Auch am vierten Rennwochenende der Formel-1-Saison 2016 läuft es für Lewis Hamilton nicht. Nachdem er in Australien und Bahrain selbst Mitschuld an seinem Schicksal trug, machte ihm zuletzt in China und jetzt in Russland die Technik einen Strich durch die Rechnung. Das Kuriose: Hamilton musste das Qualifying genau aus demselben Grund aufgeben wie vor zwei Wochen.

Was war passiert? In China fuhr Hamilton im ersten Qualifying-Segment aus der Garage und beklagte sich über zu wenig Leistung. Hamilton kam an die Box und musste das Qualifying beenden. In Sochi konnte der Weltmeister immerhin noch Q1 problemlos bestreiten. Als er im zweiten Qualifying-Abschnitt aber auf seinen zweiten Run gehen wollte, trat exakt das gleiche Problem wie in China auf. Für Hamilton das Ende.

Dabei bekam Hamilton nach dem Defekt eine komplett neue Power Unit. Der Schaden von China wurde zwischen den Rennen zudem ausgiebigst analysiert, die Ingenieure kamen zu dem Schluss, dass es an der Isolierung der MGU-H gelegen haben muss. "Wir haben den Fehler in Shanghai verstanden, haben die Teile getauscht und dann passiert hier noch einmal genau das gleiche", tappt Teamchef Toto Wolff im Dunklen. "Wir müssen der Ursache des Fehlers auf den Grund gehen."

Wolff schließt Bedienungsfehler seitens Hamilton aus

Auffällig, dass Mercedes gemeinsam mit den Kundenteams insgesamt neun Power Units in dieser Saison im Einsatz hatte und der Fehler zweimal aufgetreten ist, zweimal bei Lewis Hamilton. Zweimal der gleiche Fehler, zweimal in der Outlap im Qualifying.

Die MGU-H macht einmal mehr Probleme, Foto: Mercedes AMG
Die MGU-H macht einmal mehr Probleme, Foto: Mercedes AMG

An Bedienungsfehler im Cockpit glaubt Toto Wolff nicht: "Es ist ganz bestimmt nicht Lewis. Wir müssen uns die Einstellungen der MGU-H und generell die Funktion der Power Unit ansehen." Die Outlap im Qualifying ist insofern besonders, weil die Batterie für die schnelle Runde aufgeladen werden muss. Weder im Training, noch im Rennen wird die Power Unit mit diesen Einstellungen benutzt.

In Brixworth glühen nun die Rechner und die Köpfe der Ingenieure. Hamiltons Ersatzmotor ist ebenjener, der ich China noch ausgebaut wurde, weil die Analyse ergab, dass er beim Defekt keinen Schaden genommen hat. Lediglich Turbolader und Ölpumpen wurden ersetzt, weil im Öl metallischer Abrieb gefunden wurde.

Ersatzteil in gleicher Spezifikation

Weil das Ersatzteil, dass in Sochi bereit liegt, von der gleichen Spezifikation ist wie jenes Teil, das im Qualifying wieder versagte, sind die Mercedes-Ingenieure nervös. "Jetzt kommt ein neuer Motor und wer weiß, ob es nicht da auch wieder passiert?", mahnt auch Hamilton selbst. "Der Schlüssel ist, dass wir verstehen, was die Ursache ist." Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass über Nacht noch Teile nach Russland geflogen werden.

Lewis Hamilton muss tatenlos zusehen, wie sein Rückstand in der WM wächst, Foto: Sutton
Lewis Hamilton muss tatenlos zusehen, wie sein Rückstand in der WM wächst, Foto: Sutton

Aus diesem Grund wird auch erst am Renntag feststehen, ob Lewis Hamilton von Platz zehn aus starten wird, oder ob es noch weiter nach hinten geht. Für den kleinen Fehler in Kurve zwei, als Hamilton beim Ausrutscher nicht wie eigentlich in der Fahrerbesprechung ausgemacht, links vorbeifuhr, braucht der Brite keine Strafe mehr zu befürchten. Die Stewards beließen es bei einer Verwarnung. Die zweite in diesem Jahr für Hamilton.

Rosbergs Chefmechaniker Robert Musgrave, im vergangenen Jahr noch am Auto von Lewis Hamilton, nimmt die Defektserie mit Humor. "Rob hat jetzt schon nach einer Gehaltserhöhung gefragt", scherzte Toto Wolff.

Weniger zu Scherzen aufgelegt war Lewis Hamilton. Verdenken will ihm Wolff das nicht. "Man muss verstehen, dass jemand, der einige technische Defekte hatte, sauer ist. Das müssen wir aber nicht ändern, er braucht auch niemanden, der ihn motiviert."

Hamilton: Am Start volle Attacke

Hamilton sieht seine Fälle mit bereits 39 Punkten Rückstand auf WM-Leader Rosberg davonschwimmen: "Das Ziel gerät weiter und weiter weg, obwohl ich tu, was ich nur kann. Ich kann nicht mehr machen." Ans Schicksal glaubt der dreifache Weltmeister nicht. "Ich weiß nicht, ob ich an Glück oder an Pech glaube, es gibt einen logischen Grund für die meisten Dinge, die passieren. Heute ist etwas am Auto kaputt gegangen und dafür gitb es einen bestimmten Grund - den ich noch nicht kenne."

Der Start in Russland hat es in sich: Nico Rosberg weiß davon ein Lied zu singen, Foto: Sutton
Der Start in Russland hat es in sich: Nico Rosberg weiß davon ein Lied zu singen, Foto: Sutton

Hamiltons Aufholjagd in Sochi wird kein Kinderspiel. Überholen ist im Leitplankendschungel nicht einfach, über die Strategie lässt sich nicht viel machen. Unter normalen Umständen werden alle Piloten nur einmal stoppen. "Das macht es schwieriger. Ich hoffe aber erstmal auf eine saubere erste Runde, in der das Auto heil bleibt." In Bahrain und China musste Hamilton jeweils mit stark lädiertem Auto von hinten angreifen.

Dabei konnte er in Shanghai nichts für die Beschädigung. Der Brite erwischte einen starken Start und fuhr äußerst vorsichtig in die erste Kurve. Dort wurde er aber von einem ausweichenden Sauber getroffen, so dass sein Frontflügel beschädigt wurde und unter das Auto geriet. In Sochi will er deshalb nicht besonders vorsichtig in die erste Kurve gehen. "Es ist besser, zu attackieren, als vorsichtig zu sein und zu verteidigen. Deshalb stelle ich sicher, dass ich morgen attackiere." Gemäß dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

Hamilton macht sich nicht nur Sorgen um den Russland GP, sondern auch für die restliche Saison. Möglicherweise kommen im vierten Rennen schon die dritten Komponenten an die Power Unit. "Wir müssen vorsichtig sein, wie wir die Motoren für den Rest des Jahres nutzen", mahnt er. "Nicht, dass ich an einem Punkt im Jahr eine weitere Strafe bekomme." Für 21 Rennen stehen jedem Piloten insgesamt fünf Triebwerke zur Verfügung, beim Einsatz von zusätzlichen Komponenten gibt es Strafversetzungen.