Die Formel-1-Saison 2015 steht vor ihrem letzten Akt. Das Finale in Abu Dhabi macht den Deckel auf eine durch die Mercedes-Dominanz geprägte Saison, in der es gerade gegen Ende fast mehr um politische Querelen (Stichwort Red Bull) als um sportliche Schlagzeilen ging. Die WM ist sowohl bei den Fahrern, als auch bei den Konstrukteuren schon längst entschieden, dennoch gibt es noch Spannungspotenzial für das Rennen auf dem Yas Marina Circuit. Motorsport-Magazin.com betrachtet die wichtigsten Duelle und interessantesten Fakten vor dem Rennen in Abu Dhabi.

Doppelter Kampf in der Konstrukteurs-WM

Für die Teams bedeutet jede bessere Platzierung in der Team WM auch gleichzeitig mehr Geld. Zwischen drei und sechs Millionen Euro beträgt im Mittelfeld der Unterschied zwischen den einzelnen Positionen. In Abu Dhabi gibt es noch zwei Duelle zwischen den Teams. Zum einen schielen Lotus und Toro Rosso auf den sechsten Platz. Rang fünf ist seit dem Rennen in Sao Paulo an Force India vergeben, dahinter aber ist es eng. Lotus hat mit 76 Punkten momentan den sechsten Platz inne. Doch der Vorsprung auf Toro Rosso beträgt nur neun Zähler. Zwar sollte die Truppe aus Enstone aufgrund des Mercedes-Motors und der zwei langen Geraden in Abu Dhabi leicht im Vorteil sein, eine Garantie ist das bekanntermaßen nicht.

Im Duell zwischen Lotus und Toro Rosso ist noch alles möglich, Foto: Sutton
Im Duell zwischen Lotus und Toro Rosso ist noch alles möglich, Foto: Sutton

Hinter diesen beiden Duellanten tragen zwei weitere Teams einen Kampf um Platz acht aus, wenngleich dieser aufgrund der zuletzt gezeigten Leistungen wohl eher als Duell zwischen Not und Elend beschrieben werden kann. Sauber und McLaren haben den Anschluss an den Rest verloren respektive in diesem Jahr noch gar nicht gefunden. In den vergangenen beiden Rennen blieben beide Teams punktelos, das Gros ihrer Punkte haben beide einem Rennen zu verdanken: Sauber holte gleich beim Saisonauftakt in Australien 14 Zähler, McLaren gelangen beim Chaos-Rennen in Ungarn 12 Punkte. Aktuell stehen die Schweizer bei 36 Punkten und liegen neun Zähler vor dem gebeutelten Traditionsteam. Nur ein weiteres Chaos-Rennen könnte wohl noch Bewegung in den Zweikampf bringen.

Finnisches Duell und Dreikampf in der Fahrer-WM

Weniger um das Geld, als vielmehr um Prestige geht es noch in der Fahrer-WM. Die ersten drei Plätze sind vergeben, dahinter aber gibt es ein finnisches Duell um Rang vier. Valtteri Bottas (136 Punkte) und Kimi Räikkönen (135) kamen sich zuletzt auf der Strecke gleich mehrfach nahe, in Sochi und in Mexiko krachte es.

Beim Saisonabschluss könnte es wieder zu einem direkten Duell kommen, denn bereits im vergangenen Jahr war Williams in Abu Dhabi extrem stark und belegte die Plätze zwei und drei. Zudem spielt es für Räikkönen keine große Rolle, ob er Vierter oder Fünfter wird. " Ob du Vierter oder Fünfter wirst, daran wird sich am Ende niemand erinnern. Wir versuchen aber in Abu Dhabi das beste Ergebnis herauszuholen und dann schauen wir, wo wir stehen. Aber es wird unser Leben nicht verändern - egal wo wir die Saison jetzt beenden", sagte er nach dem Rennen in Brasilien. Leichter Vorteil also möglicherweise für Bottas?

Ein ebenfalls spannender Kampf verspricht der Dreikampf um WM-Rang zehn zu werden. Momentan liegt Nico Hülkenberg (52 Punkte) auf ebenjenem Platz, doch nur drei Zähler dahinter lauern die punktgleichen Romain Grosjean und Max Verstappen. Die Tendenz spricht klar für den Deutschen, aus den beiden vergangenen Rennen holte Hülkenberg 14 Zähler, seine Konkurrenten kamen nur auf fünf respektive vier.

Kann Kimi Räikkönen noch an Valtteri Bottas vorbeiziehen?, Foto: Sutton
Kann Kimi Räikkönen noch an Valtteri Bottas vorbeiziehen?, Foto: Sutton

Teamduelle: Kampf um die interne Vorherrschaft

Auch bei den teaminternen Duellen sind die meisten Entscheidungen bereits gefallen. Doch bei Red Bull und McLaren ist noch Stoff für Dramatik gegeben. Die Bullen erlebten eine durchwachsene Saison und blieben - vorausgesetzt, in Abu Dhabi geschieht kein Wunder - erstmals seit 2008 ohne eigenen Rennsieg. Im Teamduell wurde zudem Daniel Ricciardo mehr als nur gefordert. Im vergangenen Jahr hatte er über weite Strecken Sebastian Vettel im Griff, in dieser Saison musste er sich hart gegen Neuzugang Daniil Kvyat erwehren. Der Russe liegt vor dem letzten Rennen zehn Punkte vor dem Australier. An Motivation wird es Ricciardo also nicht mangeln.

