Mit Rang vier in der Konstrukteurs-WM erlebte Force India 2016 das bislang beste Jahr in der Geschichte des Teams. Im Zuge der ambitionierten Konkurrenz wird es schwer genug, diese Leistung zu wiederholen. Auf den ersten Blick erschwert wird das Vorhaben durch eine Änderung bei den Fahrern. Der langjährige Pilot Nico Hülkenberg ist weg, stattdessen übernimmt nun der junge Franzose Esteban Ocon den Platz neben dem Mexikaner Sergio Perez. Für den 20-Jährigen wird es seine erste komplette Saison in der Formel 1.

Ist die Unerfahrenheit Ocons also ein Nachteil für Force India? Keinesfalls, glauben alle Beteiligten. "Esteban ist jung, aber wir wissen, dass er reichlich Talent und Potential hat, um sich weiterzuentwickeln", sagte Teamchef Vijay Mallya. Ocon selbst setzt sich klare Ziele für seine Debüt-Saison bei Force India. "Ich habe das Ziel, in jedem Rennen zu punkten. Auf diesem Level bewegt sich das Team und ich wäre enttäuscht, wenn wir die Saison nicht mit einigen guten Ergebnissen beginnen würden", kündigt er an.

Sergio Perez bekommt mit Esteban Ocon einen neuen Teamkollegen, Foto: Force India
Sergio Perez bekommt mit Esteban Ocon einen neuen Teamkollegen, Foto: Force India

Ocon setzt Perez unter Druck

Mit seinen 20 Jahren hat das Mega-Talent Ocon bereits einige Erfolge vorzuweisen. 2014 gewann er als Rookie die Formel-3-Europameisterschaft, unter anderem gegen einen gewissen Max Verstappen. Nur ein Jahr später gelang ihm auch in der GP3 auf Anhieb der Titelgewinn. Nach einem durchwachsenen Abstecher in die DTM, übernahm Ocon Mitte 2016 das Cockpit von Rio Haryanto bei Manor. Dort schlug er sich gegen Pascal Wehrlein stark. Experten sind sich einig: Ocon gehört die Zukunft.

In seinen ersten Wochen bei Force India hat der Youngster bereits Eindruck hinterlassen. "Wir hatten schon einige Sitzungen mit ihm im Simulator und es lief sofort richtig gut", sagte Technikdirektor Andrew Green. Nach Jahren der Konstanz mit Hülkenberg und Perez bedeutet die Veränderung aber auch eine neue Herausforderung für Perez selbst. Zweimal in Folge konnte der 27-Jährige seinen deutschen Teamkollegen schlagen. 2016 knackte Perez zudem als erster Force-India-Pilot überhaupt die 100-Punkte-Marke in einer Saison. Den anfänglichen Ruf des Paydrivers hat er mit inzwischen bereits sieben Podiumsplatzierungen schon lange weggefegt.

In der WM ließ Perez Nico Hülkenberg hinter sich, Foto: Sutton
In der WM ließ Perez Nico Hülkenberg hinter sich, Foto: Sutton

Perez will sich für Top-Cockpit empfehlen

Dementsprechend dauerte es vergangenes Jahr auch länger, bis klar war, wo Perez' Zukunft in der Formel 1 liegt. Lange galt er als Kandidat bei Ferrari oder Renault, diese Optionen zerschlugen sich jedoch. Auch wenn der Wechsel zu Renault - wie ihn nun Hülkenberg vollzog - oberflächlich betrachtet ein Rückschritt gewesen wäre. Finanziell verfügen die Werksteams oder großen Privatteams wie Red Bull über viel mehr Handlungsspielraum, als Force India. Es ist also keineswegs sicher, dass Perez jedes Jahr Material zur Verfügung hat, welches ihn um Podestplätze mitfahren lässt.

Für die Saison 2018 könnte es ein großes Stühlerücken in der Formel 1 geben. Bei Mercedes läuft der Vertrag von Valtteri Bottas ebenso aus, wie jener von Kimi Räikkönen bei Ferrari oder Fernando Alonsos Kontrakt bei McLaren. Andere mögliche Wendungen sind noch gar nicht bedacht. Perez könnte 2018 also tatsächlich die Gelegenheit erhalten, ein absolutes Top-Cockpit zu bekommen. Entscheidend dafür ist natürlich ein teaminterner Erfolg bei Force India. Doch bei Ocon weiß er schlicht nicht, was er bekommt.

"Esteban ist sehr schnell und ich bin sicher, dass er mich ab dem ersten Rennen antreiben wird", sagte Perez bei der Präsentation des neuen Boliden. "Es ist immer gut, wenn man mit neuen Leuten arbeitet. Ich hoffe, ich kann dich unter Kontrolle halten!", scherzte er in Richtung seines neuen Kollegen. Ob ihm das Lachen vergehen wird, bleibt abzuwarten. Der Druck des Teams liegt jedenfalls bei Perez. "Checo war brillant, er ist ein echter Racer mit viel Talent. Er hatte viel Erfolg für uns", blickt Mallya zurück.

In Monaco wurde Sergio Perez Dritter, Foto: Sutton
In Monaco wurde Sergio Perez Dritter, Foto: Sutton

Mallya will Top 3 angreifen

Dieser Erfolg soll noch weiterwachsen. Platz vier soll wenn möglich nicht das Ende der Fahnenstange sein. "Wir haben uns Jahr für Jahr verbessert und die Erwartungen übertroffen. So soll es sein. Ich habe Checo am Anfang gesagt: Egal, wie groß die Barriere ist, in die Top 3 zu kommen, es ist nicht unmöglich. Wir versuchen es!", stellte Mallya klar. Perez soll liefern, während Ocon zunächst etwas im Schatten bleiben kann. "Ich vertraue dem Team und bin sicher, dass uns große Dinge gelingen werden. Ich bin erst neun Rennen gefahren und kann vieles von Sergio lernen. Mein Ziel ist es, ab dem ersten Rennen bei der Pace zu sein und dann schauen wir weiter", so Ocon.

Zumindest zwischenmenschlich passt die Chemie zwischen Perez und Ocon sehr gut. Bei der Präsentation wirkten sie gelöst, Ocon lobte Perez mehrmals für seine Erfolge. Und auch der Mexikaner sieht seinen neuen Kollegen nicht nur als Konkurrenten, sondern will ihm auch bei der Eingewöhnung helfen. "So funktioniert der Sport. Abseits der Strecke bin ich mit meinen Teamkollegen immer gut ausgekommen. Klar, auf der Strecke will man ihn schlagen, weil er die erste Referenz ist", merkt Perez an. "Aber soweit ich weiß, ist Esteban sehr intelligent und wir werden auf der Strecke hart kämpfen, gleichzeitig aber auch gegenseitigen Respekt zeigen", ergänzte er gegenüber Sky Sports.