Nur noch 60 Sekunden. Wohl einem jeden Motorsportfan ist auch Dominic Senas Actionfilm aus dem Jahr 2000 bekannt. Nicolas Cage und Angelina Jolie stehlen in diesem Kultstreifen massenhaft schnelle und teure Autos - und müssen diese pünktlich zur Deadline abliefern, um Cages kleinen Bruder vor einer Bestrafung durch eine Gangsterbande zu bewahren. Nur noch 60 Sekunden. Gäbe es die Aufgabe, Mercedes-Motorsportchef Toto Wolffs Büroalltag in einem kurzen Satz zu beschreiben, bestünde die Musterantwort wohl aus eben diesen vier Worten.

"Es gibt zwei Mentoren in meinem Leben, die mir zwei unheimlich wichtige Sachen gesagt haben, die bis heute als Leitlinien meiner Arbeit dienen", verrät Wolff. Mentor Nummer eins, AT&S Großaktionär Willi Dörflinger, legte mit seinem Rat dabei die Basis für die größte Wandlung im Arbeitsalltag des Österreichers. "Als ich Dörflinger vor zwei Jahren erzählt habe, dass ich für nichts Zeit hätte, hat er mir nur gesagt: Du machst es ganz falsch. Alles was du brauchst, ist ein Ein-Minuten-Management. Du musst dem Mitarbeiter wenn er in den Raum kommt, eine Minute Zeit geben, das Problem darzustellen. Wenn er das in dieser Zeit nicht kann, dann schmeißt du ihn wieder raus. Das erzieht die Leute zum selbständigen Entscheiden."

Vertrauen als Fundament, Autarkie als Marschroute

Selbständiges Entscheiden ist für Wolffs Mitarbeiter dann auch unabdingbar - schließlich bekommen sie ihren Chef über das Jahr hinweg kaum zu sehen. "Ich bin täglich an zwei bis drei Destinationen - meistens in verschiedenen Ländern - und der Zeitplan ist einfach nur extrem eng gestrickt. Da ist es sehr wichtig, sich eine Organisation aufzubauen, bei der man jedem Mitarbeiter voll vertrauen kann", verrät er. So müssten sich innerhalb des riesigen Arbeitsfeldes mit Formel 1, DTM und weiteren Ressorts verschiedene Zuständigkeitsbereiche bilden, innerhalb welcher die zuständigen Mitarbeiter nicht nur zu Experten werden, sondern weitestgehend autark ihre Aufgaben erledigen können.

Toto und Susie Wolff reisen Job-bedingt gemeinsam um die Welt, Foto: Sutton
Toto und Susie Wolff reisen Job-bedingt gemeinsam um die Welt, Foto: Sutton

"Natürlich ist das jetzt leichter gesagt als getan, denn die Entscheidungen, die dann getroffen werden, können selbstverständlich auch ins Auge gehen", gibt Wolff sein kalkuliertes Risiko unumwunden zu. Angesichts der irren Frequenz der verschiedenen Aufgaben, seien ihm jedoch die Hände gebunden. "Ich bin sowieso kaum im Büro und wenn ich dann daran denke, wie sich vor der Tür wieder alles staut und die Leute mir irgendwelche Nonsens-Entscheidungen abringen wollen, dann mache ich lieber klar deutlich, dass das Entscheidungen sind, in die ich nicht involviert sein will."

Hoher Druck und zeitaufwändiger Job auf Dauer nicht machbar

Um diese Methode bestmöglich umsetzen zu können, hielt sich Wolff zunächst strikt an den Rat des zweiten Mentors, dessen Namen er jedoch nicht preisgeben will. "Er war für mich auch ein ganz wichtiger Mann, der mir gesagt hat: Toto, du managst dein Unternehmen falsch. Das erste was du machen musst, ist um 8 Uhr ins Büro zu kommen, dich an deinen Schreibtisch zu setzen, Die Füße auf den Tisch zu legen, die Zeitung aufzuklappen und jedem Mitarbeiter, der hereinkommt, zu sagen: Ich habe keine Zeit. Spätestens nach zwei Wochen werden die Leute beginnen, eigene Entscheidungen zu treffen."

Dass er den hohen Druck, die gewaltige Verantwortung sowie das ständige Reisen auf Dauer durchhält, glaubt Wolff indes nicht. Immerhin kommt für ihn jedoch erleichternd hinzu, dass seine Frau Susie - Testfahrerin bei Mercedes-Motorenkunde Williams in der Formel 1 - auch bei Weltreisen quasi meist an seiner Seite ist. "Ich mache den Job als Motorsportchef jetzt seit eineinhalb Jahren und der Rhythmus ist einfach verrückt", verrät Wolff.

"Das Reisepensum, und die Termine sind so komprimiert, dass man das einige Jahre machen kann, aber dann irgendwann mal die Leistung nachlässt, und dann muss man sich gut überlegen, wie es weitergeht." Zwar bestünde akut kein Handlungsbedarf, jedoch ist Wolff bereits dabei, die Strukturen für die Nachfolgegeneration zu legen. "Eines Tages wache ich sicher auf, und denke: genug", ist er sich sicher. Die nächste Aufgabe bestünde dann wohl darin, sich das Eine-Minute-Management wieder abzugewöhnen.