Große Namen sind Fluch und Segen zugleich. Segen, weil ein Max Verstappen oder ein Carlos Sainz durch ihre berühmten Väter bereits vor dem ersten Rennen in Australien ein gewisses Standing im Fahrerlager hatten. Und Fluch, weil dadurch die Erwartungshaltung schier ins Unermessliche stieg. Doch beide Youngster gingen mit dem Erfolgsdruck souverän um. Hinzu kamen dieses Jahr Felipe Nasr, der seine erste F1-Saison für Sauber bestritt und die Manor-Piloten. Roberto Merhi und Alexander Rossi wechselten das Cockpit und konnten Quasi-Rookie Will Stevens über die Saison gesehen im Schach halten.

Max Verstappen

Nicht nur nach Punkten ist der erst 18-Jährige der Rookie des Jahres 2015. Die FIA zeichnete ihn auch offiziell als besten Newcomer aus. Das war jedoch nicht alles. Von der FIA-Gala reiste Verstappen mit zwei weiteren Preisen ab: Er wurde zur Persönlichkeit des Jahres gewählt und sein Überholmanöver gegen Felipe Nasr in der Blanchimont-Kurve von Spa-Francorchamps als beste Aktion des Jahres gekürt. Pirelli zählte bei Verstappen 49 Überholmanöver, was ihn zum Spitzenreiter in dieser Kategorie macht.

Verstappen: King der Rookies, Foto: Sutton
Verstappen: King der Rookies, Foto: Sutton

Verstappen kämpfte sich zwei Mal bis auf Rang vier nach vorne und kratzte damit bereits in seiner Rookie-Saison am Podium - in einem Mittelfeldboliden. Seine beste Startposition - Platz sechs - erreichte er zwei Mal. Mit 49 Punkten in der Fahrerwertung beendete er die Saison nur knapp hinter Romain Grosjean. Diesen selbst als Crashpiloten verschrienen Fahrer lehrte er ebenso wie dessen Teamkollegen Pastor Maldonado das Fürchten.

Verstappen ging mit seinen Überholversuchen ein paar Mal zu weit - vor allem in Monaco. Dennoch muss man dem Jungspund zugutehalten, dass er es wenigstens versucht. Er lässt sich von vermeintlich überholfeindlichen Strecken nicht abschrecken und sucht jede noch so kleine Chance. Das nötige Feingefühl wird er allerdings noch lernen müssen. Dennoch hat er den Respekt seiner Kollegen bereits sicher.

Bewertung Max Verstappen

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
1,52,521,51,88

Carlos Sainz

Verstappen teilte nicht nur gegen die Konkurrenz von anderen Teams aus, sondern auch gegen seinen Teamkollegen. Zudem verweigerte er in Singapur mit einem klaren 'No' die Teamorder und ließ ihn trotz frischerer Reifen nicht vorbei. Hinzukommen mehr technische Defekte auf Sainz' Seite der Garage, was insgesamt den Eindruck hinterlässt, der Spanier habe im Vergleich mit seinem Teamkollegen kein Land gesehen. Doch dieser Eindruck täuscht.

Carlos Sainz mit Zuverlässigkeitsproblemen, Foto: Sutton
Carlos Sainz mit Zuverlässigkeitsproblemen, Foto: Sutton

Pirelli zählte bei Sainz 45 Überholmanöver - das sind nur vier weniger als bei Verstappen. Sainz' ist also auch ein Mann für Aufholjagden und Zweikämpfe, wenn auch nicht so medienwirksam. Franz Tost betonte immer wieder, dass seine Fahrer auf Augenhöhe seien und stellte sich hinter Sainz.

Dass er hart im Nehmen ist bewies Sainz in Russland, als er trotz heftigen Abflugs im Training inklusive Krankenhausaufenthalt am nächsten Tag wieder im Cockpit saß und ein starkes Rennen ablieferte - bis ihm einmal mehr ein technisches Problem einen Strich durch die Rechnung machte. Sollte sein Material 2016 halten, hat Sainz die Chance, aus Verstappens Schatten herauszutreten und seine eigenen Schlagzeilen zu fabrizieren.

Bewertung Carlos Sainz Jr.

