In gut einem Monat ist es soweit: Die roten Lichter gehen aus und die roten Boliden fahren – hoffentlich – nicht schon wieder alles in Grund und Boden. Für viele Experten steht mit der F1-Saison 2005 auf jeden Fall eines der spannendsten F1-Jahre seit langem auf dem Programm. Und träumen darf man ja von einem Fünfkampf um die WM-Titel...

B·A·R-Honda: 007 jagt Dr. Schu

Als bester Ferrari-Jäger des Vorjahres geht der Vizekonstrukteursmeister British American Racing natürlich mit großen Hoffnungen und hohen Zielen in die neue Saison.

Denn nachdem man anno 2004 zwar einen Quantensprung an die Spitze des Feldes vollführen konnte, den zweiten WM-Rang aber ohne einen einzigen Sieg feiern musste, möchten die Weißen aus Brackley nun endlich zum ersten Mal ganz oben auf dem Podest stehen.

"Unsere Performance war im letzten Jahr sehr erfreulich", wirft der neue Teamboss Nick Fry einen flüchtigen Blick zurück, bevor er die Ziele für das Jahr 2005 ausgibt: "Aber wir waren auch enttäuscht, dass wir kein Rennen gewinnen konnten. Und das hat nun der erste Schritt zu sein – in unserem Dreijahresplan, mit dem Ziel, die Weltmeisterschaft zu gewinnen."

Das Auto. Der neue züngelnde 007 soll also in James Bond Manier viel Champagner verbrauchen. Vom reinen Aussehen her ist der neue Wagen aus der Feder von Technikchef Geoffrey Willis eine gute Mischung aus Evolution und neuen Einfällen, wie der interessanten Frontflügellösung mit der u-förmig eingebuchteten Zungenspitze.

"Der 007 ist ein logischer Schritt – wir haben sowohl das bestehende Konzept verfeinert als auch neue Entwicklungen eingesetzt", so Willis. "Aufgrund der Stabilität des Technikerteams und der vermehrten Zusammenarbeit mit Honda konnten wir im Bereich von Motor, Chassis und Getriebe eine verbesserte Integration verwirklichen."

Die Fahrer. Aber nicht nur das Auto soll der Konkurrenz die Zunge zeigen, auch die Piloten die darin sitzen möchten den Rivalen eins auswischen. "2005 ist für B·A·R-Honda ein wichtiges Jahr. Wir müssen beweisen, dass unser Erfolg im letzten Jahr keine Eintagsfliege war", weiß Jenson Button um die Wichtigkeit seines vielleicht letzten Jahres in Brackley. "Wir haben unsere Ziele hoch angesetzt und wir möchten sofort gewinnen. Ich gehe mit der Absicht meinen ersten Sieg einzufahren nach Melbourne. Und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen können."

Nicht ganz so große Ziele hat sich Jensons Teamkollege Takuma Sato für den Saisonstart gesetzt. "Ich gehe in meine zweite Saison mit diesem Team und ich verfüge nun über mehr Erfahrung und Selbstbewusstsein, auch die Stabilität im Team wurde verstärkt", skizziert der Japaner die Ausgangslage, bevor auch er vom gewinnen spricht: "Klarerweise möchte ich mich verbessern. Mein Ziel muss lauten, weitere Podestplätze und eventuell meinen ersten Sieg zu schaffen."

Renault: Auf dem Sprung nach ganz oben

"Im nächsten Jahr schlagen wir Ferrari. Definitiv!" Mit dieser Ankündigung sorgte Teamboss Flavio Briatore im letzten Jahr für einigen Zündstoff. Denn der smarte Italiener kündigte nicht nur an die 2004 schier unbezwingbare Scuderia zu besiegen: "Ich sage Ihnen: 2005 ist die Dominanz von Ferrari vorbei. Dann werden wir sie besiegen."

