Schon bei der Online-Präsentation des neuen McLaren-Honda MP4-30 war klar, dass der britische Traditionsrennstall bei der Konstruktion des neuen Boliden keine Karbonlage auf der anderen gelassen hatte. Die Ingenieure mussten so an das neue Auto herangehen, schließlich war der Vorgänger wahrlich kein Überflieger und mit dem Wechsel von McLaren zu Honda ist der Grund für Designänderungen offensichtlich. Motorsport-Magazin.com nimmt den MP4-30 unter die Lupe.

McLaren weiterhin mit Red-Bull-Frontflügel

Red-Bull-Flügel in anderen Farben, Foto: McLaren/Red Bull
Red-Bull-Flügel in anderen Farben, Foto: McLaren/Red Bull

An der Front des Autos hat sich bei genauerem Hinsehen gar nicht so viel geändert. Durch die neuen Nasen wirken die meisten Boliden nur stark verändert. Der Frontflügel, mit dem McLaren in Jerez gefahren - respektive gestanden - ist, kennen wir schon aus Abu Dhabi. Der Frontflügel ist das erste offensichtliche Ergebnis von der Rückkehr Peter Prodromous.

Prodromou, der 2014 von Red Bull zurück nach Woking kam, übernahm das Konzept des Red-Bull-Flügels eins zu eins. Der McLaren-Flügel wirkt wie eine Kopie. Fünf größere Flügelelemente übereinandergestapelt, an der Außenseite verzweigen sich die oberen Elemente weiter. Dazu kommen im zweiten Flügel-Stockwerk identische Flaps. Auch die Endplatten sind identisch. Gut möglich allerdings, dass sowohl McLaren als auch Red Bull hier noch nachlegen. Bei den ersten Testfahrten werden oftmals noch ältere Flügel-Versionen gefahren.

Durchblasene Radnabe, neue Felgen

Die Bremsbelüftungen sind trotz durchblasener Radnabe minimalistisch gehalten, Foto: Sutton
Die Bremsbelüftungen sind trotz durchblasener Radnabe minimalistisch gehalten, Foto: Sutton

Schon bei den Präsentationsbildern fiel auf, dass der MP4-30 vorne keine Bremsbelüftung hatte. Ein Formel-1-Auto ohne Bremsbelüftung? Das macht misstrauisch. Natürlich werden am McLaren auch die vorderen Karbonscheiben gekühlt, allerdings wollte McLaren der Konkurrenz mal wieder nicht zu viel verraten. Also wurden für das Studiofoto kurzerhand die Bremsbelüftungen abgenommen.

Ich Jerez kamen dann gleich mehrere Details zum Vorschein. Nicht nur die extrem auffällig gestalteten Lufteinlässe auf der Radinnenseite. Auch die Radnabe war nicht mehr jene, die auf den Präsentationsfotos zu sehen war. In Jerez testete McLaren eine durchblasene Radnabe. Über die Bremsbelüftung wird Luft eingefangen, die durch den Radträger geleitet wird und über die Radnabe an der Außenseite wieder ausgeblasen wird.

Red Bulls erste Variante war nicht legal, Foto: Sutton
Red Bulls erste Variante war nicht legal, Foto: Sutton

Somit soll das Auto besser umströmt werden, mit dem Fronflügel generierte Wirbel werden abgelenkt. Zusätzlich hat Enkei die Felgen überarbeitet. Das dürfte aber nur indirekt mit der durchblasenen Radnabe zu tun haben. Für eine durchblasene Radnabe sind die Lufteinlässe extrem klein. Schließlich muss die Bremse gekühlt werden und Luft in die Radnabe gelangen. Dazu wurden auch die Felgen optimiert, um die Wärmeabfuhr der Bremsen zu verbessern.

Neu ist die Idee der durchblasenen Radnabe aber nicht: Red Bull experimentierte schon vor einigen Jahren daran. Allerdings wurde die Red-Bull-Lösung für illegal befunden, weil die Luft direkt über gelochte Radnaben austrat und diese somit als aerodynamisch bewegliche Teile galten. Inzwischen sind die Radnaben anders gestaltet, so dass die Luft nicht mehr durch ihre Rotation beeinflusst wird.

