Sebastian Vettel musste sich am Donnerstag des Kanada-Wochenendes vor allem negative Fragen über den aktuellen Zustand bei Ferrari gefallen lassen. Warum hast du in Monaco so geflucht? Wie unzufrieden bist du mit der Situation? Was ist die größte Baustelle? Ist Kanada ein Schicksalsrennen? Doch Vettel scheint bei Konzernchef Sergio Marchionne, der ständig Siege und WM-Titel von seinem Team fordert, in die Lehre gegangen zu sein.

Denn Vettel kann die vielen negativen Fragen nicht nachvollziehen: "Ich bekomme ja immer nur die Fragen mit und reime mir dann den Rest zusammen, deswegen verstehe ich teilweise nicht, warum alle so aufgebracht sind. Man muss es nicht so dramatisch sehen, wie es vielleicht dargestellt wird."

"Wenn man sich die letzten Rennen ansieht: Das Potential ist da, wir tun uns nur - gerade samstags - schwer, es dann auch auszuschöpfen", glaubt Vettel. "Wenn wir dann am Sonntag in einer anderen Position stehen, dann gewinnen wir in Barcelona und sind auch in Monte Carlo anders unterwegs. Aber hätte und wenn interessiert nicht, bringt nichts und deswegen will ich mich damit nicht lange aufhalten."

"Es ist einfach, eins und eins zusammenzuzählen. So wie manche Leute zählen, kann ich das nicht nachvollziehen", wettert Vettel weiter. Aktuell liegt Ferrari auf Platz zwei der Konstrukteursweltmeisterschaft, Red Bull lauert aber mit lediglich neun Punkten Rückstand auf die Scuderia. In der Fahrerwertung belegen Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel die Plätze vier und fünf.

Auch Konkurrenz weit weg von perfekt

Daniel Ricciardo ist der Pechvogel der Saison, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo ist der Pechvogel der Saison, Foto: Sutton

"Es gibt Gründe, die teilweise in unserer Macht standen, teilweise aber auch nicht, die uns die letzten Rennen etwas erschwert haben", erklärt Vettel. In Russland nahm ihn Daniil Kvyat früh aus dem Rennen. "Man muss realistisch bleiben. Wenn man sechs Rennen fährt und zwei davon nicht ankommt, dann kann man logischerweise nicht so viele Punkte haben, wie man haben sollte."

Was Vettel in seiner Rechnung nicht berücksichtig: Auch die Konkurrenz blieb in dieser Saison nicht fehlerfrei. Mercedes verlor in Spanien beide Autos wegen der teaminternen Kollision, Lewis Hamilton scheint ohnehin vom Technik-Pech verfolgt zu sein, Nico Rosberg erwischte in Monaco ein Rennen zum vergessen.

Daniel Ricciardo hatte 2016 definitiv mehr Pech als Sebastian Vettel, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo hatte 2016 definitiv mehr Pech als Sebastian Vettel, Foto: Sutton

Daniel Ricciardo ist sogar der Pechvogel der Saison: In China kostete ihn ein Reifenschade die Führung, in Russland wurde nicht nur Vettel von Daniil Kvyat torpediert, sondern auch Ricciardo. Das Auto war so stark beschädigt, dass am Ende ein Nuller stand. In Spanien setzte ihn Red Bull in Führung liegend erst auf die falsche Strategie, anschließend sorgte ein Reifenschaden für den totalen Frust. Und in Monaco war der nächste Sieg zum Greifen nah, bis ihn eine falsche Strategie und ein völlig verpatzter Stopp hinter Hamilton zurückwarfen.

Addiert man die nicht geholten Punkte, landet Ferrari eher hinter, als weiter vor Red Bull. Auch der aktuelle Trend lässt den Deutschen kalt. "Wenn man sich nur die Resultate ansieht, waren sie die letzten zwei Rennen vor uns, ja. Performance-technisch müssen wir aber nicht immer wieder darüber sprechen. Ich glaube wir sind noch immer schnell genug, der erste Mercedes-Verfolger zu sein."

Vettel: WM noch lange nicht abgeschrieben

Auch die WM hat der Ferrari-Pilot noch lange nicht abgeschrieben: "Warum wollte ich hier sein, wenn ich aufgeben und sagen würde, dass es keine Hoffnung oder keinen Grund gibt, daran zu glauben, dass wir die WM drehen können? Ich habe daran geglaubt, dass wir letztes Jahr die WM gewinnen. Wenn man sieht, wie gut wir auf dem Papier waren, war das vielleicht nicht gut, aber wir fahren die Rennen nicht auf dem Papier ."

Vettel macht sich mit seiner Einstellung Mut: "Wenn man im Februar wissen würde, wer Weltmeister wäre, wäre es ziemlich langweilig. Jeder Teil des Lebens wäre ziemlich langweilig, wenn man diese 'Auf dem Papier Herangehensweise' hätte. Wir machen das Gegenteil, wir fahren Rennen, da kann alles passieren. Ich war nicht der beste in Mathe, aber gut genug um sagen zu können, dass wir noch immer Weltmeister werden können."

Turbolader bereit für Renneinsatz

Renault brachte das Motoren-Update bereits in Monaco, Foto: Renault Sport F1
Renault brachte das Motoren-Update bereits in Monaco, Foto: Renault Sport F1

Nachdem Ferrari im Update-Rennen zuletzt etwas federn lassen musste, soll Kanada die Wende bringen. Auf der Motoren-Strecke kommt erstmals ein neuer Turbolader zum Einsatz, für den die Motorenabteilung zwei Entwicklungs-Token ausgegeben hat. Zusätzlich spricht man von einer neuen Hinterachse, die das Traktionsproblem beheben soll.

Beim Motor ging Ferrari in dieser Saison schon einmal einen Schritt zu weit. In Bahrain musste Vettel die Quittung dafür bezahlen, als er in der Einführungsrunde mit einem kapitalen Motorschaden ausfiel. "Wenn wir der Meinung wären, dass er nicht hält, dann hätten wir ihn hier nicht gebracht", kontert der Ferrari-Pilot. "Wir sind der Meinung, dass er hält und was wir bislang gesehen haben, ist vielversprechend und gut genug, hier damit an den Start zu gehen."

Den Motorschaden aus Bahrain hat Vettel bereits verdaut. "Fehler passieren, wo gehobelt wird, fallen Späne." Der vierfache Weltmeister hat auch eine Erklärung dafür: "Wir haben sehr aggressiv versucht, aufzuholen. Vielleicht hie und da einen Schritt zu aggressiv, aber ich glaube nicht, das wir das bereuen sollten. Im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es, nach vorne zu kommen." Und das Ziel lautet dementsprechend nicht Red Bull: "Hoffentlich können wir mit den neuen Teilen die Lücke zu Mercedes schließen. Die Benchmark ist das schnellste Team, darauf zielen wir ab."