Den Fahrer wieder mehr ins Zentrum rücken. So könnte man die Maßnahmen beschreiben, die mit dem Beginn der Formel-1-Saison 2016 in Kraft treten. Ab sofort unterliegt der Funkverkehr zwischen Boxenmauer und Cockpit ausgesprochen restriktiven Beschränkungen und die Piloten müssen eine Vielzahl von Dingen, die sie bislang eingeflüstert bekamen, selbst entscheiden.

Das Team darf dem Fahrer nicht mehr sagen, welche Reifen er beim nächsten Boxenstopp erhält. Auch Informationen über Benzinverbrauch und Motormodi sind ab sofort verboten. Die Fahrer müssen nun selbst darauf achten, im Rennen nicht zu viel Benzin zu verbrauchen. Wer nun aber glaubt, diese zusätzlichen Anforderungen verärgern die Piloten, der irrt. Bei der überwiegenden Mehrheit ist das Gegenteil der Fall.

Herausforderung Spritverbrauch

"Ich finde es eine coole Herausforderung, dass man nicht ferngesteuert ist, sondern auf sich alleine gestellt ist und selbst das Ding nach Hause fahren muss", sagt Nico Rosberg gegenüber Motorsport-Magazin.com, der sich laut eigener Aussage schon seit Monaten auf die neuen Begebenheiten einstellt. Landsmann Nico Hülkenberg schließt sich dem an. "Mehr Verantwortung für uns, neben dem Fahren und dem schnellen Fahren. Das klingt ziemlich interessant und wie eine Herausforderung. Darauf freue ich mich."

"Es wird weniger geredet und gefunkt. Ob es das schwieriger macht? Es ist anders, ja, aber was genau dabei herauskommen wird, weiß ich nicht. Es gibt aber bestimmt kein Problem", ist der ohnehin nicht übermäßig gesprächige Kimi Räikkönen überzeugt. "Es wird klar anders und im Rennen können ziemlich viele Dinge passieren, die es dann ziemlich kompliziert machen, aber wir wissen jetzt noch nicht, was alles dabei herauskommen wird. Es sollte okay sein."

Die vielleicht heikelste Restriktion betrifft den Benzinverbrauch, denn fortan sind die Piloten selbst dafür verantwortlich, dass sie mit ihrer Tankfüllung von maximal 100 kg bis zur Ziellinie kommen. "Ich entscheide selbst, wie ich vom Anfang bis zum Ende des Rennens mit dem Sprit haushalte. Ich gucke die ganze Zeit auf die Tankanzeige", verdeutlicht Rosberg. Wer das Gaspedal zu stark durchdrückt, droht vor dem Ende des Grand Prix' mit leerem Tank auszurollen.

Das Lenkrad als Smartphone-Display

Ebenfalls keine Infos mehr gibt es zum Verhalten der Reifen. Die Fahrer müssen nun selbst darauf achten, wie sich Druck, Temperaturen und weitere Parameter entwickeln. "Du musst das selbst wahrnehmen, realisieren und dich anpassen", weiß Hülkenberg, was ihm bevorsteht. Und sein Teamkollege Sergio Perez ergänzt: "Es ist wie im wirklichen Leben auch: du musst dich selbst organisieren und hast niemanden, der das alles für dich erledigt."

Besonders wichtig angesichts der Neuerungen ist das Lenkrad, auf das die Piloten künftig eine Fülle von Informationen erhalten, die sie selbst im Blick haben, interpretieren und die richtigen Schlüsse daraus ziehen müssen. "Es ist wie ein Smartphone-Display, und ich kann machen, was ich will. Keiner sagt dir, was wo sein soll, ich habe mit allem völlig freie Hand. Ich muss gucken, dass alles simpel ist, ich alles finde und alles habe", erklärt Rosberg die Funktion des Steuergeräts.

Die Piloten bekommen die Informationen auf das Lenkrad, Foto: Sutton
Die Piloten bekommen die Informationen auf das Lenkrad, Foto: Sutton

Perez und Vettel üben Kritik

Doch nicht alle freuen sich über die neuen Regeln. Perez beispielsweise ist von der Funk-Revolution nicht sonderlich angetan. "Es könnte für einige Schwierigkeiten sorgen", mutmaßt der Force-India-Pilot. "Meiner Meinung nach bringt es den Fahrer in eine unnötige Position, denn ich denke nicht, dass es irgendetwas für die Fans oder den Sport verändern wird, sondern es setzt den Fahrer einfach noch zusätzlich unter Druck."

Kritische Worte findet auch Sebastian Vettel, dem vor allen Dingen die Verklärung der Vergangenheit ein Dorn im Auge ist. "Wenn man sagt, kein Funk oder sehr restriktiver Funkaustausch, wie es früher war, als die Fahrer ohne Funk gefahren sind, sollte man bedenken, dass auch die Autos damals ganz anders waren", erinnert der Ferrari-Pilot. "Wenn man ganz zurück geht zu den Autos der 80er-Jahre, ist das kein Problem."

Wie man es auch dreht und wendet, mit dem Funkverbot wurde der Formel 1 ein neues Spannungselement beschert, das zumindest in den ersten Saisonrennen für die eine oder andere Überraschung sorgen könnte. Zurücknehmen wird sich jedenfalls kaum ein Pilot, denn was Nico Rosberg sagt, gilt wohl für die meisten seiner Kollegen: "Ich kann nicht langsamer fahren, nur weil es keinen Funk gibt - das geht nicht."