Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel haben das Mercedes-Duo gesprengt. Nico Rosberg startet beim Großen Preis von Italien in Monza nur auf Rang vier. Dafür gibt es einen guten Grund: Rosberg musst auf seinen alten Motor zurückgreifen, weil die neue Spezifikation im Training kaputt gegangen war. Doch auch Hamilton fuhr plötzlich nicht mehr in einer eigenen Liga, Ferrari war dran. Motorsport-Magazin.com analysiert die Lage vor dem Rennen.

Kimi Räikkönen vor Nico Rosberg: Eine Momentaufnahme?, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen vor Nico Rosberg: Eine Momentaufnahme?, Foto: Sutton

Eigentlich hätte Mercedes am Freitagabend Feierabend machen und erst im Qualifying wieder zur Tat schreiten können. Lewis Hamilton und Nico Rosberg fuhren in den ersten Trainings dermaßen weit vor der gesamten Konkurrenz, dass einem angst und bange werden konnte. Die neue, um sieben Token erneuerte, Power Unit schien eine wahre Wunderwaffe zu sein.

Das war sie zumindest bis zum Ende des dritten Freien Trainings. Da stellten die Ingenieure einen Defekt fest. Daraufhin musste Nico Rosberg auf eine bereits fünf Wochenenden alte Power Unit zurückgreifen. Dadurch fuhr er nicht nur mit der alten Spezifikation, sondern auch mit so viel Laufleistung im Heck, dass nicht volle Leistung freigegeben werden konnte. Rosberg verlor auf den Geraden so viel, dass es für die Ferrari nicht reichte.

Mercedes ohne, Ferrari mit Qualifying-Mode?

Rosbergs Performance-Abfall mag einleuchten. Nicht aber der von Lewis Hamilton. Der Brite gab an, keine perfekte Runde erwischt zu haben. "Sonst wäre der Abstand größer gewesen", ist sich Hamilton sicher. Aber das gesamte Qualifying über dominierte der Brite nicht in dem Ausmaß, wie er es noch am Tag zuvor tat.

"Nach dem Motorproblem bei Rosberg haben sie dem Hamilton garantiert die Leistung wieder zurückgedreht und deshalb ist Ferrari so nah dran", ist sich Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner sicher. Mercedes bestreitet das. Man hätte den Motor auf Qualifikationsmodus getrimmt, wie das sonst auch gemacht wurde, wollte Motorsportchef Toto Wolff versichern.

Topspeeds im Qualifying

FahrerTeamMotorTopspeed
Sergio PerezForce IndiaMercedes354,6 km/h
Nico HülkenbergForce IndiaMercedes353,2 km/h
Valtteri BottasWilliamsMercedes352,3 km/h
Marcus EricssonSauberFerrari352,1 km/h
Kimi RäikkönenFerrariFerrari352,0 km/h
Felipe MassaWilliamsMercedes351,7 km/h
Lewis HamiltonMercedesMercedes351,3 km/h
Pastor MaldonadoLotusMercedes350,6 km/h
Romain GrosjeanLotusMercedes349,7 km/h
Sebastian VettelFerrariFerrari348,7 km/h
Nico RosbergMercedesMercedes348,4 km/h
Felipe NasrSauberFerrari346,2 km/h

Doch so recht mag man das nicht glauben. Hamilton belegte bei den Topspeeds nur Platz sieben. Klar, der Silberpfeil ist meist nicht das schnellste Auto auf der Geraden, aber im Qualifying ist er normalerweise immer etwas weiter vorne und in Monza hat auch Mercedes alles an Luftwiderstand abgebaut, was nur ging.

Auf der anderen Seite hat auch Ferrari seinen Motor mit Token überarbeitet. Nun scheinen auch die Italiener einen speziellen Qualifikations-Modus zu haben, der deutlich mehr Leistung freigibt. Bislang konnten nur die Mercedes-Aggregate am Samstagnachmittag überproportional mehr Leistung abrufen. "Im Rennen werden sie sicher nicht die gleichen Motor-Modes fahren können wie heute im Qualifying", ist sich Rosberg sicher.

Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem: Mercedes hat bei Hamilton nicht volle Leistung freigegeben, Ferrari zudem etwas mehr draufgepackt als in der Vergangenheit. Doch nun stellt sich die Frage: Was ist im Rennen? Traut sich Mercedes, Hamilton uneingeschränkt fahren zu lassen? Hält der Motor?

