Der Krieg der Sterne zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg scheint nach dem Rücktritt des amtierenden Weltmeisters der Vergangenheit anzugehören. Der neue Mann an der Seite des Briten ist nun Valtteri Bottas. Ein grundsolider Rennfahrer, der in seiner Karriere in der Königsklasse bereits einige Glanzlichter setzen konnte. Dass ihm nun der Durchbruch bei den Silberpfeilen gelingen könnte, ist durchaus denkbar. Doch einer lässt sich von der Vita des Finnen offensichtlich nicht beeindrucken: Teamkollege Lewis Hamilton.

Wird der dreifache Weltmeister nach Bottas gefragt, so gibt sich Hamilton stets respektvoll und wertschätzend. Allerdings lassen seine Aussagen Zweifel aufkommen, ob er in seinem neuen Teamkollegen eine ernsthafte Bedrohung für seinen Status im Team sieht. "Er möchte in seinem ersten Jahr das bestmögliche für das Team herausholen", so Hamilton gegenüber Formula1. "Und da ich schon eine Weile hier bin, möchte ich liefern und sicherstellen, ihm möglichst viel Informationen bereitstelle, dass er viel lernt."

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Hamilton kein barmherziger Samariter

Aussagen wie diese muten etwas seltsam an, denn Hamilton hat in der F1 nicht unbedingt den Ruf als barmherziger Samariter. Jüngst stellte der Brite nämlich den Datentransfer zum Fahrverhalten, Bremspunkten, Ideallinien und dergleichen in Frage. "Ich würde nicht die Daten meines Teamkollegen wollen und er sollte auch meine nicht sehen. Sie können das einfach kopieren. Das gefällt mir nicht", antwortete Hamilton auf eine Fan-Frage im Rahmen eines Interviews mit USB. Die Aussagen hat er mittlerweile selbst via Twitter entkräftet, dennoch bleibt ein fader Beigeschmack.

Diese Aussagen scheinen auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff wenig gefallen zu haben. "Die Daten zu teilen bedeutet auch, dass man das Auto schneller macht. Wir können die unterschiedlichen Linien sehen und das war ein wichtiger Faktor unseres Erfolges", sagte der Österreicher im Rahmen der Präsentation des neuen Silberpfeils.

Bottas hingegen ist sich seiner Rolle als Mercedes-Rookie durchaus bewusst, will daher auch mitnehmen, was es zu holen gibt, um möglichst früh um Siege mitfahren zu können. "Ich arbeite natürlich hart mit den Ingenieuren und auch mit Lewis in den Meetings, um das bestmögliche Feedback zu geben und in sämtliche Daten zu schauen", so der Finne nach der ersten Testwoche in Barcelona. "Natürlich wird mir dadurch auch verständlich, wie er das Auto abstimmt. Ich erfahre auch mehr über seinen Fahrstil und all diese Dinge. Da gibt es viele Dinge, die ich für mich mitnehmen kann", sagte Bottas.

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Karriere-Killer Lewis Hamilton

Papa Anthony Hamilton, langjähriger Manager des Sohnemanns, ist sich indes sicher, dass auch Bottas an Hamilton zermürben wird. "Er geht dir unter die Haut. Denn er ist schnell wie Hölle. Du findest nicht heraus, wie er ein Auto entwickelt, woher er diesen Speed hat, wie er Kurven nimmt und wie sein Weg aussieht - so etwas bereitet dir Kopfschmerzen", sagte Hamilton senior gegenüber Newsweek. "Jeder, der es mit Lewis aufnimmt, muss seine Karriere korrekt geplant haben. Denn es könnte deiner Karriere ein Ende setzen, wenn du gegen Lewis antrittst."

Dennoch lässt Hamilton es nicht aus, stets zu betonen, wie gut er mit seinem neuen Teamkollegen klar kommt. Wie der große mit dem kleinen Bruder eben. "Er ist sehr witzig und bringt viele lustige Sachen, die man von einem Finnen nicht unbedingt erwarten würde", so der Brite. Aber auch die bislang fruchtbare Zusammenarbeit ist Hamilton wichtig, betont er zumindest. "Was mir an der Zusammenarbeit mit Valtteri gefällt, ist, dass alles, was wir machen auf der Strecke passiert und nicht daneben. Es gibt keine Spiele - zwischen uns herrscht komplette Transparenz." Einen Seitenhieb an seine bisherigen Teamkollegen Fernando Alonso, Heikki Kovalainen, Jenson Button und jüngst Nico Rosberg lässt sich Hamilton nicht verkneifen: "Ich habe bereits jetzt das Gefühl, dass ich eine bessere Arbeitsbeziehung zu ihm habe als zu jedem anderen meiner Teamkollegen."

Meister der Psychospielchen

Mit Alonso und Button hatte Hamilton seinerseits zwei Weltmeister an seiner Seite, Rosberg holte schließlich vergangenes Jahr den Titel. Alles große Kaliber also, mit denen es der Brite zu tun hatte. Bereits in seinem ersten Jahr zeigte Hamilton (genau wie sein Alonso übrigens auch), dass er ein Meister der Psychospielchen ist. Eine Eigenschaft, die er über die Jahre perfektioniert hat und die im Zweikampf mit Rosberg gipfelte. Und bei allem Respekt, den Hamilton vor Bottas hat: Mit seinen Aussagen versucht sich der Brite jetzt schon als Alphawolf zu etablieren, der dem jungen Nachwuchs zwar helfen will, aber seine Stellung nicht in Gefahr sieht.