Sebastian Vettel lag in Kanada auf Siegkurs, nachdem er am Start beide Mercedes einfach stehen ließ. Doch als das Virtuelle Safety Car aktiviert wurde, entschloss man sich bei Ferrari, den Deutschen an die Box zu holen und eine Zwei-Stopp-Strategie anzuwenden. Lewis Hamilton, bis dahin Zweiter, blieb auf der Strecke und stoppte in der Folge nur einmal. Da der Reifenverschleiß am Ende jedoch geringer war, als erwartet, brachte dieser Kniff Hamilton den Sieg. Ferrari dagegen schmiss durch den zusätzlichen Stopp den Sieg weg.

"Ich würde niemals das Team anzweifeln - wir sind ein Team! Auch wenn die Leute das manchmal anzweifeln. Wir sind ein Team! Wir treffen die Entscheidungen zusammen und wir tragen auch die Konsequenzen gemeinsam", stellte sich der geschlagene Vettel nach dem Rennen hinter seine Truppe. Doch es war nicht zum ersten Mal der Fall, dass Ferrari eine misslungene Strategie zum Verhängnis wurde. Motorsport-Magazin.com blickt auf die größten Schnitzer der Scuderia in jüngster Vergangenheit.

Abu Dhabi 2010: Alonso verliert die WM

Alonso per Strategie vor Webber gerast, aber hinter Petrov festgesteckt, während Vettel vorne zur WM rast, Foto: Sutton
Alonso per Strategie vor Webber gerast, aber hinter Petrov festgesteckt, während Vettel vorne zur WM rast, Foto: Sutton

Im Jahr 2010 zog eine strategische Fehlentscheidung die schlimmste Folge nach sich, die ein Formel-1-Team erleiden kann. Fernando Alonso verlor den Titel in Abu Dhabi an Sebastian Vettel, der damals noch in Red-Bull-Diensten stand. Die Schuld lag ganz klar bei den Ferrari-Strategen.

Warum? Ihr Fokus lag während des gesamten Rennens einzig auf Mark Webber, damals schärfster Verfolger Alonsos. Immerhin war der Australier vor dem Start der nach Punkten gefährlichere WM-Rivale. Dieser Plan ging auch auf - Alonso kam tatsächlich vor Webber ins Ziel. Das Problem: Das restliche Geschehen hatte Ferrari einfach vergessen. Während Vettel an der Spitze Richtung WM fuhr, fiel Alonso sogar hinter Vitaly Petrov im Renault zurück. Einen Weg vorbei fand der Spanier nicht mehr.

"Wir hatten das Auto und den Fahrer, um den Titel zu gewinnen. Wir haben es nicht geschafft, weil wir bei der Strategie einen Fehler gemacht haben. Es nützt auch nichts, nach Ausreden zu suchen", gestand Strategie-Chef Chris Dyer.

Australien 2016: Neustart mit falschen Reifen

In Australien traf Ferrai beim Neustart des Rennens eine gravierende Fehlentscheidung, Foto: Sutton
In Australien traf Ferrai beim Neustart des Rennens eine gravierende Fehlentscheidung, Foto: Sutton

Der Kanada GP war nicht das erste Rennen in diesem Jahr, bei dem Ferrari einen Sieg leichtfertig in die Tonne haute. Wie in Montreal, brachte ein starker Start Vettel auf die erste Position nach vorne. Das änderte sich auch nach dem ersten Stopp nicht. Zwar ging Ferrari im Gegensatz zu Mercedes mit dem Wechsel auf Supersofts bereits hier einen anderen Weg, doch der große Schnitzer folgte kurz darauf. Nach dem schweren Unfall zwischen Fernando Alonso und Esteban Gutierrez wurde das Rennen mit roter Flagge unterbrochen. Das Reglement gestattet es den Teams in diesem Fall, die Reifen zu wechseln.

