Herr Rahimov, warum findet in Baku eigentlich der Große Preis von Europa und nicht der Große Preis von Aserbaidschan statt?
Arif Rahimov: Es ist hauptsächlich ein Vermächtnis von dem, was wir zuvor gemacht haben. Wir haben einige große europäische Events wie Eurovision Song Contest oder die European Games ausgetragen. Es geht darum, dass wir unsere geografische Lage in Europa stärken wollen, aber auch die Gesinnung, die sehr nah an Europa ist. Es geht darum, den Fakt, dass wir eine europäische Nation mit einer europäischen Einstellung und europäischen Werten sind, zu unterstreichen.

Wie sieht ihr Business-Model aus? Stimmt es, dass die Regierung die Antrittsgebühren an Bernie Ecclestone zahlt und Sie als Promoter nur für den laufenden Betrieb aufkommen müssen?
Es ist eine ziemlich komplizierte Struktur, was genau von der Regierung und was direkt von unseren Investoren bezahlt wird. Es ist eine gemischte Struktur. Wir werden von der Regierung unterstützt, aber ich kann Ihnen nicht direkt erzählen, was genau bezahlt wird. Es ist eine sehr komplizierte Struktur.

Bei einigen anderen Grands Prix - von dem, was ich gehört habe - gibt es normalerweise eine finanzielle Unterstützung für den Grand Prix, weil es offensichtlich einen Nutzen für die Regierung gibt, der mit dem Grand Prix einhergeht. Es hat einen Einfluss auf den Tourismus, indirekt dann auch für die Steuereinnahmen und so weiter. Deshalb unterstützt die Regierung in einigen anderen Ländern - in Singapur gibt es sogar offene Informationen diesbezüglich und ich glaube auch in den USA - den Promoter finanziell, um sicherzustellen, dass der Grand Prix stattfindet und die Regierung all diese Vorteile hat.

Sport als Profiteur neuer Austragungsorte

Aber es geht um die Summe, wie groß die Spende der Regierung an den Promoter ist ...
Das ist von Land zu Land unterschiedlich, aber bei dem Großteil vor allem der neueren Rennen - ich spreche nicht von den traditionellen Rennen - gibt es immer eine Unterstützung der Regierung.

Stichwort Traditionsrennstrecken. Aserbaidschan ist bislang nicht für seine Motorsport-Historie bekannt. Die Fans kritisieren, dass wir in Länder gehen, in denen es keine Fans und keine Motorsport-Kultur gibt. Verstehen sie die Kritik?
Ich finde es schwierig: Es gab einige negative Kommentare diesbezüglich. Aber das kommt glaube ich daher, dass Leute, die glücklich und zufrieden sind, nicht an die Medien gehen und ihre Meinung verbreiten, dass sie glücklich sind. Diejenigen, die negativ darüber denken, tendieren dazu, das etwas mehr zu kommunizieren. Wie auch immer: Meine persönliche Meinung ist, dass es gut für den Sport ist, dass sich der Sport in Ländern entwickelt, die diese Historie nicht haben. Diese Länder können diese Möglichkeit nutzen, um sich dieses Erbe aufzubauen, um eine Motorsportkultur zu entwickeln. Es ist sehr gut für den Motorsport, weil er eine größere Fan-Basis rund um die Welt kreiert, wo die Formel 1 noch nicht war. Auch wenn ich nicht in meiner Position wäre, würde ich sagen, dass es vorteilhaft für den Sport ist.

Baku plant langfristiges F1-Engagement

Wenn Sie davon sprechen, eine Motorsport-Kultur aufbauen zu wollen, dann ist das ein langfristiges Projekt?
Ja, es gibt einen Zehnjahresvertrag. Und wir hoffen, dass es nach zehn Jahren nicht zu Ende ist. Wir geben unser Bestes, um diesen Grand Prix herausragend zu machen. Indem wir diesen Grand Prix herausragend machen, generieren wir großes Interesse für die Formel 1 in unserem Land.

Die Flame Towers gelten als neues Markenzeichen der Metropole Baku, Foto: Sutton
Die Flame Towers gelten als neues Markenzeichen der Metropole Baku, Foto: Sutton

Wie wollen Sie den Grand Prix in einem Kalender mit 21 Rennen herausragend machen?
Zuerst einmal sorgt die Tatsache, dass es der erste Grand Prix ist, für großes Interesse, weil die Leute sehen wollen, wie es ist. Zweitens ist es für Leute, die Baku nicht kennen und noch nie dort waren, begeisternd zu sehen - diese tolle Bild am TV zu sehen, mit all unseren verblüffenden Wahrzeichen, mit alten und neuen Wahrzeichen.

