Obwohl momentan kein österreichischer Pilot in der Formel 1 vertreten ist, befindet sich die Königsklasse fest in Händen der Alpenrepublik. Siegt Red Bull, erklingt die rot-weiß-rote Hymne und auch der Aufschwung bei Mercedes wurde erst eingeleitet, als Toto Wolff und Niki Lauda das Ruder übernehmen. Seit diesem Jahr kommt nun auch die Wetterprognose an den Rennwochenenden von einem österreichischen Unternehmen.

Jahrzehntelang vertraute die FIA auf die Dienste von Meteo France, doch seit 2014 liefert Ubimet den Teams detaillierte Informationen, wann es an der Zeit ist, die Regenreifen aufzuziehen. Das private Meteorologie-Unternehmen mit Hauptsitz in Wien verfügt neben der Formel 1 über zahlreiche renommierte Kunden wie die Deutsche Bahn, mehrere Fernsehsender und viele Tageszeitungen. Motorsport-Magazin.com bat Steffen Dietz, Project Coordinator Motorsport, zum Interview.

Wie ist es Ubimet gelungen, offizieller Wetterdienstleister der Formel 1 zu werden?
Steffen Dietz: Unsere CEOs waren 2012 beim Rennen in Brasilien, haben sich angesehen, wie der aktuelle Wetterdienst funktioniert und sind der Meinung gewesen, dass Ubimet das viel besser könnte. Sie haben der FIA ein Angebot unterbreitet und im Zuge der Verhandlungen wurde das Wetterservice, so wie wir es jetzt anbieten, allen Teams vorgestellt und schlussendlich kam es zu einem mehrjährigen Vertrag. Viele waren mit dem bisherigen Service von Meteo France nicht zufrieden und wollten eine Veränderung.

Steffen Dietz erstellt die Wetterprognosen für die Formel 1, Foto: Ubimet
Steffen Dietz erstellt die Wetterprognosen für die Formel 1, Foto: Ubimet

Viele Jahre hat Meteo France die Wetterprognosen geliefert - was macht Ubimet anders?
Steffen Dietz: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir einen Service bieten, der doch deutlich umfangreicher ist. Das heißt, wir stellen den Teams mehr Informationen und Daten zur Verfügung. Wir haben nicht wie Meteo France immer nur eine Wetterstation vor Ort und ein mobiles Radargerät in der Nähe, sondern ab Barcelona werden wir mehrere Wetterstationen im Einsatz haben, die an der Strecke verteilt sind, sodass die Teams beispielweise sehen können, ob der Wind in Kurve vier anders als in Kurve neun weht und auch in der Lage sind, ganz kleine Schauer, die nur Streckenabschnitte betreffen, besser einzuschätzen.

Das Ziel ist auch, früher oder später noch einen zweiten Streckentemperatursensor anzubringen. Derzeit ist es häufig der Fall, dass die großen Tribünen ihre Schatten im Tagesverlauf auf die Pitlane werfen, sodass dieser Punkt für die Messung der Streckentemperatur nicht immer optimal ist. Durch einen zweiten Sensor an einer anderen Stelle kann man dann weiterhin jene Temperatur messen, die die Strecke auch tatsächlich hat.

Wir haben zudem ein Radar, das etwas moderner ist und sich auf dem aktuellen Stand der Technik befindet. Wir bieten damit eine bessere Auflösung der Bilder als Meteo France - ein Pixel entspricht 100 mal 100 Metern. Es gibt jede Minute ein Radarbild und wenn man die aktuellen Bilder mit jenen der letzten Saison vergleicht, kann man eindeutig erkennen, dass die Auflösung schöner ist und man mehr sieht.

Mit welcher Genauigkeit können Sie das Wetter an den Rennstrecken vorhersagen?
Wir stellen den Teams unsere Daten über ein Web-Portal, das sogenannte Live-On-Track-System, zur Verfügung. Meteo France hat eine Vorhersage angeboten, die immer besser aufgelöst wurde, je näher man dem jeweiligen Tag kam. Wir haben vier unterschiedliche Wettermodelle im Einsatz, die teilweise auch vor Ort auf Servern in der FIA-Garage gerechnet werden. Das sind unsere eigenen Modelle, die wir selbst entwickelt haben und eine hohe räumliche und zeitliche Auflösung bieten. Das höchst aufgelöste Modell wird jede Stunde neu gerechnet, womit es genauer ist als ein grobes globales Modell, das nur zwei oder vier Mal am Tag gerechnet wird.

