit zu Verlusten geführt", so Marko. "Auf der anderen Seite wurde den Fahrern das Gefühl gegeben, das Auto wäre gut. Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn der Fahrer sagt, er fühlt sich gut, aber die Zeit nicht da ist."

Fahrwerks-Verbot schuld an Red-Bull-Problemen?

Mit den Gründen für die Probleme will Red Bull nicht so ganz raus. Doch es gilt als offenes Geheimnis, dass die Ingenieure einen herben Rückschlag beim Kampf um das Fahrwerk hinnehmen mussten. Die FIA hat über den Winter ihre Sichtweise bezüglich der Legalität des Wunderfahrwerks geändert. "Nicht alles, was 2016 noch erlaubt war, ist auch in diesem Jahr noch erlaubt", sagte ein FIA-Mann. "Wir sehen uns jetzt auch an, was im System selbst passiert."

Noch bereitet auch das Red Bull Chassis Probleme, Foto: Sutton
Noch bereitet auch das Red Bull Chassis Probleme, Foto: Sutton

Die Teams nutzten hydraulische Systeme, um die Fahrzeuge in die aerodynamisch perfekte Position zu bringen - was eigentlich verboten ist. Die Aufhängung darf einzig und allein dafür da sein, wofür sie eigentlich gedacht ist. "Es gibt keinen Grund dafür, Energie zu speichern oder asymmetrische Aufhängungen zu bauen", kritisiert FIA Rennleiter Charlie Whiting.

Weil die Systeme unfassbar kompliziert sind, genügen einfache Regelklarstellungen, wie sie Ferrari über den Winter mehrfach forderte, nicht. Die FIA hat daher die Beweislast umgekehrt: Die Teams müssen seit dieser Saison nachweisen, dass ihre Aufhängungen selbst theoretisch keine illegalen Aktionen ausführen können.

Red Bull: Unser Fahrwerk entspricht dem Reglement

Theoretisch könnten zwei Teams somit die gleiche Technik haben, wobei die eine als regelkonform angesehen wird, die andere aber nicht. Red Bull soll es bislang nicht geschafft haben, die FIA von der Legalität des eigenen Systems überzeugt zu haben. Bestätigen will das bei Red Bull niemand, Dr. Helmut Marko gab sich in Melbourne bedeckt: "Wir mussten nichts umbauen. Auf manchen Strecken fährt man es, auf manchen nicht. Letztes Jahr sind wir es in Melbourne nicht gefahren. Unser Fahrwerk entspricht dem Reglement."

Das Mercedes-Fahrwerk soll im grünen Bereich sein, Foto: Sutton
Das Mercedes-Fahrwerk soll im grünen Bereich sein, Foto: Sutton

Dass Red Bull von der Legalität des eigenen Systems überzeugt ist, ist wenig verwunderlich. Die FIA allerdings sieht es offenbar anders. Marko versucht zu beruhigen: "Der Zugewinn wegen des Fahrwerks ist minimal, ich verstehe nicht, warum daraus so eine große Sache gemacht wird." Mit dem Fahrwerk kommen aber zwei Probleme: Zum einen muss das mechanische Setup neu herausgearbeitet werden, zum anderen stimmt die aerodynamische Basis nicht mehr.

Red Bull hat drei Möglichkeiten: Entweder die FIA davon überzeugen, dass das eigene Fahrwerk nicht illegal ist, am Fahrwerk nacharbeiten, oder aber das Auto auf das herkömmliche Fahrwerk anpassen.

In Melbourne kostete Max Verstappens Abflug am Freitag zudem wichtige Streckenzeit. "Wir glauben zu wissen, wo die Probleme liegen und bringen entsprechend neue Teile nach Shanghai, die die Grundprobleme aussortieren sollten", verspricht Marko.

Red Bull hält an Aero-Konzept fest

Schon in Melbourne hatte der Red Bull zahlreiche neue Aero-Teile am Auto, das von einigen erwartete ganz große Feuerwerk blieb aber aus. In Shanghai soll es sich nicht um ein Update im eigentlichen Sinne handeln, es geht nur um Fehlerbewältigung. Das erste richtige Update ist für Bahrain geplant.

Der Ferrari ist ein Auswuchs an aerodynamischer Komplexität, Foto: Sutton
Der Ferrari ist ein Auswuchs an aerodynamischer Komplexität, Foto: Sutton

Im Vergleich zur Konkurrenz ist der RB13 noch immer extrem clean. Während Ferrari und Mercedes mit extremer Detailverliebtheit aufwarten, sind am Red Bull keine Aero-Auswüchse zu sehen. Liegt darin das Problem? Marko verneint: "Die Probleme in Melbourne waren atypische Schwächen, die dadurch entstanden sind, dass wir Kompromisse eingehen mussten. Aber wir glauben trotzdem, dass unser Grundkonzept richtig ist. Wir sind schnell auf den Geraden, nun müssen wir die Probleme ausmerzen."

Selbst nach dem Upgrade ist der Red Bull noch recht clean, Foto: Sutton
Selbst nach dem Upgrade ist der Red Bull noch recht clean, Foto: Sutton

Es gab aber auch positive Anzeichen beim Saisonauftakt. Bei der Rennpace konnte Max Verstappen zumindest mit Kimi Räikkönen im Ferrari mithalten. Der Reifenverschleiß beim einstigen Dauerweltmeister war vorbildlich, Verstappen konnte einen langen ersten Stint auf Ultrasoft fahren.

In China könnte der Reifenverschleiß entscheidender werden, in Melbourne gab es kaum Probleme damit. China geht extrem auf die Vorderachse, die lateralen Kräfte sind deutlich höher. Auch wenn die Reifenmischungen eine Nummer härter sind, könnte der Umgang mit den Reifen deutlich wichtiger werden

Shanghai liegt Red Bull traditionell. Obwohl eine der längsten Geraden der gesamten Formel-1-Saison die Renault- und Honda-Teams hart trifft, konnte Red Bull in der Vergangenheit seine Stärken ausspielen. 2016 qualifizierte sich Daniel Ricciardo als Zweiter hinter Nico Rosberg mit 'lediglich' fünf Zehntelsekunden Rückstand. Vier davon fing er sich im letzten Sektor mit der langen Geraden ein.

Motor-Probleme bis mindestens Barcelona

Auf Power-Seite gibt es noch kein Aufatmen bei den Renault-Teams. Die Franzosen mussten nach Problemen bei den Testfahrten zuverlässigkeitsbedingt Änderungen an der Power Unit vornehmen. Die Motoren dürfen noch nicht volle Leistung freigeben, zudem wurde die MGU-K verstärkt, was rund fünf Kilogramm gekostet haben soll. Dazu kommen Probleme mit der Druckluftversorgung für das Getriebe, weshalb Red Bull und Toro Rosso in Australien noch mit einer Zusatz-Flasche unterwegs waren.

Das Problem mit der Druckluft könnte schon in Shanghai behoben sein, das Leistungs- und Gewichtsproblem des Motors braucht noch. Das ursprünglich für Barcelona angedachte Upgrade wurde auf Kanada verschoben, in Spanien kommt nur eine leichtere Version, die im Renntrimm nicht dauerhaft im Sicherheitsmodus betrieben werden muss.