Am Ende der Saison hinter dem Teamkollegen stehen? Fernando Alonso könnte das in Abu Dhabi passieren - zum erst zweiten Mal in seiner Karriere. Nur 2007 unterlag er seinem damaligen Intimfeind Lewis Hamilton aufgrund eines zweiten Platzes weniger. Nach Punkten ist es ihm überhaupt noch nie passiert. Doch Jenson Button liegt aktuell fünf Punkte vor dem Spanier und angesichts der aktuellen Verfassung seines Boliden scheinen fünf Zähler für Alonso beim Saisonfinale utopisch. Es wäre das i-Tüpfelchen auf eine verkorkste Saison aus Sicht des zweimaligen Weltmeisters.

Endlich die 50. Pole für Hamilton?

Fährt Lewis Hamilton in Abu Dhabi seine 50. Pole ein?, Foto: Mercedes-Benz
Fährt Lewis Hamilton in Abu Dhabi seine 50. Pole ein?, Foto: Mercedes-Benz

In Monza stand Lewis Hamilton zuletzt auf der Pole Position, es war die 49. seiner Karriere. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er die 50 vollmacht, als erst dritter Fahrer überhaupt. Doch seitdem lief es samstags nicht mehr. Dem völlig missratenen Wochenende in Singapur folgten fünf Qualifying-Siege von Nico Rosberg am Stück. Ob am Persischen Golf die Wende gelingt? Die 50. Pole wäre auf jeden Fall eine schöne Marke zum Saisonausklang.

Rosberg kann mit Lauda gleichziehen

Verhindern will das natürlich Nico Rosberg. Fünf Poles in Folge, zuletzt zwei Siege am Stück - zum Saisonende möchte der Vize-Weltmeister seine Bilanz noch etwas aufhübschen. Dass ihm in Abu Dhabi Quali-Sieg Nummer sechs gelingt, ist nicht unwahrscheinlich. Denn im vergangenen Jahr, als die WM dank doppelter Punkte noch offen war, gelang ihm im letzten Rennen die Pole, ehe ihn ein technischer Defekt aus allen Träumen riss. Mit sechs Poles in Serie würde Rosberg in der ewigen Bestenliste mit Niki Lauda, Nigel Mansell und Mika Häkkinen gleichziehen. Alain Prost und Michael Schumacher schafften sieben Poles am Stück, Ayrton Senna gar acht.

Verstappen zum siebten Mal in Folge in den Punkten?

Von den letzten sechs Rennen gab es nur einen Fahrer, der immer in die Punkte fuhr: Max Verstappen. Der 18-Jährige Rookie zeigte gerade in der zweiten Saisonhälfte konstante Leistungen und minimierte seine Fehlerzahl sukzessive. Gelingt ihm auch in Abu Dhabi der Sprung in die Punkteränge, würde er unter anderem mit Alberto Ascari und Jack Brabham gleichziehen, die es ebenfalls geschafft hatten, in sieben Rennen nacheinander zu punkten. Bis zu den Topwerten fehlt allerdings noch ein ganzes Stück. Kimi Räikkönen schaffte es von Bahrain 2012 bis Ungarn 2013 27 Mal am Stück in die Punkteränge.

Max Verstappen könnte zu Größen des Sports aufschließen, Foto: Sutton
Max Verstappen könnte zu Größen des Sports aufschließen, Foto: Sutton

Rookie des Jahres so gut wie gekürt

Über den Titel Rookie des Jahres darf sich Verstappen aber fast schon sicher freuen. Mit 49 Punkten liegt er 22 Punkte vor seinem direkten Verfolger Felipe Nasr. Damit ist klar: Gewinnt Nasr in Abu Dhabi und Verstappen holt maximal drei Punkte, ist Nasr bester Neuling der Saison. Dass das aber wirklich passiert, ist auszuschließen. Vielmehr wird Verstappen seine gute erste Saison mit diesem - wenn auch inoffiziellen - Titel krönen.

Letztes Rennen für Force India unter diesem Namen?

Abseits der sportlichen Kämpfe könnte es in Abu Dhabi den Abschied eines inzwischen vertrauten Namens aus der Formel 1 geben. Wie am Rande des Mexiko GP bekannt wurde, steht Force India mit Aston Martin in Verhandlungen. Das bestätigte Teamchef Vijay Mallya höchst selbst. So soll der Rennstall in Zukunft Aston Martin Racing heißen, die Boliden sollen in Blau und Gold erstrahlen und mit Johnnie Walker ein potenter Sponsor an Bord geholt werden. Ob es aber dazu kommt, bleibt abzuwarten. Zum einen sind die Verträge noch nicht unterschrieben, zum anderen würde das Team bei einem kompletten Verschwinden des Namens Force India auch das Recht auf Auszahlung der Preisgelder für die laufende Saison verlieren.