Man kann es so sehen, oder auch so – es kommt, wie so oft, auf die Perspektive an. Die Rede ist von Christian Klien und Vitantonio Liuzzi und den Verträgen, die sie bei Red Bull Racing für die kommende Saison erhalten haben. Man kann erfreut sein, dass Klien auch 2005 zumindest die Chance erhält, wieder im Renncockpit zu sitzen - wenn er sich bei den Tests gegen Vitantonio Liuzzi durchsetzen kann. Man kann die identischen Verträge von Klien und Liuzzi als "Geniestreich" oder zumindest als einen neuen Weg betrachten, der es einem Formel 1-Team ermöglicht, auf Formschwankungen eines Rookies zu reagieren und dafür zu sorgen, dass schlicht der schnellste Pilot im Auto sitzt – denn darum sollte es ja auch gehen bei der Besetzung der 20 Formel 1-Cockpits. Die Schnellsten sollen drinsitzen – und nicht jene, welche den dickeren Geldkoffer oder die größere Lobby hinter sich haben…

Und so kann man Red Bull-Motorsportbetreuer Helmut Marko auch verstehen, wenn er sagt, man wisse schlicht und einfach nicht, wen von beiden, Klien oder Liuzzi, man nehmen sollte und dass es daher auch "legitim" sei, dass beide Fahrer sowohl als Renn- als auch als Testfahrer eingesetzt werden können. Gegenüber dem Kurier sagte Marko: "Dazu stehen wir. Beide sind jung, beide sind talentiert, das haben die Testfahrten bisher ergeben. Das Formel-I-Debüt von Klien war nicht das allerbeste, also warum soll er einen Fixplatz haben? Was aber nicht heißt, dass er sich nicht trotzdem qualifizieren kann. Wenn alles passt auch für die ganze Saison. Dasselbe gilt aber auch für Liuzzi."

Marko ist der Meinung, es müssten jene Piloten an den Start gehen, welche das Team etablieren können, deshalb habe David Coulthard einen Fixplatz erhalten – jedoch nur für ein Jahr. Der Steirer räumt Klien und Liuzzi die Chance ein, sich das Cockpit für 2006 zu sichern. Klien müsse aber beweisen, dass er "kompetitiver" sei, man habe viel in ihn investiert, daraus müsse man Kapital schlagen können. Helmut Marko kann nicht nachvollziehen, warum diese Haltung von manchen "so negativ interpretiert" werde…

Marko spricht damit jene Kritiker an, welche die Angelegenheit aus einer anderen Perspektive betrachten, und zwar aus jener der Piloten oder der des Christian Klien – und dabei neben der Freude über die zweite Chance einen bitteren Beigeschmack erhalten. Manche Fans des Hohenemsers können die Haltung des Motorsportbetreuers nur schwer nachvollziehen. Abgesehen von dem Verlust an Vertrautheit respektive der Erhöhung des Drucks, der auf den Schultern der Piloten lastet, hinterfragt man auch, ob die Debütleistung des Vorarlbergers wirklich derart "unkompetitiv" war. Betrachtet man die WM-Tabelle, ergeben sich 7 Punkte für den anerkannt schnellen Mark Webber und 3 für Christian Klien. Mehr wurde vor dem Saisonstart zumindest auch nicht erwartet.

Und so klingt es für manche mitunter ein wenig bitter, wenn Christian Klien auf seiner Homepage schreibt: "Im Februar beginnt das neunte Jahr meiner Partnerschaft mit Red Bull. Im Februar 1997 habe ich meinen ersten Red Bull-Helm von Dietrich Mateschitz persönlich erhalten. Nach meinen ersten Jahren im Go-Kart fuhr ich in all den folgenden Jahren meiner Entwicklung als Red Bull-Junior mit einem Red Bull-gebrandetem Auto…"

Und während es für die einen ein leichter Affront wäre, würde in Melbourne Vitantonio Liuzzi im zweiten Red Bull sitzen, wäre es für die Anhänger von Liuzzi wiederum unverständlich, warum ein Pilot, welcher im vergangenen Jahr derart in der Formel 3000 dominieren konnte, im dritten Fahrzeug sitzen muss. Andere wiederum können die Verpflichtung des bei McLaren stets von seinen finnischen Teamkollegen in den Schatten gestellten David Coulthard nicht nachvollziehen – zugleich aber ist es anderen wiederum völlig klar, dass man einen erfahrenen Piloten und noch dazu den zurzeit siegreichsten Fahrer nach Michael Schumacher einfach verpflichten musste, war dieser doch angesichts seines McLaren-Abgangs relativ leicht zu haben.

Und so kommt man an jenen Punkt, an dem man irgendwie alle Beteiligten verstehen kann. Die Situation hat sich schicksalsartig so ergeben, wie sie ist – Red Bull Racing möchte keinen der beiden Junioren verlieren oder davonjagen – das "Car-Sharing" erscheint aus dieser Perspektive als eine schlichte Notwendigkeit.

Eines ist klar – für die zwei Rookies weht in der kommenden Saison ein harter Wind. Für Christian Klien werden die kommenden Monate und vor allem die anstehenden Tests karriereentscheidend sein, er verfügt bereits über ein Jahr Formel 1-Erfahrung und muss quasi schneller als Liuzzi sein. Ihre früher erbrachten Leistungen in den Nachwuchsformeln sind für Klien und Liuzzi ab sofort gegenstandslos. Es zählt die Leistung, die sie in den kommenden Wochen an den Tag legen werden. Die beiden Rookies werden an David Coulthard gemessen werden, und sie müssen, wer immer wann eingesetzt wird, im kommenden Jahr annähernd gleiche Leistungen zeigen, um die Hoffnung auf einen Fixplatz für 2006 zu wahren. Unterliegt einer klar gegenüber dem anderen, könnte dies für den Verlierer dieses Gefechts das Karriereende bedeuten. Das ist beinhart, man kann aber auch sagen: That´s Racing!