Außerdem haben wir eine Menge Würze in unserer Strecke, wir haben einige sehr herausfordernde Stellen. Nur um ein paar Fakten zu nennen: Wir haben den schnellsten Stadtkurs im Formel-1-Kalender, die Durchschnittsgeschwindigkeit wird mehr als 210 Stundenkilometer betragen und der Topspeed, wird - laut unseren Simulationen - bei rund 340 Stundenkilometer auf der langen Geraden liegen. Abgesehen davon wird es einige sehr enge Stellen geben. Hier wird es sehr interessant sein, die Autos zu sehen und auch für die Fahrer wird es das. Es gibt viele Höhenänderungen, das ist auch schön für die Fahrer und die Zuschauer. Es wird ein wunderschönes Rennen. Um das Rennen herum planen wir ein großes Unterhaltungsprogramm für all unsere Besucher mit vielen Konzerten. Wir geben alles, um ein unterhaltsames Rennen zu haben. Wie in Monaco, Singapur oder Abu Dhabi, wo es auch sehr viel abseits der Strecke gibt, wenn das Rennen zu Ende ist. Das ist unser Plan.

Uralte Prachtbauten entlang der Strecke sorgen in Baku für ein ganz besonderes Flair, Foto: Sutton
Uralte Prachtbauten entlang der Strecke sorgen in Baku für ein ganz besonderes Flair, Foto: Sutton

Wird Baku irgendwann zum Nachtrennen?

Gibt es Pläne, den Europa GP zu einem Nacht GP zu machen? Das würde sich in einer Stadt vielleicht anbieten ...
Es gibt ja nur ein Nachtrennen in einer Stadt, das ist Singapur. Aktuell schauen wir uns diese Möglichkeit nicht genauer an. Wir werden uns das in Zukunft einmal ansehen, aber für die ersten paar Jahre erst einmal nicht.

Können Sie kurz umreißen, wie es zu der Idee kam, ein Formel-1-Rennen in Baku zu veranstalten?
Wir haben ja - wie erwähnt - schon ein paar internationale Events ausgetragen. Vor allem Sportveranstaltungen. Wir haben Europa- und Weltmeisterschaften in verschiedenen Sportarten ausgetragen. Wir haben nach etwas gesucht, das einen großen Effekt auf Aserbaidschan hat und das eine große Auswirkung in der Welt hat, damit die Leute wissen, was Aserbaidschan ist und wo es auf der Weltkarte liegt. Die größten Events, mit denen man das erreichen kann, sind die Fußballweltmeisterschaft und die Olympischen Spiele. Nummer drei ist Formel 1. Um die anderen beiden auszutragen, sind wir noch nicht bereit, aber die Formel 1 sah für uns möglich aus. Deshalb haben wir geplant, diesen Grand Prix auszutragen.

Entlang des Baku City Circuit findet sich ein Prachtbau neben dem anderen, Foto: Sutton
Entlang des Baku City Circuit findet sich ein Prachtbau neben dem anderen, Foto: Sutton

Keine Angst vor Formel-1-Kritik

Sind Sie nach wie vor davon überzeugt, dass die Formel 1 die richtige Veranstaltung ist, da es in der Vergangenheit ja nicht nur positive Schlagzeilen gab?
Definitiv! Es gibt kritische Kommentare zu jedem größeren Event. Formel 1 hat eine enorme Fan-Basis. Viele Leute reisen von Land zu Land, um die Rennen anzuschauen. Wir sind noch immer davon überzeugt, dass es ein sehr gutes Projekt ist. Es ist eine sehr gute Idee, dieses Rennen in unserem Land auszutragen. Wenn sie auf den Sound anspielen: Ich glaube, dass ändert sich für die nächste Saison und wir sind zur rechten Zeit da.

Bei der Zuschauerkapazität muss Baku noch nachlegen. Im Bild die Haupttribüne, Foto: Sutton
Bei der Zuschauerkapazität muss Baku noch nachlegen. Im Bild die Haupttribüne, Foto: Sutton

Die Zuschauerkapazität soll rund 30.000 betragen, ist das richtig? Das wäre ziemlich wenig, verglichen mit anderen Strecken.
Ja, wir haben 20.000 Sitzplätze und wir versuchen, die Stehplätze noch zu erweitern. Es gibt die Chance, dass wir insgesamt mehr als 30.000 Personen unterbringen. Die Ticketverkäufe waren ziemlich positiv. Wir sind zuversichtlich, alle Karten zu verkaufen. Die Kapazität wird hauptsächlich vom Gelände bestimmt. Wir wollten nicht zusätzliche Tribünen an Stellen aufstellen, wo die Zuschauer nicht zufrieden wären mit dem, was sie sehen - beispielsweise auf den Geraden. Wir versuchen deshalb, die Tribünen strategisch an guten Positionen aufzustellen. Dass es ein Stadtkurs ist und sehr viele Gebäude im Stadtkern sind, schränkt das ein. Wir können Tribünen nicht in jede Kurve stellen.

Zuschauerkapazität in Baku kaum zu erhöhen

Und in Zukunft? Wenn man als Promoter mehr Karten verkaufen kann, dann verzichtet man darauf doch nicht.
Um ehrlich zu sein: Wir haben für dieses Rennen im Vorfeld so viel geplant. Im Moment haben wir alles ausgequetscht, was ging. Wir schauen immer darauf, wie wir die Kapazität noch erweitern können, aber ich glaube nicht, dass wir viel mehr schaffen können.