Einige Monate später hörte sich der Italiener im Rahmen des Teamlaunches etwas vorsichtiger an: "Du machst über den Winter den bestmöglichen Job, triffst die notwendigen Entscheidungen, entwickelst das Auto und absolvierst Testfahrten. Wird der Renault R25 konkurrenzfähig sein? Ich weiß es nicht. Ich bin aber sehr zuversichtlich, weil wir unser Bestes gegeben haben. Wir müssen nun bis zum ersten Grand Prix in Australien warten, um zu sehen, wo wir im Vergleich zu unseren Konkurrenten stehen."

Eine Meinung die auch Jungstar Fernando Alonso teilt. Doch obwohl er eine "harte Saison" erwartet, hat der Spanier auch klare Vorstellungen von deren Ausgang: "Wir müssen um die Weltmeisterschaft kämpfen und Rennsiege erzielen. Am Ende der Saison sollten wir gegen die Top 2 oder Top 3-Teams um den Titel kämpfen können. Wir müssen auf dem höchsten Level kämpfen, wir müssen in diesem Jahr die Pace mitgehen können."

Demzufolge gibt sich RenaultF1-Präsident Patrick Faure 2005 auch nicht mehr mit "regelmäßigen Podestplätzen" zufrieden. "In dieser Saison müssen wir ständig in der Lage sein, Rennen zu gewinnen."

Das Auto. Dazu benötigen sie allerdings einen konkurrenzfähigen R25. Giancarlo Fisichella sah diese Voraussetzung schon bei der ersten Begegnung mit seinem neuen Arbeitsgerät so gut wie erfüllt: "Gleich als ich das Auto zum ersten Mal sah, war ich richtig aufgeregt. Es besitzt eine sehr aggressive Form", so der Römer. "Schon im Stand vermittelte er mir ein gutes Gefühl. Auf der Strecke fühlte ich mich auf Anhieb wohl im Auto und baute schnell Vertrauen auf."

Im Vergleich zum schwer fahrbaren R24 ist der neue gelb-blaue Renner – dessen auffälligste Änderung die delphinartige Frontpartie ist – laut beiden Piloten viel "einfacher zu kontrollieren". "Der Renault R25 verhält sich über längere Distanzen konstanter", merkt Alonso an. "Ein direkter Vergleich ist wegen der niedrigeren Abtriebswerte für 2005 nicht möglich, aber verglichen mit dem Interims-Auto haben sich Traktion und Bremsstabilität klar verbessert."

Die Fahrer. Klar verbessern möchte sich das Team auch mit seiner neuen Fahrerpaarung. Während Fernando Alonso hierbei ohnehin als zukünftiger Weltmeister gehandelt wird, bekommt Giancarlo Fisichella nach seiner Rückkehr nach Enstone endlich die Gelegenheit in einem Top-Team zu beweisen was er drauf hat. Und das wird er auch müssen, denn Flavio Briatore erwartet von seinen Piloten "sehr viel".

"Vor allem erwarten wir Einsatz und Leistung", fordert Briatore. "Unsere beiden Fahrer stellen eine ideale Kombination aus Jugend und Erfahrung dar. Dazu kommen eine erfolgsorientierte und aggressive Einstellung auf der Strecke. Unsere Erwartungen an sie sind hoch."

Seinen Neuzugang beschreibt er als "Kämpfer", der "harte Rennen" fährt und diese auch zu Ende bringt. "Sein Speed ist von der ersten bis zur letzten Runde derselbe. Ich bin überzeugt davon, dass die Kombination Alonso-Fisichella spektakulär sein wird."

BMW-Williams: Zurück auf die Erfolgsspur

Vor gut einem Jahr gab Teamchef Sir Frank Williams im Rahmen der Präsentation in Valencia die Marschroute aus die Titellose Zeit in Grove zu beenden. Nach einem für BMW-Williams-Verhältnisse enttäuschenden Jahr 2004 möchte er nun in dieser Saison "auf die Erfolgsspur" zurückkommen und "die alten Fehler" vermeiden.

