Immer wieder Interlagos. Brasilien Grand Prix 2012. Während Sebastian Vettel in Folge einer fulminanten Aufholjagd seine dritte Weltmeisterschaft gewann und den Fokus auf sich zog, spielte sich viel weiter hinten ein kleines Drama ab. In der 66. Runde des chaotischen Rennens quetschte sich Vitaly Petrov im Caterham im direkten Duell an Charles Pics Marussia vorbei.
Ein Überholmanöver mit Folgen. Der letztendlich elfte Platz des Russen stieß Marussia ins Unheil, Caterham zog im letztmöglichen Moment in der Konstrukteursmeisterschaft vorbei und heimste die Millionenprämien ein.
Vier Jahre später. Wieder Interlagos, wieder Chaos. Der Petrov von damals hieß diesmal Felipe Nasr. Sein neunter Platz beim regnerischen Rennen in Sao Paulo sicherte Sauber Platz neun in der Gesamtwertung. Manor - das zuvor dank Pascal Wehrlein die Nase vorn gehabt hatte - fiel auf die zehnte Position bei den Konstrukteuren zurück. Rund 30 Millionen Euro an Prämien gingen damit den Bach hinunter - und führten letztendlich zur erneuten Insolvenz des kleinen Rennstalls.
Ironie des Schicksals?
Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet zwei chaotische Rennen zu noch größerem Chaos bei Manor führten? Als hätte es das Team während seiner kurzen Zeit in der Formel 1 nicht schon schwer genug gehabt. Nach dem sportlichen und finanziellen Rückschlag von 2012 verlor Timo Glock seinen Vertrag und Marussia schleppte sich mit einem völlig unterlegenen, adaptierten Vorjahresauto durch die Saison. Immerhin konnte die ewig klamme Truppe unter der damaligen Leitung von John Booth den Rennbetrieb fortsetzen; wenn auch mit einem Mini-Etat von geschätzten 40 Millionen Euro.
2017 sieht es höchstwahrscheinlich anders aus. Die beiden Plätze von Manor werden leer bleiben in der Startaufstellung. Das Schicksal des Teams mit seiner kurzen, aber überaus bewegten Geschichte scheint besiegelt zu sein. Eine zweite Insolvenz nach 2014 scheint wegen fehlender Geldgeber kaum noch abwendbar, das endgültige Aus in der Formel 1 könnte schon bald erfolgen. Stichtag soll der 20. Januar sein, heißt es aus England. Angeblich sind die Januar-Gehälter der Mitarbeiter gesichert - es klingt nach einem letzten Fünkchen Hoffnung.
Dabei hatte die Zukunft von Manor bis zum schicksalhaften Brasilien Grand Prix noch rosig ausgesehen. Mit weiteren Investoren sollte gar der Sprung in Richtung Mittelfeld gelingen. Wenig später ist alles vorbei.
Gelingt die Rettung?
Gelingt Manor noch einmal die Rettung in letzter Sekunde? Wollen sich Insolvenzverwalter und Team einen solchen Nervenkrieg überhaupt noch einmal antun, oder gehen endgültig die Lichter aus in der Teamfabrik? Selbst im Falle einer Rettung stünden die Vorzeichen alles andere als rosig, wie das Beispiel von 2015 zeigt.
In jenem Jahr verkam die Saison von Manor nach der Last-Minute-Rettung zur Farce. Beim Auftakt in Australien konnte keines der beiden Autos starten, anschließend in Malaysia reichte das Teilelager vermutlich nur für ein Auto. Der veraltete Manor-Bolide blieb über die Saison hinweg eine Krücke.
Unüberwindbare Hürde
Die zweite Insolvenz innerhalb der siebenjährigen Geschichte des Teams in der Formel 1 dürfte nun eine unüberwindbare Hürde darstellen. Dabei beeindruckte der einst als Virgin Racing ins Leben gerufene Rennstall immer wieder mit Durchhaltevermögen. Stolpersteine, wie etwa der komplett am Computer entwickelte Bolide aus der Saison 2010, überwand die Racer-Truppe. Kreative Lösungen wie die Versteigerung der gesamten Team-Ausstattung sorgten zumindest von außen betrachtet für Unterhaltung.
Weitaus schwerwiegender als die sportlichen Probleme waren hingegen die beiden Todesfälle von Maria de Villota und Jules Bianchi. Die Spanierin verstarb 2013 in Folge eines schweren Unfalls aus dem Vorjahr bei Testfahrten in England. Das nächste Unglück ereignete sich 2014 beim Japan Grand Prix, als sich der junge Bianchi schwer verletzte und schließlich verstarb. Schicksalsschläge, die sich nachhaltig auf Moral und Performance des Teams auswirkten. So etwas wie Ruhe sollte nie einkehren. Ein Rückschlag folgte auf den nächsten.
Verflixte sieben Jahre
Ob der Formel 1 etwas fehlen wird ohne das kleine Team, das sich 2010 in Erwartung einer Kostenobergrenze - die niemals realisiert wurde - für den Einstieg in die Königsklasse entschieden hatte? Seine Wurzeln hat der britische Rennstall, einst auf die Ausbildung von Talenten spezialisiert, inzwischen verloren.
Ende 2015 verließen Teamgründer John Booth und Teammanager Graeme Lowdon die Mannschaft, versuchten sich stattdessen im Sportwagenbereich. Zurück blieb ein Gebilde aus kurzfristig gefundenen Geldgebern, das auch dank der Unterstützung durch Mercedes wettbewerbsfähiger auftrat als erwartet.
Virgin, Wirth, Marussia, Insolvenz, zuletzt Investor Fitzpatrick - sieben Jahre lang erwies sich der Kern des Manor-Teams als Überlebenskünstler der Formel 1. Verflixte sieben Jahre. Für ein achtes sind die Kräfte nun wohl aufgebraucht.
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