Die Alpenrepublik liegt dank Red Bull seit dem 1. Saisonrennen in einem kollektiven Formel 1-Freudentaumel. Seit dem letzten österreichischen GP-Sieg durch Gerhard Berger im Jahr 1997 hatte man wenig zu feiern, doch die sieben dürren Jahre scheinen mit dem Formel 1-Einstieg des Salzburger Flügelverleihers mit einem Schlag beendet. In der spätsommerlichen Gartenparty-Atmosphäre des Fahrerlagers von Melbourne strahlten die Protagonisten zu recht um die Wette.

Doch-Nicht-Frühpensionist David Coulthard war der wahre Gewinner dieses Wochenendes. "Uncle David" hatte nicht nur seinem jungen Teamkollegen eine Lehrstunde erteilt, wie man sich über 57 Runden lästige Konkurrenten vom Leib hält, sondern auch jenen, die ihn fallengelassen hatten (McLaren-Mercedes) und die ihn als Ausschussware auf ihrer Shoppingliste nach unten gereiht hatten (BMW-Williams) gezeigt, dass "in dem alten Hund noch Leben steckt", wie es die Briten so treffend formulieren.

Christian Klien, auf dessen Cockpit eine imaginäre Aufschrift "Ablaufdatum: 3.4.05, Bahrain" zu kleben scheint, war dank seines 7. Platzes nicht nur die Sorgenfalten in seinem Gesicht los, die ihn in den letzten Monaten älter als seine gerade einmal 22 Jahre aussehen ließen. Die Tatsache, vor den Herren Räikkönen, Trulli, Massa, Button oder Villeneuve ins Ziel gekommen zu sein hat die Haltbarkeit seiner Formel 1-Karriere mit Sicherheit verlängert. Und dass der Vorarlberger im Samstags-Qualifying um 9/10 Sekunden schneller als sein schottischer Teamkapitän war, während der letzte der "3 Musketiere" – Tonio Liuzzi im wichtigen 2. Freitagstraining den Red Bull nach nur zehn Minuten durch einen Dreher im Kiesbett versenkte, war die angenehme Begleitmusik beim chill-out nach dem Rennen.

Und dass Red Bull auch abseits der Strecke neue Maßstäbe setzen kann und will, hat die Präsentationsparty vor dem Rennen, über die Australien noch Tage danach spricht, mehr als deutlich gezeigt. Zwar wurde aus Stargast Robbie Williams dann kurzerhand doch "nur" Rockröhre Pink, doch das angeblich über 2 Mio $ teure Fest sollte den Konkurrenten in Woking, Brackley, Grove oder Köln-Marsdorf mit deren "Low-Key-Launches" ein Warnsignal sein: Red Bull macht keine halben Sachen.

Sieben WM-Punkte hat Red Bull nun auf dem Konto, dazu hat man im Vorjahr bis zum Grand Prix von Hockenheim im Juli benötigt. Und der Erfolg wirkt ansteckend.

Wenn das manchmal selbstherrliche und überhebliche Formel 1-Establishment durch den frischen Wind aus den Alpen ein wenig ins Wanken gerät, dann kann das den Formel 1-Fans nur recht sein. Der entspannte David Coulthard mit 6-Tagesbart, der erfrischende Christian Klien mit einem Riesenrucksack an Talent im Gepäck, der charismatische Siegertyp Vitantonio Liuzzi, dazu Christian Horner, der mit 31 in die Elite der Teamchefs einzudringen versucht, während sich Hardliner Helmut Marko, der selbst ein Großer hätte werden können, wenn ihm das Schicksal nach seinem Le Mans-Sieg 1971 nicht die ganz große Karriere in der Formel 1 verwehrt hätte und der dafür Stars wie Berger, Wendlinger oder Montoya den Weg nach oben geebnet hat, als Stratege etabliert. Und nicht zuletzt Dietrich Mateschitz selbst, der Mann, der verstanden hat, dass man Visionen leben muss, um nicht auf ewig in Illusionen stecken zu bleiben. Sie alle sind die Bausteine eines Erfolges, der ein Schlag ins Gesicht von Williams, B·A·R, McLaren oder Toyota ist.

Dass sich auch David Pitchforth und Tony Purnell, die für wenige Tage während der Übernahmephase ja Teamleader bei Red Bull Racing waren, eine Scheibe des Erfolges abschneiden dürfen, und dass der Großteil der Entwicklungsarbeit am RB01 wohl noch einem gewissen Mark Webber zugeschrieben werden darf, darüber schweigt man in Österreich, denn die grüne Raubkatze ist Geschichte, es lebe der Rote Bulle!

Auch wenn es bei einem Sieg für das neue Team und alle seine Protagonisten "God Save The Queen" zu hören geben wird…