"Ich habe erst nach dem Fallen der Zielflagge die Ergebnisse gesehen. Ich wusste nur, dass Daniel hinter mir war. Dann habe ich HAM auf P3 gelesen und dachte: Was?! Wirklich?!" Lewis Hamilton war es beim Großen Preis von Belgien gelungen, selbst seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg zu überraschen. Schadensbegrenzung auf höchstem Niveau - Hamilton gelang mit dem Podestplatz in Spa-Francorchamps ein extrem wichtiger Coup. Trotz der widrigen Umstände führt der Brite weiter die Weltmeisterschaft an.

Dabei dürfte sich Rosberg nach Hamiltons Motorwechsel-Orgie innerlich ausgerechnet haben, direkt nach der Sommerpause wieder die Gesamtführung zu übernehmen. Je länger das Wochenende voranschritt, desto weniger rechneten Mercedes und auch Hamilton selbst mit einer Aufholjagd aus der letzten Startreihe.

Nur 10 Punkte verloren

Durch freundliche Unterstützung der Crash-Konkurrenz, Safety-Car-Phasen und einer Unterbrechung schaffte es Hamilton im Rennen tatsächlich bis auf den dritten Platz. Der Podestplatz in Spa könnte im WM-Kampf einen größeren Stellenwert haben als so mancher Sieg des amtierenden Champions. Bei Rosbergs Sieg verlor er unterm Strich nur 10 Zähler und führt die Weltmeisterschaft weiter mit einem Vorsprung von 9 Punkten an.

"Das war nicht mein Fokus", wollte sich Rosberg gar nicht erst auf Diskussionen über Hamilton einlassen. "Ich bin hierhergekommen, um das Rennen zu gewinnen." Dabei wurde sicherlich auch bei Mercedes intern der Taschenrechner ausgepackt und sich gefragt, wie sehr die unumgängliche Motoren-Strafe Hamilton im Titelkampf zurückwerfen würde. "Was heute aussah wie ein Nachteil, hat sich am Ende viel weniger relevant herausgestellt als erwartet", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Rosberg freut sich über seinen ersten Spa-Sieg, Foto: Sutton
Rosberg freut sich über seinen ersten Spa-Sieg, Foto: Sutton

Tausche Motoren gegen Punkte

Rosbergs Chancen waren nie besser, die Gesamtführung zurückzuerobern - doch Hamilton hielt dagegen. Der Spa-Sieg war sicherlich Balsam für die Seele - von einem gebrochenem Momentum nach Hamiltons vier Siegen zuvor aber keine Rede. Indiz: Selten zuvor war der dreimalige Champion so glücklich über einen dritten Platz. "Wenn mir vor der Sommerpause jemand gesagt hätte, dass ich zehn Punkte verliere und dafür drei Motoren bekomme, hätte ich das gern angenommen", scherzte Hamilton.

Sein Selbstvertrauen ist nach wie vor ungebrochen. "Heute hatte ich das Gefühl, beim Fahren wieder den Wohlfühlfaktor zu spüren", sagte Hamilton. "Hoffentlich haben wir jetzt eine saubere zweite Saisonhälfte. Bis jetzt war es definitiv nicht die einfachste, um für den Titel zu kämpfen." Zahlreiche Motorenprobleme in den ersten Rennen waren überhaupt erst der Auslöser für den dreifachen Tausch der Power Unit in Belgien gewesen.

Nico Rosberg trotz Sieg weiter Zweiter in der WM, Foto: Sutton
Nico Rosberg trotz Sieg weiter Zweiter in der WM, Foto: Sutton

Was bringt die Motoren-Ungleichheit?

Der Nachteil könnte sich jetzt für Hamilton sogar in einen Vorteil umwandeln. Für die verbleibenden Rennen stehen ihm mehr Aggregate zur Verfügung als Rivale Rosberg. "Ja, das ist mir bewusst", sagte Rosberg lediglich. "Aber ich denke nicht so darüber nach. Ich fokussiere mich auf mich und glaube nicht, dass das jetzt noch einen so großen Unterschied ausmachen wird."

Sicherlich ist die Motoren-Thematik für Hamilton aber nicht von Nachteil, wie auch Motorsportchef Wolff einräumte: "Lewis hat jetzt einen zusätzlichen Motor im Gepäck. Das gibt Sicherheit." Trotz der Spa-Überraschung erwartete er weiter einen engen Kampf seiner beiden Schützlinge. "Wir haben immer gesagt, dass es bis zum Ende ein bisschen hin- und hergehen wird", sagte Wolff. "Die paar Punkte Unterschied haben noch gar nichts entschieden. Wir werden noch ein paar spannende Rennen und mehr graue Haare bekommen."

Für Rosberg gilt: weiter auf die eigene Seite der Garage konzentrieren. "Bis zuletzt hatte ich keine Ahnung, ob er noch im Rennen ist oder wo er fährt", sagte Rosberg. "Er war auch nicht mein direkter Gegner im Rennen. Von daher war das für mich nicht relevant." Das sollte sich schon am kommenden Wochenende ändern, wenn die Formel 1 nach Monza zum Italien Grand Prix reist. Rosbergs Devise: "Jetzt freue ich mich erst über den Sieg. Monza ist noch kein Thema."