Nach dem nervenaufreibenden Österreich Grand Prix bleibt dem Formel-1-Tross nicht viel Zeit, um durchzuatmen - vom 8. bis zum 10. Juli steht bereits der nächste und damit zehnte Lauf in der Saison 2016 an. Die Königsklasse gastiert hierfür zum 50. Mal in ihrer Geschichte in Silverstone. Die Strecke in Northamptonshire ist ein absoluter Klassiker und in der Formel 1 kaum wegzudenken. Doch nicht nur wegen ihrer Historie ist die Strecke ein echtes Highlight.

Der im Jahr 1948 eingeweihte Kurs basiert auf einem Militärflugplatz, der während des Zweiten Weltkriegs von der britischen Luftwaffe benutzt wurde. Nach dem Krieg wurden Flughäfen mit großer Vorliebe für Motorsport-Veranstaltungen zweckentfremdet, da die Rollfelder über eine enorme breite verfügten und es auf den Wiesen rundherum zudem weitaus mehr Auslaufzonen gab, als auf öffentlichen Straßen.

Atemberaubende Kurvengeschwindigkeiten

Ab dem Jahr 1952 zog sich die Luftwaffe vollständig vom Gelände in Silverstone zurück und der BRDC (British Racing Drivers' Club) erhob Anspruch darauf. Seit 1950 wurde jedoch schon regelmäßig der Grand Prix von Großbritannien in Silverstone ausgetragen und die Rennstrecke im Laufe der Jahre immer wieder modernisiert. Das aktuelle Layout mit einer Gesamtlänge von 5,891 km wird seit dem Jahr 2010 genutzt. Silverstone ist damit immer noch die drittlängste Strecke im Kalender.

Die Renndistanz beträgt nach den 52 zu absolvierenden Runden 306,332 km. Mit einem Vollgas-Anteil von mehr als 60 % erreichen die Piloten Durchschnittgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h - und das, obwohl der Kurs kein reines Highspeed-Layout wie zum Beispiel Monza ist. In Silverstone gibt es für die Piloten ganze 18 Kurven zu meistern, wovon zehnt Rechts- und acht Linkskurven sind. Die Copse-Kurve (9) wird mit über 260 km/h durchfahren. Noch schneller sind die Fahrer allerdings in der Maggots-Kurve (10) unterwegs, die mit knapp 300 km/h angesteuert und fast unter Volllast gefahren wird.

Zwischen den Kurven Luffield (7) und Stowe (15) legen die Piloten etwa 40 Sekunden bei Vollgas zurück. Die besten Überholmöglichkeiten gibt es auf den langen Geraden vor den Kurven Brooklands (6) und Stowe (15). Hier befinden sich jeweils auch die beiden DRS-Zonen auf dem Kurs.

Das seit 2010 genutzte Layout von Silverstone, Foto: Motorsport-Magazin.com
Das seit 2010 genutzte Layout von Silverstone, Foto: Motorsport-Magazin.com

Downforce macht den Unterschied

Die Streckencharakteristik begünstigt dementsprechend vor allem Fahrzeuge, die über ein besonders gutes Chassis und eine ausgereifte Aerodynamik verfügen. Mit reiner Leistung sind Defizite in den schnellen Passagen von Silverstone nicht wettzumachen. Ein Team wie Red Bull könnte auf dem Kurs also wieder deutlich näher an Mercedes heranrücken, als es in den vergangenen Rennen der Fall war.

Der Faktor Aerodynamik wirkt sich logischerweise auch auf den Reifenverschleiß aus. Wer beim Anpressdruck Abstriche machen muss, wird zwangsläufig auch die Reifen mehr beanspruchen und so ins Hintertreffen geraten. Der Asphalt auf dem Kurs ist alt und damit rau. Das sorgt für hohes Gripniveau, führt aber gleichzeitig zu stärkerem Reifenverschleiß.

