Mehr Spannung, mehr Action, mehr Spektakel. Das sind die Ziele der neuen Einschränkungen im Funkverkehr der Königsklasse. Aber wissen die normalen Formel-1-Fans überhaupt, was nach der Regeländerung alles erlaubt und was verboten ist? Motorsport-Magazin.com machte den Test und mischte sich am Samstagvormittag unter die australischen F1-Anhänger in Melbourne [s. Video]. Das Ergebnis: Die meisten Zuschauer wissen um ein ominöses Funkverbot, aber die Wenigstens kennen dessen Inhalte. Was ist also verboten?

Die kurze Antwort: Die Teams dürfen ihren Fahrern nicht mehr mitteilen, welche Reifen sie beim nächsten Stopp aufgezogen bekommen. Auch Informationen über den Spritverbrauch, Motoreinstellungen und Fahranweisungen in bestimmten Kurven sind ab sofort tabu. So konnten wir in den vergangenen Jahren oftmals Ingenieure ihre Fahrer regelrecht coachen hören - fahr in Kurve 11 schneller, bremse in Kurve 18 50 Meter später. All das gehört damit der Vergangenheit an.

Sebastian Vettel glaubt, wie viele andere Fahrer auch, dass dies keine große Umstellung für ihn mitbringen wird. "So lange alles normal und nach Plan läuft ist der Unterschied nicht groß", bestätigt Vettels Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen. "Aber wenn du Probleme hast und es ein konfuses Rennen ist, in dem viele Dinge wie Safety Cars geschehen, dann kann es schwieriger sein." Der Iceman gilt ohnehin nicht als Freund vieler Worte am Funk. "Solange wir uns die Dinge merken, die wir machen müssen, ist die Chance idealerweise klein, dass etwas anders läuft als geplant."

Jacques Villeneuve: Das Funkverbot ist schrecklich!

0738419.jpg, Foto: Sutton
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In der Theorie soll das Funkverbot zu mehr Spektakel im Rennen führen, da die Fahrer nicht mehr auf Schwachstellen der Konkurrenz hingewiesen werden und sie vielleicht mehr Fehler begehen. Das soll den Zuschauern mehr Action bieten. "Ich bezweifle es stark", mahnte Lewis Hamilton am Samstag nach dem harsch kritisierten neuen Qualifying. Auch Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve ist kein Freund des Funkverbots, im Englischen "Radio ban" genannt.

"Das ist schrecklich! Wir hören ja nichts mehr. Jetzt schauen die Fahrer nur noch aufs Lenkrad-Display statt auf die Strecke", kritisierte der Kanadier im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Der einzige Funkspruch, den ich nie hören wollte, war: 'Lass deinen Teamkollegen überholen.' Das ist der falsche Weg, um zu versuchen, eine Show zu kreieren. Wenn man die Technologie hat, soll man sie auch nutzen. Diese Systeme sind so kompliziert, das kann man nicht einfach verbieten."

Damit meint Villeneuve unter anderem die komplizierten Power Units, deren Einstellungen die Fahrer nun auswendig über das Lenkrad vornehmen müssen. Wenn zum Beispiel während des Rennens mehr Power über ein anderes Mapping herausholen wollen, kann der Ingenieur dem Fahrer nicht mehr per Funk eine Schritt-für-Schritt-Anleitung durchgeben.

"Die Fahrer müssen jetzt selbst entscheiden, wann sie an die Box kommen. Du brauchst dann eigentlich eine Box pro Fahrer und nicht pro Team", fürchtet Villeneuve. "Das sind ein paar solcher Dinge, die nicht funktionieren. Und das alles, um den Fans am TV eine bessere Show zu liefern. Das ist aber nicht der Fall, es wird jedes Mal schlimmer. Es ist aber keine Reality Show, sondern ein Sport! Wir müssen zurück zu den Wurzeln, um wieder respektiert zu werden."

