Sechs Monate liegt Jules Bianchi seit seinem Unfall während des Japan Grand Prix nun im Koma. In einem seiner wenigen Interviews konnte sein Vater Philippe keine Neuigkeiten verkünden, sondern lediglich den schweren Weg seines Sohnes beschreiben. "Das Einzige, was man behaupten kann, ist, dass er mit Kraft kämpft, so wie er immer gekämpft hat, vor und nach dem Unfall", sagte er gegenüber Nice-Matin. "Jeden Tag absolviert Jules einen Marathon."

Aus medizinischer Sicht sei sein Zustand stabil. Er sei recht autonom und es gebe keine physischen Probleme. "Alle seine Organe funktionieren normal, ohne Hilfe", unterstrich er. "Aber vorläufig bleibt er bewusstlos, im Koma."

Bei dieser Art von Trauma sei die Entwicklung sehr langsam. Im Vergleich zu dem, was ihnen der japanische Arzt, der Jules in Yokkaichi operierte, mitteilte, bestehe bereits ein himmelweiter Unterschied. Damals habe es keine Hoffnung gegeben. "Die Prognose war alarmierend. Man sprach von irreversiblen Verletzungen." Erst nach einem Jahr sei ein Transport in die Heimat möglich, hieß es damals in Japan. Letzten Endes konnte Jules jedoch bereits nach sieben Wochen in seine Heimat zurückgebracht werden, wo er Ende Dezember von der Uniklinik Nizza in eine Rehaklinik verlegt wurde.

Die Ärzte haben der Familie erklärt, dass keine speziellen Eingriffe nötig seien. "Das Wichtigste, um Jules zu stimulieren, ist, dass er immer jemanden an seiner Seite spürt. Deshalb wechseln wir uns jeden Tag ab, seine Mutter, seine große Schwester, sein kleiner Bruder und ich. Auch Gina, die deutsche Freundin von Jules, die nun hier lebt", teilte Bianchi mit.

Hoffnung schöpft er aus der Tatsache, dass Jules mit 25 Jahren noch jung ist. "Er ist physisch gesehen sehr stark, da er einen solchen Schock überlebt hat. Ich bin sehr stolz auf Jules, bin es immer gewesen." Jules mache Fortschritte und daher hoffe die Familie auf eine weitere Entwicklung. "Das nächste wäre, dass er aus dem Koma erwacht." Bisweilen sei er aktiver, bewege sich mehr und könne sogar eine Hand drücken. Allerdings sei schwer zu beurteilen, ob das bewusst erfolgt oder ob es Reflexe sind.

Die Familie frage sich immer wieder, ob Jules aus dem Koma erwachen werde und wenn ja, ob er danach normal weiterleben könne oder ob er Invalide bleiben würde. Die Art von Unfall, die Jules hatte, treffe einen mehr als ein Todesfall, gestand Bianchi. "Das Leiden ist unaufhörlich. Eine tägliche Tortur." Vor dem Unfall habe die Familie täglich Kontakt zu Jules gehalten. Und dann sei in einem Augenblick alles zerbrochen. "Unser Universum ist am 5. Oktober 2014 eingestürzt."

Philippe Bianchi bedankt sich für die Unterstützung der Fans, Foto: Sutton
Philippe Bianchi bedankt sich für die Unterstützung der Fans, Foto: Sutton

Über die Formel 1 halte er sich auf dem Laufenden, jedoch verfolge er die Rennen nicht vor dem Fernseher, sagte Bianchi. Allein an eine Kartstrecke zu kommen - Bianchi betreut zwei Nachwuchsfahrer - lasse Erinnerungen aufkeimen, mit denen er nur schwer umgehen könne. Vielleicht werde er sich das Formel-E-Rennen in Monaco ansehen, ein Besuch des Formel-1-Rennens sei hingegen nicht vorgesehen. "Auch wenn mehrere Piloten und Teamverantwortliche oft an Jules denken, fühle ich mich nicht dazu in der Lage, wieder in diese Atmosphäre einzutauchen", gestand er.

Neben dem Kampf an der Seite seines Sohnes beschäftigen Bianchi nach wie vor die Ermittlungen zum Unfall. Dass ihm die interne Untersuchung der FIA nicht ausreicht, hatte er bereits im März erklärt. "Sehr kompetente Leute kümmern sich im Moment darum, die Interessen von Jules zu vertreten. Falls eines Tages ein Verantwortlicher gefunden wird, muss er bezahlen", betonte Bianchi, der jedoch nur ungern über dieses Thema spricht. "Ich ziehe es vor, meine Energie auf Jules zu konzentrieren."