Streckendaten
Länge: 5,891 km
Runden: 52
GP-Distanz: 306,332 km
Rundenrekord: 1:30.874 (Fernando Alonso, 2014)
Kurven: 18
Weg bis zur ersten Kurve: 420 m
Länge Boxengasse: 489 m
Zeit in Box bei 60 km/h: 23,0 Sekunden

Pirellis Unbekannte

Um mit den hohen Beanspruchungen durch die Kurvengeschwindigkeiten fertig zu werden, hat Pirelli für den Grand Prix von Großbritannien die Reifenmischungen Hard, Medium und Soft im Gepäck. Die Soft-Mischung kommt erstmalig in Silverstone zum Einsatz, nachdem der Reifenhersteller in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die härteren Mischungen gesetzt hatte.

Unvergessene Momente

Schumacher und Hill gerieten 1995 mehrmals aneinander, Foto: Sutton
Schumacher und Hill gerieten 1995 mehrmals aneinander, Foto: Sutton

Moment 1: 1995 - Der WM-Kampf zwischen Michael Schumacher und Damon Hill spitzte sich zur Saisonmitte des Jahres 1995 beim Grand Prix von Großbritannien immer mehr zu. Von der Pole Position aus führte Hill das Rennen zunächst komfortabel an, bis klar wurde, dass Schumacher im Gegensatz zu ihm nur auf einer Einstopp-Strategie unterwegs war. In Runde 46 hatte Hill die Lücke zu Schumacher dennoch geschlossen und war mit frischeren Reifen klar im Vorteil. Der Williams-Pilot versuchte in der Priory-Kurve an Schumacher vorbeizugehen, stach dabei jedoch in eine Lücke, die keine war. Resultat: Kollision, null Punkte und erhitzte Gemüter bei beiden Fahrern. Statt den beiden Titelaspiranten freute sich Schumachers Teamkollege Johnny Herbert über seinen ersten Grand-Prix-Sieg - und das auf heimischem Boden.

Mark Webber ließ mit seinem Sieg im Jahr 2010 keine weiteren Fragen offen, Foto: Sutton
Mark Webber ließ mit seinem Sieg im Jahr 2010 keine weiteren Fragen offen, Foto: Sutton

Moment 2: 2010 - In der Saison 2010 befand sich Red Bull zum ersten Mal mitten im Titelkampf - und das nicht nur mit Sebastian Vettel. Mark Webber war in diesem Jahr bestens aufgelegt und lag zum Zeitpunkt des Großbritannien Grand Prix in der Weltmeisterschaft nur knapp hinter Vettel auf Rang vier. In der Türkei waren die beiden Stallgefährten bereits aneinandergeraten, was zu Spannungen im Team führte - und Silverstone sollte nicht zur Entspannung beitragen. Red Bull hatte ein Aerodynamik-Upgrade mitgebracht, von dem den Fahrern jedoch keine Ersatzteile zur Verfügung standen. Vettels Frontflügel ging im Training zu Bruch und Teamchef Christian Horner entschied in der Folge, Webber seinen neuen Frontflügel abzunehmen und ihn Vettel zu geben. Dem Australier schmeckte dies gar nicht und so gab er seine Antwort auf der Strecke - mit einem Sieg und sehr eindeutigem Statement: "Nicht schlecht für eine Nummer zwei, was?!"

Alonso und Vettel kämpften 2014 verbittert um den fünften Platz, Foto: Sutton
Alonso und Vettel kämpften 2014 verbittert um den fünften Platz, Foto: Sutton

Moment 3: 2014 - Vor zwei Jahren kam es in Silverstone zu einem der aufregendsten Zweikämpfe der letzten Jahre - und dabei ging es nicht einmal um den Sieg. Im Kampf um Rang fünf duellierten sich Sebastian Vettel im Red Bull und Fernando Alonso im Ferrari bis aufs Äußerste und spielten dabei jeden Trick aus, den ein Weltmeister auf Lager hat. Der Kampf gipfelte in hitzigen, gegenseitigen Beschuldigungen im Boxenfunk, die selbst den beiden Protagonisten im Nachhinein etwas unangenehm waren. Das bessere Ende hatte Vettel für sich, der in der Copse-Kurve am Spanier vorbeigehen konnte .

Großbritannien GP: Die letzten Rennen

Jahr Sieger 2. Platz 3. Platz Pole Schn. Runde
2015 Lewis Hamilton Nico Rosberg Sebastian Vettel Lewis Hamilton Lewis Hamilton
2014 Lewis Hamilton Valtteri Bottas Daniel Ricciardo Nico Rosberg Lewis Hamilton