Ferrari stand nach dem Großen Preis von Italien wieder einmal in der Kritik. Allerdings nicht, weil es die Scuderia auch beim Heimspiel in Monza verpasst hatte, den ersten Saisonsieg zu feiern, denn angesichts von Nico Rosbergs souveräner Fahrt an der Spitze des Feldes war dies nicht realistisch. Die Kritik richtete sich vielmehr gegen Sebastian Vettels und Kimi Räikkönens Zwei-Stopp-Strategie, die trotz Lewis Hamiltons schlechtem Start, der ihn zwischenzeitlich auf Platz sechs zurückwarf, schlussendlich hinter dem WM-Leader ins Ziel kamen.
Im Vorfeld des Rennens war gemeinhin davon ausgegangen worden, dass der Großteil der Piloten nur einmal stoppen würde, wie das in Monza traditionell der Fall ist. Von den Spitzenfahrern hielten sich allerdings nur Rosberg und Hamilton an diesen Plan, verfügten jedoch auch über einen entscheidenden Vorteil: Das Mercedes-Duo hatte sich in Q2 auf den Soft-Reifen qualifiziert und startete dementsprechend auf dieser Mischung in den Grand Prix, die übrigen Piloten der Top-10 hatten im ersten Stint dem Reglement entsprechend hingegen die Supersofts aufgezogen.
Somit war es für Vettel und Räikkönen gar nicht möglich, die idente Strategie wie das Silberpfeil-Duo zu wählen, da die Ausgangslage bereits vor dem Erlöschen der Ampeln eine andere war. Während Mercedes für den zweiten und gleichzeitig auch letzten Stint die Medium-Reifen wählte, mit denen das Rennen beendet wurde, entschied sich Ferrari beim ersten Boxenstopp erneut für Supersoft, ehe in der Schlussphase des Rennens die Soft-Pneus zum Einsatz kamen.
Strategien im Italien GP:
Fahrer | 1. Stint | 2. Stint | 3. Stint |
Hamilton | Soft - 25 R | Medium - 28 R | - |
Vettel | Supersoft - 16 R | Supersoft - 17 R | Soft - 20 R |
Räikkönen | Supersoft - 15 R | Supersoft - 19 R | Soft - 19 R |
Diese strategische Schere kippte das Rennen zugunsten Hamiltons, der sich nach der zweiten Serie der Ferrari-Stopps vor dem roten Duo befand, ohne ein Überholmanöver gegen Vettel oder Räikkönen gesetzt zu haben. Zwar gelang es Vettel, seinen Rückstand auf Hamilton im letzten Stint dank der frischeren Reifen von 18,5 auf 5,9 Sekunden zu reduzieren, in Schlagdistanz zum Briten kam er aber nie.
"Wir hatten eine andere Strategie, wir hatten am Ende frischere Reifen, also haben wir erwartet schneller zu sein und aufholen zu können", erklärte Vettel, wie Ferraris Plan am Reißbrett ausgesehen hatte. "Aber es hat nicht gereicht, sie unter Druck zu setzten. Lewis war einfach zu weit weg."
Grosjean als vermeintliches Ferrari-Vorbild
Warum versuchte Ferrari nicht, mit einem Stopp über die Distanz zu kommen? Diesbezüglich hätte es zwei Optionen gegeben, nämlich den zweiten Stint entweder mit den Soft- oder Medium-Reifen zu fahren. Dass man mit der Strategie Soft-Supersoft und nur einem Stopp über die Runden kommen kann, stellte Romain Grosjean unter Beweis, der zunächst 28 Umläufe auf Soft absolvierte und dann 24 auf Supersoft fuhr.
Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Soft-Reifen des Haas-Piloten nach bereits sieben Runden deutlich abzubauen begannen, wohingegen die Supersofts keine ersichtlichen Verschleißerscheinungen zeigten und es Grosjean in der absoluten Schlussphase sogar ermöglichten, seine schnellste Rennrunde zu fahren - im stolzen Alter von 20 Runden.
Wäre Grosjeans umgekehrte Strategie - also Supersoft-Soft - somit nicht auch eine Möglichkeit für Ferrari gewesen? Immerhin hätte man sich dadurch einen Stopp gespart, der in Monza aufgrund der Streckencharakteristik besonders zeitintensiv ist. Dagegen sprach wohl die Angst, mit den Soft-Reifen gegen Rennende hin einzubrechen und im schlechtesten Falle noch einen Not-Stopp einlegen zu müssen. Eine Überlegung, die angesichts von Grosjeans Zeiten nicht völlig von der Hand zu weisen ist.
Die andere Ein-Stopp-Variante, Supersoft-Medium, stand für Ferrari indessen nicht zur Debatte, weil sich die Scuderia mit der Medium-Mischung traditionell schwer tut und befürchtete, die Mercedes-Pace nicht mitgehen zu können, sondern von Hamilton überholt zu werden. Somit blieben lediglich zwei Stopps, auf die man sich offenbar schon vor dem Rennen festgelegt hatte.
Fehlender Strategie-Split macht es Mercedes leicht
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene erklärte die Herangehensweise seiner Mannschaft nach dem Grand Prix folgendermaßen: "Bist du in der Position, in der du dich verteidigen musst, kannst du einen Stopp machen. Aber wir mussten das Gegenteil machen, wir mussten aggressiv sein. Wenn wir dieselbe Strategie gefahren wären wie sie (Mercedes), wären wir elf Sekunden langsamer gewesen als wir waren. Also waren wir auf der schnelleren Strategie."
Zu hinterfragen ist dennoch, weshalb die Strategien zwischen Vettel und Räikkönen nach Hamiltons verpatztem Start nicht gesplittet wurden und nicht ein Wagen auf Ein-Stopp gesetzt wurde, um Mercedes zumindest eine Denksportaufgabe zu geben. So konnten die Silberpfeile ihren Plan hingegen ohne Bedenken durchziehen und kamen trotz schlechter Ausgangslage nach der ersten Runde zu einem ungefährdeten Doppelsieg im Ferrari-Wohnzimmer.
diese Formel 1 Analyse