Spätestens in Monaco haben sämtliche Medien der Welt endlich ihr Thema in einer recht eintönigen Formel-1-Saison 2014 gefunden: Lewis Hamilton und Nico Rosberg schenken sich nichts mehr. Eiszeit zwischen den ehemaligen Freunden. Millionen von Augen werden beim Großen Preis von Kanada auf die beiden Mercedes-Topfahrer gerichtet sein, nachdem in Monaco die Situation eskalierte. Rosberg gegen Hamilton, Hamilton gegen Rosberg. Es ist das Duell schlechthin in der Formel 1. Selbst die Teamführung ist gespannt auf den siebten Akt in diesem Drama. Und eine weitere Frage beschäftigt Medien und Fans: Kommt es auf der Ile Notre Dame zu großen Crash?

Realistisch betrachtet wird Letzteres wohl nicht passieren. Toto Wolff hat unmissverständlich klar gemacht, dass ein Unfall eine rote Linie ist. Für den Motorsportchef von Mercedes-Benz geht es in erster Linie darum, dass sein Rennstall nach dem Monaco-Triumph nicht den Bodenkontakt verliert. Nicht wenige Experten hatten nämlich Red Bull im Fürstentum als Favoriten ausgemacht, doch Mercedes fuhr einen souveränen Doppelsieg ein. Wolff mahnt: "Das Team hat mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht, aber wir müssen den Ball flach halten, bescheiden bleiben und weiter pushen. Man könnte meinen, dass Kanada auf dem Papier eine Strecke ist, die unserem Paket liegen sollte. Wir besitzen jedoch keine Kristallkugel und wurden in der Vergangenheit von solchen Gedanken schon kalt erwischt."

In der Tat sollte der Circuit Gilles Villeneuve dem Mercedes-Paket entgegen kommen: Die Stop&Go-Charakteristik des Kurses erfordert einen leistungsstarken Motor und ein gut funktionierendes Hybridsystem - beides bringt der W05 mit. Eine kleine Unsicherheit besteht jedoch: Da bei Valtteri Bottas in Monaco ein Mercedes-Motor sich in Luft aufgelöst hatte, bestand das Risiko eines systematischen Fehlers bei den Power Units aus Brixworth. Paddy Lowe gibt Entwarnung "Wir hatten einige Bedenken, aber das Team hat extrem hart gearbeitet, um das Problem zu verstehen und sicherzustellen, dass es in allen Motoren behoben wird. Wir sind zuversichtlich, dass es so sein wird", so der technische Direktor von Mercedes AMG.

Hamilton brennt auf Revanche

Nach den Ereignissen von Monaco ist die Situation bei Mercedes angespannter denn je. Genau jetzt muss Nico Rosberg beweisen, dass er auch auf einem Kurs gewinnen kann, auf dem nicht die Startposition entscheidet. Zudem ist dieser Ort Hamiltons Paradestrecke (siehe unten). Der Weltmeister von 2008 brennt darauf, den verpassten Monaco-Sieg in Kanada nachzuholen: "Ich möchte immer gewinnen, aber leider war es [in Monaco] nicht mein Wochenende. Ich fuhr mir das Herz aus dem Leib und gab absolut alles. Diese Tatsache gibt mir noch mehr Energie und Entschlossenheit für das kommende Rennwochenende."

In Kanada will Hamilton keine Wiederholung des Bildes aus Monaco, Foto: Sutton
In Kanada will Hamilton keine Wiederholung des Bildes aus Monaco, Foto: Sutton

Nico Rosberg kommt auf der Welle des Sieges aus Monaco daher: "Lewis fuhr sehr gut und trieb mich unglaublich an, aber ich blieb cool und holte mir den Sieg. Er war in absoluter Topform und es war wichtig für mich, seine Serie am vergangenen Wochenende zu durchbrechen", so Rosberg, der in Kanada auf eine ziemlich ausbaufähige Bilanz zurückschaut (siehe unten), obschon er Montreal zu seinen Lieblingsorten zählt - vor allem wegen seiner ausgezeichneten Möglichkeiten, ein Wochenende ausklingen zu lassen: "Sagen wir es so: Es ist eine super Stadt, um ein gutes Ergebnis zu feiern! Darauf arbeite ich auch an diesem Wochenende hin." Zuvor muss Rosberg noch den Unfall auf einer PR-Veranstaltung verarbeiten.

Mercedes: Montreal Bilanz

Mercedes in Montreal: Kanada war für die Silberpfeile bislang kein übermäßig erfolgreiches Pflaster. Im Vorjahr fuhr Lewis Hamilton als Dritter den ersten Podestplatz überhaupt heraus, zuvor hatte Michael Schumachers vierter Rang aus der Saison 2011 die Bestleistung dargestellt.

Lewis Hamilton in Montreal: Wann immer der Brite die Zielflagge sah, gab es für ihn Grund zum Jubeln. 2007, 2010 und 2012 gewann Hamilton den Großen Preis von Kanada, im Vorjahr rundete er seine grandiose Bilanz mit dem dritten Platz ab. Darüber hinaus nahm der den Grand Prix bereits drei Mal von der Pole Position in Angriff.

Nico Rosberg in Montreal: Von so einer Bilanz kann Rosberg nur träumen. Der Deutsche klassierte sich zwar zumeist in den Top-10, eine bessere Platzierung als der fünfte Rang im Vorjahr schaute aber noch nicht heraus.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Es steht wohl außer Frage, dass Mercedes die absolute Favoritenrolle innehat, ganz gleich wie sehr Wolff zur Bescheidenheit warnt. Alle fragen sich: Wie geht es zwischen Hamilton und Rosberg weiter? In Montreal wird Hamilton, der sich um einen möglichen Sieg betrogen fühlt, mit einer Menge Wut im Bauch antreten. Es ist seine Paradestrecke, alles spricht für den Engländer. Doch Rosberg hat einen wunden Punkt getroffen. Hamilton fiel zuletzt in ein längst verloren geglaubtes Muster der Unreife zurück, das stark an seine katastrophale Saison 2011 erinnert. Das muss Rosberg ausnutzen. Ein Sieg auf Hamiltons Vorzeigestrecke würde dessen Selbstvertrauen empfindlich angreifen. Anders herum würde Hamilton bei einem Sieg darauf verweisen können, dass unter normalen Umständen er der Herr im Hause ist. Wir freuen uns drauf. (Heiko Stritzke)