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
22222

Vergleich der Toro Rosso Piloten:

Max Verstappen Carlos Sainz Jr.
Durchschnittstartplatz 11,37 12,37
Durchschnittsergebnis 9,80 10,17
Durchschnittsnote (Fahreranalyse)* 2,25 2,62
Durchschnittsabstand** Verstappen 11,75 Sekunden vor Sainz
*Aus allen bislang vergebenen Noten
**Letzter gemessener Abstand im Rennen

Will Stevens

Dass Will Stevens überhaupt in den Genuss seiner ersten kompletten Formel-1-Saison kam, grenzte mit Blick auf die Entwicklungen des Marussia-Teams Ende 2014 an ein Wunder. Nach dem Auftakt-Wochenende in Australien ohne einen einzigen Kilometer ging er in Malaysia erstmals auf die Strecke, wenngleich er im hoffnungslos unterlegenen Auto nur gegen seinen Teamkollegen kämpfen konnte. Doch das tat er in der ersten Saisonhälfte exzellent. Regelmäßig hatte er Roberto Merhi deutlich im Griff, erst in Kanada musste Stevens eine Qualifying-Niederlage einstecken, in Monaco hatte er erstmals im Rennen das Nachsehen.

Auf und Ab bei Will Stevens, Foto: Sutton
Auf und Ab bei Will Stevens, Foto: Sutton

Doch nun ging der Faden bei Stevens etwas verloren. Von Österreich bis Spa landete er vier Mal in Folge hinter Merhi, darunter auch in Silverstone, als der Spanier von einem Fehler Stevens' profitierte und mit Platz zwölf das beste Teamergebnis der Saison einfuhr. Extrem bitter wurde es für Stevens ab dem Singapur-Wochenende mit Alexander Rossi als Nebenmann. Der US-Amerikaner, der erstmals ein Formel-1-Rennen fuhr, platzierte sich regelmäßig vor dem Briten. Spätestens jetzt löste sich der gute Eindruck von Stevens zu Saisonbeginn allmählich in Luft auf. Mit zwei passablen Auftritten in Brasilien und Abu Dhabi rückte er das Bild noch einmal zurecht.

Den erwarteten Auftritt eines Bezahlfahrers, der regelmäßig sein Auto in die Streckenbegrenzung schickt, legte Stevens während der gesamten Saison nie hin. Die Ausreißer nach oben fehlten zwar sowohl aus technischen, als auch aus fahrerischen Gründen, eine Gefahr für die übrigen Fahrer stellte er jedoch ebenfalls nicht dar.

Bewertung Will Stevens

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
42343,25

Roberto Merhi

Der Spanier erlebte während seiner ersten Formel-1-Saison eine Achterbahnfahrt. Zu Beginn war er Will Stevens hoffnungslos unterlegen, ab dem Rennen in Monaco konnte er sich auch dank ein paar Verbesserungen an seinem Boliden - Stevens Fahrzeug stand bis dato mehr Leistung zur Verfügung - deutlich steigern. Von nun an hatte Merhi die Nase im teaminternen Duell vorne. In Silverstone schrammte er nur knapp an den Punkten vorbei, als er im Gegensatz zu Stevens auch unter schwierigen Bedingungen fehlerfrei fuhr.

Akkordarbeiter Roberto Merhi, Foto: Sutton
Akkordarbeiter Roberto Merhi, Foto: Sutton

Umso überraschender kam vor Beginn der Asien-Reise des Formel-1-Zirkus' die Nachricht, dass Merhi sein Cockpit ab sofort mit Alexander Rossi teilen musste. Für den 24-Jährigen blieben nur noch die Rennen in Sochi und das Finale in Abu Dhabi. In Russland setzte sich Merhi trotz zweier Rennen Pause gegen Stevens durch, beim Saisonabschluss hatte er das Nachsehen. Dank seines zwölften Platzes in Silverstone sowie Rang 13 in Sochi beendete Merhi die Saison aber als bester Manor-Marussia-Pilot.

Ob er auch 2016 im Cockpit sitzen wird, bleibt abzuwarten. Merhi verfügt über keine potenten Sponsoren, auf die das Team jedoch angewiesen ist. Sportlich konnte er sich in seiner ersten (und einzigen?) Saison gut behaupten, auch wenn ein Vergleich mit anderen Fahrern aufgrund des technischen Defizits der Boliden nur schwer möglich ist.

Roberto Merhi

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
32,521,52,25

Alexander Rossi

Für Alexander Rossi erfüllte sich in Singapur ein Traum. Zum ersten Mal durfte der US-Amerikaner ein Formel-1-Rennen bestreiten. Das Manor-Marussia-Team gab ihm das Cockpit, um für die anstehenden Rennen in Amerika auf ein marketingtechnisches Zugpferd zurückgreifen zu können. Doch Rossi, der die Gp2-Saison als Vizemeister abschloss, brachte dem Team auch gute sportliche Resultate. Der 24-Jährige beendete jedes seiner fünf Rennen und verursachte keine horrenden Materialkosten für das Team. Zudem setzte er sich in vier der fünf Läufe gegen Stammfahrer Will Stevens durch. Rossis Highlight war Rang zwölf ausgerechnet bei seinem Heimrennen in Austin.

