"Ich kann es nicht fassen, das ist unglaublich", wisperte Lewis Hamilton, während er für einen Moment die Augen schloss und sich dabei auf dem vor ihm stehenden Tisch stütze. Am Vortag von den Kritikern nahezu in der Luft zerrissen, ist er 24 Stunden später der gefeierte Held. "Der gestrige Tag war ein Tritt in den Unterleib. Mir war klar, dass ich mich aufraffen musste, wenn ich die Weltmeisterschaft gewinnen möchte", erzählte Hamilton.

Dem Briten ist bewusst, dass er sich sein Leben in den vergangenen zwei Rennen selbst schwer gemacht hat. Sowohl in Spielberg als auch in Silverstone patzte er im Qualifying und musste sich im Rennen durch das Feld kämpfen. "Ich hatte in beiden Fälle die Pace um auf Pole zu fahren. Für die Zukunft will ich es besser machen", versprach Hamilton für die zweite Saisonhälfte Besserung.

Aus 29 mach 4

Vor dem Großbritannien GP betrug Hamiltons Rückstand in der WM 29 Punkte. Schon im ersten Saisonrennen in Australien verlor Hamilton durch einen technisch bedingten Ausfall wertvolle Punkte. Ein weiterer Defekt in Montreal durchbrach seine Siegesserie und kostete ihn erneut mindestens 18 WM-Zähler. "Heute habe ich mir diese Punkte zurückgeholt", stellt Hamilton klar. "Ich bin ihnen seit dem ersten Rennen hinterhergejagt - das war eine extrem schwierige Situation. In solch einer Situation denkt man, man muss noch ein Extrabisschen mehr geben", gab der Brite einen Einblick in sein Seelenleben.

Dank seinem Sieg in Silverstone und dem Ausfall seines Teamkollegen Nico Rosberg ist Hamiltons Rückstand auf vier Punkte geschrumpft. Die WM ist wieder offen - das weiß auch der Brite. "Ich fühle, dass wir jetzt wieder im Rennen sind. Ich bin an Nico dran", sagte Hamilton. Der Mercedes-Pilot ist überzeugt, dass er auch ohne Ausfall von Rosberg Chancen auf den Sieg gehabt hätte. "Die Pace hat vom Start weg gepasst. Ich habe Nico gejagt wie noch nie zuvor. Ich hatte mich schon auf ein Rad-an-Rad-Duell mit ihm gefreut, aber ich bin überzeugt, dass wir in der Zukunft noch weitere sehen werden2, spielte Hamilton auf die anstehenden Rennen an.

Auf die bevorstehenden Duelle freut sich auch Niki Lauda. Nach der Qualifying-Kritik hatte der Österreicher dieses Mal nur lobende Worte für Hamilton. "Lewis hat sich mit einem tollen Sieg auf vier Punkte herangekämpft. Jetzt geht es darum, dass er so weiterarbeitet. Lewis hätte heute mit einem Stopp durchfahren können, das war aber dann nicht notwendig. Die Strategie war absolut richtig, weshalb wir gewonnen haben. Es gibt nichts zu kritisieren, außer dass Nico einen Ausfall hatte", meinte Lauda gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Hamilton lässt sich von den Fans feiern, Foto: Sutton
Hamilton lässt sich von den Fans feiern, Foto: Sutton

Fans als emotionale Stütze

Für Hamilton war es der zweite Sieg bei seinem Heimrennen nach 2008, der fünfte Saisonsieg und der 27. Triumph in seiner Karriere. Damit zog er in der Bestenliste mit Sir Jackie Stewart gleich. Doch nicht dieser Fakt, sondern die Tatsache, dass zehntausende britische Fans, allesamt mit Hamilton-Kappen ausgestattet, am Wochenende an die Strecke gepilgert waren, um ihn zu unterstützen, machte es für Hamilton zu einem besonderen Sieg. "Ich habe mich nach dem Qualifying echt mies gefühlt, vor allem wegen den Fans. Ich habe sie im Stich gelassen sowie mich und das Team. Daher war es meine Priorität all das Negative in etwas Positive zu verwandeln", verriet Hamilton. Und das ist ihm bester Manier gelungen.