Diese Funksprüche sind noch erlaubt

FIA-Renndirektor Charlie Whiting erklärte den Fahrern die Details, Foto: Sutton
FIA-Renndirektor Charlie Whiting erklärte den Fahrern die Details, Foto: Sutton

24 Funksprüche stehen auf der White-List von Charlie Whiting. Nur noch diese sind in der Kommunikation der Boxenmauer mit dem Fahrer erlaubt. Warum die FIA nicht lieber auflistet, was alles verboten ist? Ganz einfach: Diese Liste wäre viel länger und obendrein niemals vollständig. Durch die festgelegten erlaubten Mitteilungen wird nämlich unter anderem unterbunden, dass die Teams via kodierter Botschaften mit den Fahrern kommunizieren. Dann würde "Roscoe hat gerade Baileys Cookie gefressen" vielleicht bedeuten: "Nico, Lewis is faster than you."

Das Verbot gilt jedoch ausschließlich für Funksprüche vom Team an den Fahrer, nicht umgekehrt. Die Piloten dürfen weiterhin im Funk über andere Fahrer schimpfen, Informationen über den Zustand des Autos oder Strecke durchgeben oder Fragen stellen - nur Antworten dürfen sie nicht in jedem Fall erwarten. Denn dann heißt es wie schon einige Male im vergangenen Jahr von der Box: "Sorry, das dürfen wir dir leider nicht sagen."

  • Bestätigung, dass eine Nachricht des Fahrers verstanden wurde. Der Funkspruch darf zur Bestätigung wiederholt werden.
  • Hinweis auf ein kritisches Problem am Auto. Diese Nachricht ist nur erlaubt, wenn der Defekt einer Komponente oder eines Systems unmittelbar bevorsteht und das Auto möglicherweise lahmlegen würde.
  • Informationen über eine Beschädigung am Auto
  • Anweisungen, eine Fahreinstellung zu ändern, wenn der einzige Grund dafür ist, die Auswirkungen eines defekten Sensors, Stellmotors oder Reglers zu mildern, wenn der Defekt nicht automatisch von der Onboard-Software entdeckt und behoben wurde. Die Einstellung darf die Performance des Autos nicht beeinflussen.
  • Anweisung, an die Box zu kommen, um das Auto zu reparieren oder das Rennen aufzugeben
  • Hinweis auf ein Problem an einem anderen Auto
  • Marshalling-Informationen, also Flaggensignale, Safety-Car, etc. Auch die Erinnerung, die Safety-Car-Delta-Zeit auszuschalten ist erlaubt.
  • Informationen, die von der Rennleitung kommen, dürfen weitergegeben werden. Dazu zählt auch der Countdown auf die Einführungsrunde und die Information, wenn das letzte Auto seine Startposition eingenommen hat.
  • Informationen über den Streckenzustand: Nässe, Öl oder Teile an bestimmten Teilen der Strecke
  • Wetter-Informationen
  • Informationen über die eigenen Runden- und Sektorzeiten
  • Informationen über die Rundenzeiten der Gegner
  • Hilfe in Form von Warnungen vor Verkehr oder dem Durchgeben von Abständen zu Gegnern während Trainingssitzungen oder im Rennen
  • Anweisungen, mit anderen Fahrern Positionen zu tauschen
  • Information über verbleibende Zeit oder verbleibende Runden eine Trainingssitzung oder des Rennens
  • Information über die Platzierung in einer Trainingssitzung oder im Rennen
  • Anweisungen wie 'Push hard', 'Push now', 'Du fährst gegen Fahrer XY', 'Take it easy'. Bei diesen Anweisungen wird besonders auf codierte Mitteilungen geachtet.
  • Information, wenn der Fahrer an die Box kommen soll. Allerdings nur in jener Runde, in der wirklich gestoppt werden soll. Bei geänderten Umständen kann diese Anweisung auch wieder zurückgenommen werden.
  • Erinnerungen, den Geschwindigkeitsregler einzuschalten, die Reifeneinstellungen zu ändern, um auf die gewechselten Reifen zu reagieren, Erinnerungen an weiße Linien oder Poller und an die Ampel der FIA-Waage beim Verlassen oder Hereinfahren in die Boxengasse
  • Informationen über Regelbrüche anderer Fahrer, zum Beispiel das Auslassen von Schikanen, überschreiten der Track-Limits oder Zeitstrafen
  • Information, ob DRS aktiviert oder deaktiviert ist
  • Hilfe, wenn es Probleme mit dem DRS gibt
  • Information, wenn manuell Öl transferiert werden muss
  • Während der ersten beiden Trainings Informationen über das Test-Programm, zum Beispiel beim Aero-Mapping