Und hier beging Ferrari den großen Fehler. Während beide Mercedes-Fahrer Medium-Reifen aufzogen, ging Ferrari nochmals auf Supersofts. Die Folge: Es war ein weiterer Stopp notwendig. Vettel konnte aber keinen Vorsprung herausfahren, der groß genug gewesen wäre, um auch nach dem Stopp vorne zu bleiben. Endresultat: Vettel wurde nur Dritter, Mercedes feierte einen Doppelsieg. "Vielleicht hätten wir bei der Strategie ein bisschen was besser machen können", stellte Vettel nach dem Rennen fest.

Großbritannien 2015: Räikkönen zu früh auf Intermediates

Im britischen Regen ging es für Räikkönen gründlich daneben, Foto: Sutton
Im britischen Regen ging es für Räikkönen gründlich daneben, Foto: Sutton

In Silverstone 2015 war Kimi Räikkönen das Opfer der Ferrari-Strategen. Beim Großbritannien GP der Finne ein starkes Wochenende, war schneller unterwegs als Sebastian Vettel - bis im Rennen der Regen kam: Der Iceman wechselte viel zu früh auf Intermediates. Plötzlich trocknete die Strecke allerdings wieder ab. So verlor Räikkönen im Regen drei Positionen - mehr als jeder andere Pilot. "Es war die falsche Wahl, aber wir haben es versucht", gab er später zu.

"Die Strategen machen einen wunderbaren Job, aber wenn es regnet, ist es der Fahrer, der die letzte Entscheidung trifft", schob Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene Räikkönen damals eine Teilschuld zu. Der Italiener machte Räikkönen aber keinen Vorwurf. Es sei einfach Pech gewesen. "Seine Strategie war identisch mit der von Sebastian, aber er dachte, es sei besser, wenn er reinkommt. Hätte es stärker geregnet, hätte er das Rennen vielleicht gewonnen." Unter dem Strich blieb somit aber nur ein unbefriedigender achter Platz - weit unter den Möglichkeiten.

Malaysia 2015: Falsches Timing bei Räikkönen

Kimi Räikkönen trauerte in Malaysia der verspielten Chance hinterher, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen trauerte in Malaysia der verspielten Chance hinterher, Foto: Sutton

Wenn in Großbritannien der Fehler tendenziell eher auf die Kappe des Finnen ging, war es ein paar Wochen zuvor jedoch ganz sicher Ferrari, das den Finnen strategisch im Stich ließ. Tatort Malaysia, Qualifying. Bei aufziehendem Regen wetterte Räikkönen nach frühem Aus in Q2 gegen die Planung der Scuderia. Er sei zu weit hinten auf der Strecke gewesen, um noch eine schnelle Runde mit den Slicks zu beenden.

"Es war falsches Timing. Wir hatten einen Plan, an den hält man sich und das war diesmal falsch. Wir hätten früher rausgehen müssen", stellte Räikkönen klar. "Ich hatte erwartet, stark im Qualifying zu sein, aber so wie es gelaufen ist, war es die pure Verschwendung. Das ist enttäuschend, wenn du so schnell bist und dann so etwas passiert." Sein elfter Startplatz brachte ihn nach dem Start sofort in Probleme. Ein aufgeschlitzter Reifen - kurz, nachdem er bereits an der Boxeneinfahrtvorbeigefahren war - ruinierte auch den Sonntag. Wobei der Finne selbst seinen Job mit einer Aufholjagd bis auf Rang vier mehr als erledigte.

Ungarn 2014: Bianchi kickt Räikkönen raus

Durch einen haarsträubenden Fehler Ferraris startete Räikkönen hinter einem Marussia, Foto: Sutton
Durch einen haarsträubenden Fehler Ferraris startete Räikkönen hinter einem Marussia, Foto: Sutton

Malaysia war allerdings bei Weitem nicht der erste Faupax, den Räikkönen bei Ferrari erlebte. Erst in Ungarn 2014 lieferte Ferrari im Qualifying eine desaströse Vorstellung. Räikkönen zeigte keine gute erste Runde, Ferrari schickte ihn jedoch nicht mehr raus, um Reifen zu sparen. Ein haarsträubender Fehler. Im unterlegenen Marussia kickte ausgerechnet Ferrari-Academy-Pilot Jules Bianchi Räikkönen ins Aus.