Die Strecke stammt aus der Feder von Hermann Tilke, der gefühlt jede Strecke baut. Wie sind Sie mit Hermann Tilke in Verbindung gekommen und gab es noch Alternativen zu ihm?
Hermann wurde seitens der Formel 1 als ein sehr professioneller Mensch empfohlen, der weiß, was man bei Rennstrecken machen kann und was nicht. Er kam auf uns zu und auf der anderen Seite wurde uns von der FOM gesagt, dass wir mit ihm zusammenarbeiten können und sicher sind, dass die Rennstrecke so gut wie nur möglich wird. Wir haben außer mit Hermann mit niemandem zusammengearbeitet. Wir haben unsere eigenen Leute, die sich um kleinere Dinge kümmern. Es ist ein dynamischer Prozess, bei dem sich jeden Tag etwas ändert und man sofort reagieren muss. Deshalb gibt es ein kleines eigenes Team. Aber der Masterplan, die ganze Infrastruktur der Strecke kommt von Hermann. Es war sehr angenehm, mit ihm zu arbeiten. Wir arbeiten noch immer mit ihm, er überblickt die gesamte Arbeit. Das letzte Feedback, das wir von ihm erhalten habe, war auch sehr positiv.

Wann haben sie konkret mit den Arbeiten an der Strecke begonnen? Gab es schon größere Probleme?
Wir haben schon letztes Jahr mit Asphaltierungsarbeiten begonnen. Ein einzelnes großes Problem gab es nicht. Das einzige Problem ist, dass das Rennen in der Stadt stattfindet und die Stadt sehr belebt ist, was den Verkehr an einigen Plätzen angeht. Wir wollen die Einwohner von Baku möglichst wenig beeinträchtigen. Wir müssen Erfahrung sammeln, um dann sicherzustellen, dass es in Zukunft zu möglichst wenig Einschränkungen beim Verkehr kommt.

Historische Altstadt durch F1-Bauarbeiten nicht gefährdet

Hatten Sie Angst, dass die historische Stadt bei den Bauarbeiten etwas in Mitleidenschaft gezogen werden könnte?
Die Strecke geht nicht durch die historische Altstadt Icheri Sheher, die von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützt ist. Die Strecke führt außen herum. Man kann die Mauern der historischen Stadt sehen, aber die Strecke führt nicht durch. Wir überdecken zwischenzeitlich das Kopfsteinpflaster, aber wir beschädigen es nicht. Das wurde von Hermann und seinen Partner designt. Wir entfernen den Asphalt dann wieder und installieren ihn jedes Jahr neu, um sicherzustellen, dass das historische Erbe der Stadt erhalten bleibt.

Sind Sie mit dem Datum des GPs zufrieden?
Ja, sehr. Es ist Sommeranfang und wir haben ein sehr gutes Klima. Wir haben tagsüber hoffentlich knapp unter 30 Grad, abends knapp über 20 Grad. Es ist auch der Beginn der Urlaubssaison, deshalb wird der Effekt auf den Verkehr kleiner sein als beispielsweise im Oktober.

Harte Konkurrenz durch 24h Le Mans und Fußball-EM

Für Sie ist es also kein Problem, dass am gleichen Wochenende die 24 Stunden von Le Mans stattfinden?
Es gibt immer die Möglichkeit, dass man mit einem Event zusammenfällt. Es sind gleichzeitig auch noch andere große Events wie die Fußballeuropameisterschaft. Aber mit dem aktuellen Formel-1-Kalender ist es sehr schwierig, dass ein Rennen nicht mit einem anderen zusammenfällt. Sonst wäre irgendein anderes Rennen mit Le Mans zusammengefallen. Wir wollten nur sicherstellen, dass Leute Le Mans zu Ende schauen können, bevor unser Rennen beginnt. Dabei wurde auch der Zeitunterschied mit berücksichtigt. Mit drei Stunden zu Europa scheint das möglich. Das Rennen startet somit ungefähr fünf Stunden vor Sonnenuntergang. Das sind die Regeln der FIA und das ist akzeptabel. Im Sommer wird es recht spät dunkel und der 19. Juni ist einer der längsten Tage im Jahr. Sonnenuntergang ist kurz vor 22 Uhr. Das ist perfekt für uns.

Bei den European Games gab es große Aufregung, weil einigen Journalisten die Einreise verwehrt wurde. Haben Sie da Bedenken?
Nein, ich habe keine Bedenken. Unsere Regierung hat Regeln, wer in das Land darf und wer nicht. Man kann diese Richtlinien über die öffentlichen Kommunikations-Kanäle einsehen. Wie auch immer: Ich glaube bei den European Games gab es Probleme, weil Journalisten Länder besucht haben, die mit Aserbaidschan im Konflikt stehen. Das war das Problem. Aber wir erwarten keine großen Probleme mit Journalisten-Visa. Wir hoffen, dass möglichst viele Journalisten zu unserem Rennen kommen, es genießen und Feedback geben.