Ja, es gab Zweifler, als Torger Christian, genannt ‚Toto‘ Wolff, das Ruder bei Mercedes-Benz von Norbert Haug Anfang 2013 übernahm. Doch spätestens nach fünf Siegen in Folge in der Saison 2014 sind sämtliche Kritiker verstummt. Wolff hat es geschafft, das dahindümpelnde Mercedes-Werksteam zum dominierenden Rennstall in der Formel 1 zu machen. Doch wie konnte einem österreichischen Geschäftsmann etwas gelingen, woran zuvor einer der versiertesten Motorsportchefs in Kombination mit einem weltweit erfolgreichen Konzern gescheitert ist?

Keine Hauruck-Umstellung

Zunächst einmal vermied es Wolff, mit dem eisernen Besen zu kehren: "Wenn man auch nur halb intelligent und halbwegs professionell ist und in die höchste Kategorie des Motorsports kommt, weiß man, dass muss man sich sehr zurückhalten sollte. Da sitzen die intelligentesten Ingenieure mit den weltbesten Fahrern. Wenn man da hineingrätscht und sagt: ‚Ich glaube, so könnte es besser sein‘, dann kommt man nicht weit." Die Arbeitsabläufe von Grund auf umzukrempeln bringt also nicht viel.

Der Grund dafür ist simpel: "Warum die Jungs auf diesem hohen Level operieren ist, weil sie es ihr ganzes Leben lang schon machen. Lewis und Nico haben mit dem Kartsport angefangen als sie sechs Jahre alt waren. Die sind vor einem Rennen nicht mehr nervös oder aufgeregt oder zweifeln an sich, sondern kennen sich und ihre Fähigkeiten genau." Dabei verhalte es sich wie mit dem Fahrrad Fahren: Nach einer Zeit denke man eben nicht mehr darüber nach, wie man das Fahrrad fahre. "Sie haben Zehntausende Runden absolviert vom Kart über die Formel Renault, die Formel 3 und die GP2. Ich bin sicher, dass sie über 1.000 Rennen gefahren sind." Das alles falle letztlich auf die Entscheidungsträger zurück.

"Ich würde mir gerne die Lorbeeren umhängen, aber das hat mit der Teamführung nur wenig zu tun", so der 42-Jährige weiter. Also was gibt letztlich den Ausschlag? Insgesamt kümmerte sich Wolff um zwei Baustellen: Zunächst ging es darum, die klugen Köpfe richtig zusammenspielen zu lassen: "Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, dass wir die richtigen Ingenieure zusammengetan und die richtige Organisation aufgestellt haben". Der zweite Grund mag wesentlich profaner anmuten, ist aber von außerordentlicher Wichtigkeit: "Wenn man sieht, welche Faktoren man braucht, um mit einem F1-Team erfolgreich zu sein: da geht es in allererster Linie mal um die finanziellen Ressourcen." Und diese musste er erst einmal locker machen.

Mercedes erntet 2014 die Früchte der Umstrukturierung, Foto: Sutton
Mercedes erntet 2014 die Früchte der Umstrukturierung, Foto: Sutton

Fehler an allen Ecken und Enden

Schonungslos zählte er daraufhin auf, was im Team zuvor falsch lief: "Diese finanziellen Ressourcen hat das Team in den vergangenen Jahren nicht gehabt, weil Stuttgart nicht wusste, was notwendig war. Die musste erst jemand wachrütteln." Daimler habe es bis vor zwei Jahren nicht verstanden, warum die Performance nicht wie erhofft lief, obwohl auf dem Papier alle Voraussetzungen gestimmt hatten. "Man hat Ende 2009 einen Weltmeister eingekauft, aber nicht verstanden, dass der WM-Titel für Brawn außerordentlichen Faktoren zuzuschreiben war." So habe Honda 2008 noch 200 Millionen in das Team investiert, von denen Brawn dann zehren konnte. Zusätzlich nutzte man eine Reglementlücke für den Doppeldiffusor aus.

"Das war damals etwas zwischen legal und illegal. Das hat dem Team einen unglaublichen Vorsprung verschafft, damit sind die dann Weltmeister geworden", erklärte Wolff. Allerdings habe Brawn GP 2009 nichts mehr in Forschung und Entwicklung investiert. "Das heißt, da gab es ein Jahr lang völligen Stillstand, das hat ihnen niemand gesagt." Der erste Fehler von Mercedes war also ein zu geringes Budget in Kombination mit Unkenntnis über die Gesamtsituation. "Das zweite war, dass in die falsche Infrastruktur investiert oder gar nicht investiert worden ist", rechnete Wolff weiter ab. "Die Piloten waren zwar gut, aber Schumacher war eben am Ende seiner Karriere."

Den dritten Grund für den mangelnden Erfolg in den ersten Jahren sieht Wolff in der Teamstruktur: "Die Teamführung war meiner Meinung nach nicht in den besten Kompetenzfeldern aufgestellt, das haben wir in den letzten zwei Jahren geändert." Und so langsam greift ein Rad ins andere, doch Wolff mahnte an, dass es noch Verbesserungspotenzial gäbe: "Es gibt in manchen Bereichen wie in der Simulation gegenüber Red Bull wirkliche Defizite. Das müssen wir aufholen, wir haben da auch schon Leute angeheuert, und so langsam fügt sich eins ins andere, das zeigt sich an den Ergebnissen."

Selbstironie als Allzweckwaffe im Medienrummel

Wolff ist zwar ein Mann der klaren Worte, gibt sich außen aber stets gelassen und entspannt. "Das sind die Baldriantropfen", lachte er. Natürlich meinte er das nicht ernst, aber eben dies sei sehr wichtig, um der ganzen Verantwortung Herr zu werden: Die Dinge mit Humor nehmen. "Wichtig ist, sich von Zeit zu Zeit von außen zu betrachten, dass man mal über sich selbst lacht, wenn man sich denkt: ‚Was hab ich jetzt für einen Quatsch geredet?‘, und dass man auch im Team lacht." Aufgrund des riesigen Medienrummels in der Formel 1 sei eine solche Selbstironie ganz wichtig, wenn das Ego davonzulaufen droht. "Dann erinnern wir uns daran, dass das, was wir hier machen, das Unwichtigste der Welt ist. Wir lachen sehr viel über uns selbst."

Wie kam Toto Wolff zu seiner Rolle bei Mercedes AMG? "Die Idee von Daimler war Folgende: ‚Da gibt es diesen Mittelständler, der ganz anders führt als wir das in unserem globalen Corporate Network machen. Wir verstehen das nicht und sind auch nicht richtig aufgestellt, sind aber langfristig an die Formel 1 gebunden.‘" Deshalb habe Mercedes einen Partner gesucht, der gut einzahlt und auf Geld verlieren könnte, sollte das Abenteuer schiefgehen. Im Erfolgsfall hätte er als Mitgesellschafter aber einen völlig anderen Antrieb als nur als Manager. "So bin ich in die Sache reingerutscht. So habe ich eigentlich immer gewirtschaftet und es macht mir Spaß."