"Vier Jahre lang haben wir unsere Ziele übertroffen", erinnert Mario Theissen an die ersten vier Jahre der britisch-bayrischen Zusammenarbeit zwischen 2000 und 2003. "Dann fielen wir 2004 in ein Loch und konnten unsere Ansprüche zum ersten Mal nicht erfüllen. Nun versuchen wir die Erfolge mit vereinten Kräften zurück zu holen."

Das Auto. Der FW27 aus dem neuen Windkanal des Teams repräsentiert laut Frank Williams "die Hoffnungen und Anstrengungen" des gesamten Rennstalls. "Vor Saisonbeginn wollen wir unsere Ziele vorsichtig formulieren. Aber wir setzen alles daran, 2005 eine starke Kraft in der Formel 1 zu sein."

Da es nach nur wenigen Testtagen mit dem neuen Boliden natürlich noch an Vergleichsdaten fehlt, lässt sich nur schwer einschätzen wie der neue Williams Bolide im Vergleich zur Konkurrenz liegen wird. Bei der Designphilosophie konzentrierte sich Technikchef Sam Michael jedenfalls auf "das Wesentliche" – dass heißt: Keine Radikal aussehenden Frontpartien, deren verlockende Windkanalergebnisse sich auf der Strecke nicht reproduzieren lassen.

Die Fahrer. Bei den Fahrern gehen die Weiß-Blauen notgedrungen einen komplett neuen Weg: Während Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya das Team verließen und die Wunschfahrerpaarung Jenson Button und Mark Webber nicht zustande kam, entschloss man sich letzten Endes in allerletzter Sekunde dazu den Deutschen Nick Heidfeld als zweiten Piloten zu verpflichten.

"Die Ziele des Teams sind sehr hoch. Mit dem zweiten oder dritten Platz will man sich nicht zufrieden geben", weiß Heidfeld um den Wind der in Grove vorherrscht. "Mein persönliches Ziel ist es, alle zu schlagen, nicht nur Michael Schumacher, und in Zukunft die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wann, weiß ich noch nicht."

Und auch Mark Webber ist sich des großen Drucks und der hohen Erwartungshaltung in München und Grove bewusst. "Ich weiß, dass das Team von mir Siege erwartet. Deshalb müssen wir ab Melbourne sofort Leistung zeigen, was bedeutet, dass wir Rennen gewinnen müssen und das wird sehr hart werden", prophezeit der Australier. "Der neue B·A·R wird schnell sein und dann muss man auch noch an McLaren, Renault und Ferrari denken. Ich hoffe, dass wir vorne mitmischen können. Wir müssen sicherstellen, dass das rote Ding nicht mehr so oft gewinnt wie im letzten Jahr!"

McLaren Mercedes: Im Entenmarsch zum Titel

"Es ist ein Nasenbär!" hieß es im letzten Jahr nach der Präsentation des FW26. In diesem Jahr verbuchte McLaren Mercedes die tierischen Schlagzeilen auf seiner Seite: "Es ist eine Ente!", wobei sich der Vergleich nur auf die neue breite Frontpartie und nicht auf die Geschwindigkeit des neuen Silberpfeils bezog.

Das Auto. Denn diesen neuen MP4-20 hüteten sie im McLaren Technology Centre bis zuletzt wie einen Schatz. "Wir halten unseren MP4-20 für einen markanten Fortschritt gegenüber dem 2004er Modell", tönt Geschäftsführer Martin Whitmarsh selbstsicher. "Können wir Ferrari damit bezwingen? Ja. Wir haben das in der Vergangenheit getan und haben vor, das in naher Zukunft zu wiederholen."

Um dieses Ziel erreichen zu können und "für den Titel fit" zu sein, möchten die Silbernen "in jedem Rennen konkurrenzfähig und zuverlässig" sein. "Wir haben punkto Standfestigkeit und Motorenleistung im Laufe der Saison 2004 enorme Fortschritte erreicht, selbst wenn der Beginn der vergangenen Saison enttäuschend war."