Honda-Motor im Mini-Kleid

Im direkten Vergleich gut zu erkennen: Das McLaren-Heck ist besonders eng, Foto: McLaren/Ferrari
Im direkten Vergleich gut zu erkennen: Das McLaren-Heck ist besonders eng, Foto: McLaren/Ferrari

Richtig spannend wird es beim McLaren aber erst ab den Seitenkästen. Denn das Heck musste komplett neu gestaltet werden. Size-Zero nennt Eric Boullier das Karbonkleid des MP4-30. Das trifft es sehr gut. Kein anderes Fahrzeug ist am Heck dermaßen eng wie der McLaren. Während die Seitenkäsen an den Öffnungen vorne noch relativ voluminös sind, ziehen sie sich weiter hinten extrem zusammen.

So sieht Size-Zero in der Formel 1 aus, Foto: Sutton
So sieht Size-Zero in der Formel 1 aus, Foto: Sutton

So extrem, dass selbst Honda zugibt, dass McLaren die japanischen Ingenieure vor eine wahre Herausforderung gestellt hat. Nicht nur die Kühlung bei einem solch engen Karbonkleid ist ein Problem, vor allem beim Packaging mussten sich die Ingenieure etwas einfallen lassen. Die Japaner können die einzelnen Nebenaggregate der Power Unit nicht nach Gusto anordnen. Sie müssen die Teile dort unterbringen, wo McLaren Platz dafür gelassen hat.

Bei der Kühlung macht sich McLaren keine Sorgen. In Jerez gab es zumindest in diesem Bereich keine Probleme, allerdings waren die Temperaturen in Südspanien noch sehr niedrig. Für wärmere Gefilde hat McLaren aber vorgesorgt und kann bei Bedarf die Kühlöffnungen noch vergrößern - das versicherten die Ingenieure in Jerez.

In der Heckansicht zeigt sich, wie McLaren seine Philosophie umgekehrt hat. Während das Karbonkleid im vergangenen Jahr sehr eng um den Auspuff lag, dafür aber rechts und links zwei voluminöse Bäuche waren, ist es in diesem Jahr genau umgekehrt. Rechts und links des Auspuffendrohres liegt die Motorabdeckung eng an, dafür wurde über dem Auspuff selbst jede Menge Luft gelassen.

Elegant hat McLaren die Befestigung des Heckflügels gelöst. Wie im Vorjahr steht der Flügel auf einer zentralen Strebe, die sich um den Auspuff herumschmiegt. Der Bereich um den Auspuff ist in diesem Jahr in die Motorabdeckung integriert.

Interessante Hinterradaufhängung

Das untere Querlenker-Dreieck ist nach hinten geöffnet, Foto: Sutton
Das untere Querlenker-Dreieck ist nach hinten geöffnet, Foto: Sutton

Ein Grund, weshalb McLaren im vergangenen Jahr mit diesen Kanonen-Öffnungen fahren musste, waren die Querlenker, die den Beamwing teilweise ersetzten. Dadurch konnte die Luft weiter unten nicht so gut entweichen, weshalb die große Öffnung oben war. In diesem Jahr sind die Alibi-Beamwings verschwunden, die Öffnung ist nach unten gewandert.

Ganz haben die Ingenieure die Experimente an der Hinterradaufhängung aber noch nicht eingestellt. Während die oberen Querlenker noch relativ konventionell gestaltet sind, sind die unteren viel weiter hinten angebracht als üblich. Statt des Flügel-Profils sind die Querlenker nun wieder in Tropfen-Form gehalten. Weil die unteren Querlenker aber so weit hinten angebracht sind, sieht es in der Draufsicht so aus, als hätte der MP4-30 wieder drei Querlenker.

Verkleidete Antriebswelle am Toro Rosso, Foto: Sutton
Verkleidete Antriebswelle am Toro Rosso, Foto: Sutton

Aufgrund dieser Anordnung kann McLaren Antriebswelle und Spurstange nicht so elegant im unteren Querlenker integrieren. Einige Teams nutzen den unteren Querlenker dazu, Antriebswelle und Spurstange zu verkleiden. Das senkt nicht nur den Luftwiderstand, sondern vermeidet auch ungewollte Verwirbelungen.