Ferrari legte bei den Testfahrten in Barcelona einen starken Auftakt in die Saison 2017 hin. Doch gewonnen haben die ambitionierten Italiener damit noch lange nichts. Schon in der Vergangenheit war die Scuderia ganz vorne mit dabei, wenn es bei Tests auf die Strecke ging. Dass das Auftrumpfen bei der Saisonvorbereitung nicht unbedingt richtungsweisend für die Performance im Wettkampf ist, musste der traditionsreiche Rennstall rund um Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen im vergangenen Jahr schmerzlich erfahren. Doch es gab auch Zeiten, in denen die Testfahrten mehr Aussagekraft hinsichtlich der tatsächlichen Konkurrenzfähigkeit hatten.

Fiorano, Mugello, Imola & Co.: Ferrari bediente sich vor den in der Formel 1 heute gültigen Testbeschränkungen an sämtlichen in der Heimat zur Verfügung stehenden Rennstrecken, um Michael Schumacher und seine Teamkollegen die in Maranello gefertigten Boliden bei privaten Tests auf Herz und Nieren testen zu lassen. Zur Zeiten der totalen Dominanz spulte kein Team mehr Testkilometer ab als die Italiener. Alleine über den Saisonverlauf 2004 hinweg absolvierte Ferrari unglaubliche 151 Testtage. Zum Vergleich: Die Konkurrenz von Renault kam nur auf 65, Hinterbänkler Minardi gar nur auf 16.

Kurz nachdem Ferrari 2007 den bis dato letzten WM-Titel errungen hatte, war mit den exzessiven Probefahrten jedoch Schluss. Ab der Saison 2008 begann die FIA damit, den Gewohnheiten der Teams im Zuge der Kostenreduktion sukzessive einen Riegel vorzuschieben. Bis 2017 wurde die für ein Team maximal zulässige Anzahl an Tests schrittweise zunächst von 30.000 auf 15.000 Kilometer und später von 14 auf acht Pre-Season-Testtage reduziert. Die Dominanz von Ferrari ist seit langem Geschichte, doch bei Testfahrten hinterlässt der Rennstall nach wie vor regelmäßig einen starken Eindruck.

Ferrari nahm die hauseigene Teststrecke in Fiorano bei jeder noch so kleinen Gelegenheit unter die Räder, Foto: Ferrari Press Office
Ferrari nahm die hauseigene Teststrecke in Fiorano bei jeder noch so kleinen Gelegenheit unter die Räder, Foto: Ferrari Press Office

Die verfrühte Kampfansage 2016

Nachdem sich Ferrari 2015 mit drei Saisonsiegen als zweite Kraft etabliert hatte, holten Vettel und Räikkönen bei den Wintertestfahrten 2016 satte fünf Tagesbestzeiten - und damit zwei mehr als Mercedes. "Ich denke, dass Ferrari eine Bedrohung für uns sein wird", befürchtete Mercedes' Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda damals. Auf Seiten der Zuverlässigkeit hatte der SF16-H zwar Federn gelassen, doch die Chefetage der Scuderia war mehr als zuversichtlich. "Wir haben ebenfalls einen sehr wettbewerbsfähigen Boliden. Meine Hoffnung ist, dass Ferrari schon in Australien von der Pole Position startet", so Konzernchef Sergio Marchionne.

Beim Saisonauftakt in Melbourne verfehlte Ferrari zwar die erste Startreihe, doch am Rennsonntag machte es über weite Strecken den Anschein, als ob man den Rückstand zur Weltmeister-Mannschaft von Mercedes aufgeholt hatte. Der Aufschwung hielt jedoch nicht lange an, und zur mangelnden Performance des Boliden gesellten sich die technischen Unzulänglichkeiten der Pre-Season-Tests hinzu. Am Ende musste sich die Truppe sogar hinter Red Bull mit dem dritten Platz in der Konstrukteurs-WM begnügen.

Top-Performance beim Testauftakt 2017

Für 2017 hatte Ferrari einen langen Anlauf genommen, um endlich die Ziele zu erreichen, die sie vergangene Saison um Lichtjahre verpasst haben. Angesichts der Pleite 2016 hatte Marchionne aber frühzeitig angekündigt, mit Kampfansagen wie zuletzt vorsichtiger zu sein. "Ich gebe keine Prognosen mehr, wie viele Rennen wir gewinnen werden und wann wir gewinnen", so der Italiener bei seiner Weihnachtsansprache vor der Belegschaft. Wenige Monate später steht die Scuderia wieder an der Spitze der Zeitenliste: Zwei Mal konnte Räikkönen in der ersten Testwoche von Barcelona die Bestzeit markieren.

Im Gegensatz zu 2016 lief der neue SF70H in seiner ersten Woche auf der Rennstrecke nahezu makellos. Mit 468 zu 558 Runden war Ferrari den Silberpfeilen dicht auf den Fersen. Lediglich einmal rollte Vettel mit dem Boliden aus - wobei es sich dabei auch nur um ein geplantes Leerfahren des Tanks gehandelt haben könnte. Die schnellste Rundenzeit Ferraris war mit zweieinhalb Zehntel nicht weit weg von Valtteri Bottas absoluter Bestzeit. Dabei war Vettel im Gegensatz zum Finnen in Mercedes-Diensten nicht auf den Ultrasoft, sondern nur auf den Soft-Reifen unterwegs.

Ferrari ist Mercedes auch bei den Wintertestfahrten 2017 wieder auf den Fersen, Foto: Sutton
Ferrari ist Mercedes auch bei den Wintertestfahrten 2017 wieder auf den Fersen, Foto: Sutton

Keine voreiligen Schlüsse

Die Saison 2017 startet für Ferrari also wieder mit einer äußerst positiven Tendenz, doch die neue Kommunikationspolitik des Teams soll es dieses Jahr vor erneutem Spott der Öffentlichkeit bewahren. "Wenn wir es mit dem Vorjahr vergleichen, lief es viel besser", resümierte Räikkönen in seiner einzigen Medienrunde dieser Woche und fügte sogleich an. "Wo wir am Ende des Jahres stehen werden, wissen wir nicht."

Nicht viel mehr war aus Sebastian Vettel herauszukriegen, als er am Mittwoch vor die Presse trat. "Klar, am Ende schauen alle auf die Rundenzeiten", war er sich der Wirkung seiner Rundenzeiten auf die Öffentlichkeit bewusst. Dass diese für den Saisonauftakt am 26. März jedoch nicht richtungsweisend sein müssen, hat ihm die Erfahrung der vergangenen Saison gelehrt: "Ich bin gespannt, wie sich das Auto bis Melbourne verändert."