Das Schicksal scheint sich 2016 mit Nico Rosberg verbrüdert zu haben. In dieser Formel-1-Saison läuft bislang einfach alles für den deutschen WM-Führenden. Mit einer Idealausbeute von 75 Punkten steht Rosberg nach drei Auftaktsiegen an der Spitze des F1-Klassements. Seine schärfsten Konkurrenten, die Ferrari-Piloten und Teamkollege Lewis Hamilton, liegen bereits weit zurück - schon vielfach geplagt von Pleiten, Pech und Pannen.

So auch beim vierten Lauf in Sochi. Beim Russland GP startet Sebastian Vettel trotz zweitschnellster Zeit im Qualifying wegen eines irregulären Getriebewechsels an seinem Ferrari nur von P7, Lewis Hamilton geht wegen eines zweiten Defekts an der Power Unit seines Mercedes in Folge sogar nur als Zehnter ins Rennen. Rosberg hingegen startet von der Pole Position. Erneut eine komfortable Ausgangslage.

Rosberg ist sich seines Vorteils absolut bewusst. "Natürlich hatten meine direkten Gegner Seb und Lewis viel Pech und waren im Nachteil. Das macht es für mich morgen ein bisschen einfacher, zu gewinnen", sagt Rosberg. Um eine Kaffeefahrt zum Sieg werde es sich allerdings sicher nicht handeln. "Ein Formel-1-Rennen ist nie einfach. Auch von da, wo Sebastian losfährt und mit Valtteri und Kimi hinter mit, haben wir noch starke Konkurrenten. Ich muss konzentriert bleiben und meinen Job erst einmal erledigen. Es muss alles passen", sagt Rosberg.

Rosberg sieht sich nicht als reinen Profiteur

Dass ihm der Status des Profiteurs nachgesagt wird, gefällt dem Mercedes-Piloten natürlich nicht. Den Anteil seiner eigenen Leistung an seinen Erfolgen will Rosberg naturgemäß nicht unterschätzt wissen. Deshalb mag er es auch nicht, wenn man seine Erfolge auf den Faktor Glück zurück führt, sei es auch nur anteilig. "Natürlich ist mir bewusst, dass Pech den Wettbewerb beeinflussen kann. Aber dann sollte man auch sagen, dass die anderen Pech hatten. Ich bin mit meinem eigenen Tag heute jedenfalls sehr zufrieden. Lasst uns doch einfach meinen Job ansehen", betont Rosberg.

Außerdem sei es grundfalsch davon zu sprechen, Hamilton habe 'dieses Jahr' Motorenprobleme. "Es sind erst dreieinhalb von 21 Rennen gefahren. Da kannst du nicht wirklich 'dieses Jahr' sagen", meint Rosberg. Am Ende einer Saison habe sich das Glück noch immer weitestgehend ausgeglichen.

Unterstützung bekommt er dabei ausgerechnet von einem der Widersacher. "Nico war sehr stark - eine gute Leistung von ihm", lobt Vettel. Auch Mercedes-Boss Niki Lauda feiert Rosberg: "Es gibt wenige, die eine derartige Performance über so eine lange Zeit hinlegen. Er hat sechs Rennen hintereinander eine perfekte Leistung gebracht und war unschlagbar. So etwas bringt nicht jeder Rennfahrer zusammen."

Rosberg mit großem Lob für seinen Mercedes

Allerdings müsse Rosberg sich auch bei seinem Mercedes-Boliden bedanken, sagt er selbst: "Mein Auto war heute einfach irreal, es hat sich großartig angefühlt. Es lief perfekt von Q2 an, die Balance war perfekt, ich konnte attackieren, das haben wir über das Wochenende gut entwickelt. Heute war irgendwie eine ganz besondere Erfahrung." Wie irreal, zeigt der Vorsprung im Qualifying. Sebastian Vettel auf P2 fehlten bereits satte sieben Zehntel auf Rosberg - obwohl der das volle Potential seines Mercedes nicht einmal ausschöpfte.