Per Twitter entschuldigte sich Ferrari beim Finnen. Der war trotzdem sauer. "Ich wäre gerne mehr gefahren und habe ein paar Mal gefragt, ob ich denn nicht doch noch einmal auf die Strecke gehen soll. Das Team war der Meinung, dass es auch so reicht, aber das Ergebnis kennen wir ja", kommentierte Räikkönen vielsagend.

Belgien 2015: Mega-Stint kostet Vettel das Podest

In Belgien übertrieb es Ferrari mit der Laufzeit des Reifens, Foto: Sutton
In Belgien übertrieb es Ferrari mit der Laufzeit des Reifens, Foto: Sutton

Beim Belgien GP 2015 versuchte es Ferrari mit einem Monster-Stint, Vettel auf das Podium zu bekommen. Und der Plan schien aufzugehen. Bis kurz vor Schluss lag Vettel - als einziger mit einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs - aussichtsreich auf Podiumskurs. Doch plötzlich platzte kurz nach der Eau Rouge spektakulär einer der 28 Runden alten Reifen an seinem Ferrari. Statt Platz drei stand ein Ausfall zu buche.

In seiner ersten Reaktion wetterte Vettel heftig gegen Pirelli und bezeichnete die Qualität der Reifen als miserabel. Doch der Konter in Person von Motorsportchef Paul Hembery folgte: "Es war ein Zwei- oder Drei-Stopp-Rennen und kein Ein-Stopp-Rennen. Sie haben es versucht, aber dieses Risiko hat sich nicht ausgezahlt. Der Reifen war einfach am Ende, deshalb haben alle anderen zwei oder drei Stopps gemacht. Manchmal funktionieren diese Sachen und dann sind sie genial und alles ist fantastisch. In diesem Fall sind sie aber leider etwas zu weit gegangen."

Maurizio Arrivabene sah das dagegen komplett anders. Die Ein-Stopp-Strategie sei kein Risiko gewesen, man habe keinen Fehler gemacht, so der Teamchef. Tatsächlich stellte Pirelli später exorbitant viele Schnitte in den Belgien-Reifen fest. Dennoch: Mit einer Strategie wie bei allen anderen auch hätte Ferrari den Ausfall jedoch leicht vermieden.

Japan 2015: Zu später Stopp kostet Rang zwei

Bis Runde 30 konnte Vettel Rosberg hinter sich halten - dann der Fehler, Foto: Sutton
Bis Runde 30 konnte Vettel Rosberg hinter sich halten - dann der Fehler, Foto: Sutton

Das Jahr 2015 war für Vettel keines zum Einrahmen, zumindest aus strategischer Sicht. Auch in Japan kostete ein Fehler eine bessere Platzierung. Nachdem sich die Mercedes beim Start ins Gehege gekommen waren, lag Sebastian Vettel nach wenigen Kurven aussichtsreich auf Platz zwei. Rosberg dahinter musste sich zunächst an Valtteri Bottas vorbeikämpfen. Im weiteren Verlauf versuchte Ferrari Vettel durch Trackposition vor Rosberg zu halten und verschob einen eigentlich geplanten Stopp nach hinten.

"Wir wollten selbst in dieser Runde reinkommen, haben uns dann aber überlegt mit dem Abstand zu Nico können wir es uns erlauben, nochmal eine Runde zu warten", berichtete Vettel von dem Ferrari-Fehler. Mercedes nutzte das gnadenlos aus. Ein Undercut schleuste Rosberg vorbei an Vettel. Platz zwei für Ferrari war futsch.