Hamilton: Motorwechsel nicht undenkbar

Wenn Mercedes' Analysen ergeben, dass Rosbergs Spec III Motor aufgrund eines gravierenden Designfehlers den Geist aufgegeben hat, wird wohl auch Hamilton vor dem Rennen auf das alte Aggregat zurückgreifen. Bei der starken Pace geht die Sicherheit vor. "Ich glaube aber stark daran, dass wir das Problem lösen können", meint Toto Wolff. Trotzdem schwebt der neue Motor wie ein Damoklesschwert über Mercedes.

Unter normalen Umständen können Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel aber nichts gegen Lewis Hamilton ausrichten. Außer: Die Ferrari-Piloten erwischen wieder einen besseren Start. Dann könnte selbst Lewis Hamilton ins Schwitzen kommen. Denn in dirty air ist selbst der Silberpfeil kein Über-Auto. Und Topspeed-Vorteil war einmal. "Ich denke, es gibt mit Sicherheit ein paar Chancen", meint auch Sebastian Vettel. "Die erste eventuell gleich beim Start."

Der Start könnte zum Knackpunkt werden. Das Startprozedere, nach dem seit Spa gestartet werden muss, ist noch immer eine große Unbekannte. Räikkönen und Rosberg haben ihre Starts in Spa völlig verhauen. Der Sprint bis zur ersten Schikane ist mit 638 Meter extrem lang. Bis dahin kann sich das gesamte Feld neu sortieren.

Wenn nach der ersten Runde alles beim alten bleibt, dürfte Hamilton davonziehen. Dahinter wird es ein spanender Kampf zwischen den beiden Ferrari und Nico Rosberg, der auch im Rennen mit stumpfen Waffen kämpfen muss. Rosberg hofft, dass Ferrari im Rennen weniger Leistung zur Verfügung haben wird als im Qualifying. Außerdem baut er auf die Strategie: "Im Renntrimm haben wir glaube ich einen Vorteil hier", meint der Deutsche.

Einstopp 1,63 Sekunden schneller

"Und strategiemäßig haben wir auch einen Vorteil, weil es zwischen ein und zwei Stopps werden", glaubt Rosberg. Nach Pirellis Hochrechnungen ist eine Zweistopp-Strategie nur 1,63 Sekunden langsamer als eine Einstopp-Strategie. Allerdings ist die Gefahr größer, im Verkehr zu landen.

Noch immer sind die Reifen ein Thema, Foto: Sutton
Noch immer sind die Reifen ein Thema, Foto: Sutton

Aber: Noch immer sind die Reifen ein Thema. Rosberg musste lange überlegen, bevor er die Frage beantwortete, ob er sich wegen der Reifen sicher sei. "In Spa hatten wir tierisch viele Schnitte in den Reifen, hier haben wir auch wieder ein paar gesehen. Da müssen wir schon ein Auge drauf behalten. Das ist einfach komisch." Gut möglich, dass Mercedes deshalb lieber einen Stopp mehr einlegt, als einen zu wenig.

Doch Rosberg weiß auch: "Ein Ferrari wird mich wahrscheinlich covern." Das macht es für den WM-Herausforderer zusätzlich schwierig. Und Ferrari strotzt nach dem überraschend guten Qualifying nur so vor Selbstbewusstsein: "Ich sage ja, es ist immer möglich Mercedes zu schlagen", gab Vettel zu Protokoll.

Von hinten müssen Mercedes und Ferrari, so scheint es, niemanden fürchten. Auch Ferrari war bei den Longruns am Freitag deutlich schneller als Williams, Force India, Lotus und Co. Williams zeigte sich da noch vor Force India am stärksten.

Fazit: Es gibt einige Unbekannte beim Großen Preis von Italien. An der Großwetterlage hat sich aber nichts geändert: Mercedes ist Favorit. Das ist diesmal allerdings nur Lewis Hamilton, weil Rosberg mit einem Startplatz- und Motor-Handicap ausgestattet ist. Unter normalen Umständen ist Hamilton vorne weg, Rosberg muss um Platz zwei kämpfen. Doch was ist in der Formel 1 schon normal?