Rossi hinterließ einen guten Eindruck, Foto: Sutton
Rossi hinterließ einen guten Eindruck, Foto: Sutton

Doch auch seine Zukunft im Team ist unklar. Zuletzt gab es Meldungen, amerikanische Investoren hätten Interesse an einem Kauf des Teams, ob es dazu kommt, ist absolut offen. Dass er durchaus über Talent verfügt, hat Rossi bewiesen.

Bewertung Alexander Rossi

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
2,5221,52

Vergleich der Manor Piloten:

Roberto Merhi Will Stevens Alexander Rossi
Durchschnittstartplatz 18,23 17,76 17,8
Durchschnittsergebnis 15,5 16,07 15,4
Durchschnittsnote (Fahreranalyse)* 3,15 3,31 3,33
Durchschnittsabstand** Merhi 6,63 Sekunden vor Stevens Rossi 14,53 Sekunden vor Stevens
*Aus allen bislang vergebenen Noten
**Letzter gemessener Abstand im Rennen


Felipe Nasr

Das Stigma des Paydrivers hatte Felipe Nasr gleich nach Bekanntgabe seiner Verpflichtung inne. Damit war es jedoch fast genauso schnell wieder vorbei, denn gleich beim Saisonauftakt raste Nasr auf einen sensationellen fünften Platz. Auch danach deutete er sein Potenzial an, wenngleich im Sauber keine großen Sprünge möglich waren. Keine Gefahr - zumindest in der ersten Hälfte der Saison - war Teamkollege Marcus Ericsson.

Nasr überzeugt beim F1-Debüt, Foto: Sutton
Nasr überzeugt beim F1-Debüt, Foto: Sutton

Das änderte sich jedoch gegen Saisonmitte, als der Schwede zwischen dem Ungarn- und dem Italien-Rennen dreimal in Folge punktete, während Nasr leer ausging. Doch danach steigerte sich Nasr nochmals und holte teilweise mehr aus dem inzwischen unterlegenen Sauber, als eigentlich drinsteckte. In Russland fuhr er auf einen starken sechsten Platz, in Austin wurde er immerhin Neunter.

Nicht nur dank prall gefüllter Sponsorenkassen hat Nasr auch 2016 sein Cockpit bei Sauber sicher. Auch sportlich wusste der Brasilianer vereinzelt zu überzeugen, jedoch fehlte ihm noch die Konstanz, was auch seinem Boliden geschuldet war. Mit der Erfahrung aus dem ersten Jahr sollte ihm in der kommenden Saison mehr zuzutrauen sein. Ob er die Erwartungen erfüllen kann, bleibt abzuwarten.

Bewertung Felipe Nasr

SpeedFehlerquoteKonstanzEntwicklungGesamtnote
223,51,52,25

Vergleich der Rookies:

FahrerPunkteBester StartplatzBestes ErgebnisWM-Position
Max Verstappen496412
Felipe Nasr278513
Carlos Sainz Jr.185715
Roberto Merhi0141219
Alexander Rossi0161220
Will Stevens0131321

Fazit

Gäbe es einen, wäre der Rookie-Cup dieses Jahr ganz klar an Max Verstappen gegangen. Anfangs etwas ungestüm - wir erinnern uns an den Crash mit Romain Grosjean in Monaco - entwickelte sich der Niederländer zum Star. Durch atemberaubende Manöver wie in Spa-Francorchamps, als Verstappen sich mutig außen neben Felipe Nasr setzte, nicht nachgab und den Brasilianer vor der Schikane vor Start/Ziel schließlich ausbremste, fuhr er sich in die Herzen der F1-Fans.

Doch auch sein Teamkollege Carlos Sainz machte eine gute Figur. Hätte der Spanier nicht so sehr mit der Zuverlässigkeit seines Boliden zu kämpfen gehabt, hätte er seinem Teamkollegen mit Sicherheit noch öfter das Leben schwer gemacht. Beeindruckend war auch die Leistung von Manor-Pilot Alexander Rossi, der es bei seinen fünf Einsätzen schaffte, Will Stevens in der Fahrerwertung hinter sich zu lassen. Auch Roberto Merhi zeigte insgesamt eine verhältnismäßig starke Leistung. Unter dem Strich geht die rote Laterne der imaginären Rookie-Wertung an den Briten Stevens.