Die Fahrer. Mit der neuen Fahrerpaarung Kimi Räikkönen und Juan Pablo Montoya bringt man zudem noch zusätzlich frischen Wind ins Team. "Beide sind echte Racer", bestätigt Whitmarsh. "Und, so seltsam sich das anhört, im Moment scheinen sie einander zu mögen! Beide sind Freidenker und lieben die Unabhängigkeit. Kimi ist eher der Introvertierte, Juan der Gesellige", beschreibt er seine gerne als Feuer und Eis bezeichnete Fahrerpaarung weiter.

"Beide wissen, dass der andere als Stallgefährte ein ziemlicher Brocken ist. Aber der Brasilien GP zum Saisonabschluss 2004 hat beiden gut getan. Sie haben erkannt, dass man miteinander hart, aber fair umspringen kann. Wir bilden uns etwas darauf ein, die Fahrer gleichwertig zu behandeln, und wir spüren, dass unsere Fahrer das respektieren und schätzen," verteilt der McLaren-CEO zum Abschluss noch einen kleinen Seitenhieb in Richtung Maranello.

Fazit: Wer kann Ferrari stoppen?

Apropos Maranello: Dort werkelt man noch tüchtig am neuen F2005, während die Konkurrenz mit ihren Neuwagen bereits fleißig Testkilometer abspult. Für motorsport-magazin.com-Experte Sven Heidfeld stellt dies allerdings keinen Nachteil für die Roten dar.

"Den modifizierten Wagen sehe ich nicht als Nachteil an. Ich glaube Ferrari hat dennoch als erstes Team wieder damit angefangen das Auto weiterzuentwickeln und bei Ferrari ist ein modifiziertes Auto wahrscheinlich genauso neu wie bei den anderen ein komplett neues Auto", verriet Sven im Gespräch mit motorsport-magazin.com. Entsprechend sieht er Michael Schumacher auch wieder als großen Favoriten an. Allerdings ist Sven davon überzeugt, dass es der Deutsche in diesem Jahr schwieriger als im letzten Jahr haben wird.

Als Hauptkonkurrent macht er "Ferrari und McLaren" aus, "wobei der Mp4-20 sehr schnell zu sein scheint". Erst danach reiht er die Truppe seines Bruders Nick ein. Dennoch traut Sven seinem Bruder und Mark Webber einiges zu – sogar Siege und den Titel: "Wenn sie direkt gut in die neue Saison starten, schnell sind und es sofort umsetzen können, dann auf jeden Fall."

B·A·R hat er hingegen nicht so sehr auf der Rechnung. "Ich weiß nicht, ob sie den Speed mitnehmen können", rechnet Sven nicht mit einer Wiederholung des Vorjahreserfolges. "Ich glaube, dass sie etwas zurückstecken werden müssen."

Ganz anders sieht dies derweil unser motorsport-magazin.com-Kolumnist Jacques Schulz. "Da die Konkurrenz näher an Ferrari heranrücken sollte, erwarte ich mindestens zwei Teams die Ferrari als Top-Favorit fordern können", verrät der Premiere-Kommentator in seinem Saisonausblick. "Zum einen wäre da McLaren Mercedes, die mit einer sehr guten Fahrerkombination sehr viel zerreißen könnten."

Und zum anderen rechnet er damit, "dass auch Jenson Button aufgrund des größeren Einflusses von Honda ein Kandidat sein" wird. "Deshalb sollte Button in diesem Jahr zumindest in die Nähe des Titels fahren können. Zudem glaube ich, dass Renault in dieser Saison sehr stark sein wird. Jedenfalls dann, wenn sie ein Auto entwickeln, welches nicht nur schnell, sondern auch fahrbar ist. Sollte dies gelingen, dann ist die Kombination aus Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella mindestens für ein paar Siege gut." Williams betrachtet er unterdessen mit "eingeschränktem Optimismus".

Ob all diese Einschätzungen richtig sind und die vielen Zielsetzungen der Fahrer und Teams auch tatsächlich erreicht werden, wird sich frühestens am 6. März zeigen, wenn die roten Ampeln im Albert Park zu Melbourne zum ersten Mal in diesem Jahr ausgehen und die Saison 2005 offiziell eröffnen werden.