Seinen finalen Run im Q3 zerstörte Rosberg immerhin mit einem Verbremser. Sonst seien noch ein paar Zehntel drin gewesen. "Ich hatte mehr Benzin drin, also hätte die zweite Runde schneller sein können", versichert er. "Ich bin einfach eine Alles-oder-Nichts-Runde gefahren. Ich war sicher, dass die Runde vorher schon gut genug war. Ich wusste, dass Lewis nicht am Q3 teilnehmen konnte und Ferrari schon in Q2 weit weg war. Das hat sich großartig angefühlt", berichtet Rosberg. Daher beendete der nunmehrige 25-fache Polesetter sein Qualifying auch - obwohl die Zeit für einen weiteren Schuss gereicht hätte.

Rosberg trauert heißem Kampf mit Hamilton nach

Noch besser hätte es aus Rosbergs Sicht nur eine Sache machen können: Ein Sieg im direkten Schlagabtausch mit Hamilton. "Ich bin natürlich zufrieden mit der Pole. Aber emotional wäre sicherlich der direkte Kampf intensiver. Wenn ich Lewis da draußen ganz knapp geschlagen hätte, wäre ich jetzt noch viel begeisterter. Der direkte Kampf bringt da immer extra Emotionen", sagt Rosberg.

Für morgen birgt Hamiltons großer Rückstand im Grid für Rosberg jedoch eine große Chance: Er muss am Start nicht auf Teufel komm raus die Nase vorne haben, kann sein Punktepolster zum Verwalten nutzen - besonders, weil sein größter Konkurrent eben nicht in der Nähe lauert. Theoretisch zumindest. Doch auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com widerspricht Rosberg deutlich. "Ich werde genauso fokussiert sein wie immer, einen guten Start zu erwischen. Da ändert sich nichts. Ich werde genauso reinhalten", sagt er. Rosberg hat immerhin noch eine Rechnung mit sich selbst offen: "In Shanghai ist mir das nicht gelungen gegen den Ricciardo. Das möchte ich vermeiden."

Rosberg: Keine Angst vor Defekt am eigenen Silberpfeil

Generell habe er aber noch gar nicht großartig über morgen nachgedacht. Noch weniger über das Risiko, dass auch ihn einmal dasselbe Schicksal ereilen könnte wie Lewis Hamilton. Warum sollte nicht auch Rosbergs Power Unit einmal streiken? "Ich vertraue dem Team absolut, dass sie die Probleme, die wir momentan haben, aussortieren. Ich versuche mich einfach nur auf die Dinge zu fokussieren, die ich beeinflussen kann - ich will einen guten Start erwischen und vorne bleiben", sagt Rosberg.

Blauäugig? Toto Wolff jedenfalls schließt ein Problem auch an Rosbergs Auto jedenfalls alles andere als aus. "Wir müssen auf Holz klopfen, dass wir das Problem bei Nicos Auto nicht bekommen. Aber im Moment sieht es bei Rosberg gut aus. Wir müssen versuchen, herauszufinden, was da passiert, damit es Nico morgen nicht auch passiert", sagt der Motorsportchef von Mercedes.

Rosberg will einfach seinen Stiefel fahren

Rosberg interessiert das alles trotzdem nicht. "Das ist etwas, dass ich nicht beeinflussen kann. Sicherlich ist die Zuverlässigkeit momentan eine schwäche von uns. Aber wir arbeiten daran. Ich versuche mich nicht darauf zu konzentrieren, sondern auf meinen Job", sagt er. Einzig morgen werde er natürlich mal nachfragen, ob er etwas anders machen müsse, um etwas zu schonen. Noch liefen die Untersuchungen ohnehin.

Viel wichtiger ist Rosberg seine Pace - und die scheint glänzend. "Es sieht für uns schon das ganze Wochenende sehr stark aus. Wir sagen weiter Ferrari, sei nah dran - vielleicht sollten wir das nicht mehr. Aber es ist hier ein so einzigartiger Ort, dass du das nie generalisieren kannst", sagt Rosberg. Vom großen Vorsprung auf die Scuderia sei er allerdings schon überrascht. "Aber unsere Performance hier ist auch beeindruckend", ergänzt Rosberg.

Vor seinem ersten Verfolger am Start - Williams-Mann Bottas - hat Rosberg jedenfalls keine Spur von Angst: "Unser Auto ist schon viel schneller als seins!" Da hat sich offenbar ein Glückspilz richtig vollgesaugt mit Selbstvertrauen.