Darüber hinaus gibt es manuelle Vorhersagen von uns Meteorologen, die mit einer höheren Priorität zu werten sind. Diese entstehen auf Basis von Modellen, Satellitendaten sowie Radarbildern und wir machen daraus unsere eigene Prognose, die im Normalfall die beste ist. Diese Prognose ist recht ausführlich, es fließen auch neue Parameter wie die Strahlung mit ein. Ich denke, das ist in der Summe doch umfangreicher, als es die Teams bisher gewohnt waren. Das sieht man auch an ihren Reaktionen. Sie sind teilweise noch ein bisschen überfordert und müssen erst lernen, mit dieser Menge an Daten umzugehen. Daher sind wir auch vor Ort im Einsatz und versuchen, alle möglichen Fragen so gut wie möglich zu beantworten.

Wie sieht der Ablauf eines Rennwochenendes aus?
Steffen Dietz: Wir haben ca. eine Tonne an Equipment mit dabei. Im Normalfall reisen wir am Montag an und versuchen dann gleich mit dem Aufbau zu starten. Am Montagnachmittag bauen wir eine Wetterstation auf dem Dach des Paddocks auf und bringen den Streckentemperatursensor an. Ab Barcelona wird es dann noch eine zusätzliche Station an der Strecke geben. Am Dienstag wird das Radar aufgebaut, wofür im Normalfall ein Tag benötigt wird. Es ist immer eine Herausforderung einen geeigneten Platz für ein Radar zu finden. Es ist auf einem Mast montiert und kann bis auf neun Meter ausgefahren werden. Der Mittwoch ist in der Regel ruhiger, weil bereits alles stehen sollte. Unsere Techniker richten alles ein und schauen, dass die Daten übertragen werden und man beginnt, in der FIA-Garage mit den Modellen zu rechnen.

Vor jedem Rennwochenende wird ein Wetterradar aufgestellt, Foto: Ubimet
Vor jedem Rennwochenende wird ein Wetterradar aufgestellt, Foto: Ubimet

Dem Web-Portal, das den Teams zur Verfügung steht, werden immer mehr Daten hinzugeführt. Wir versuchen bis Mittwochabend die ersten manuellen Vorhersagen herauszugeben. Ab Freitag beginnen die Sessions, zu denen wir zusätzlich einen Live-Ticker anbieten, der jeweils eine Stunde vor den Sessions gestartet wird und die Beurteilung des Radarbildes liefert. Im Normalfall wird dieser Ticker alle zehn Minuten aktualisiert. Wir geben dabei zum Beispiel heraus, ob sich in der Umgebung gerade Regenschauer befinden und wann diese an der Strecke ankommen.

Am Sonntag bereiten wir uns schon vor dem Ende des Rennens auf den Abbau vor. Das hängt natürlich auch von der Wetterlage ab und ein Meteorologe ist bis Rennende mit dem Ticker beschäftigt, aber die anderen Personen brechen schon zum Radar auf, damit man nicht in den Abreiseverkehr kommt und es schafft, die ganze Technik rechtzeitig wieder abzubauen. Wir müssen unsere Geräte wieder im FIA-Container verstauen, innerhalb von etwa vier Stunden muss alles verpackt werden. Das ist eine stressige Zeit.

Wie viele Personen kommen vor Ort an einem Rennwochenende zum Einsatz?
Steffen Dietz: Bis jetzt waren wir zu viert. Zwei Meteorologen und zwei Techniker. Wir werden schauen, wie die nächsten Rennen laufen, ob wir bei schwierigen Rennen vielleicht noch eine Person mehr brauchen oder bei einfachen Rennen womöglich reduzieren können.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Teams? Wie läuft der Informationsaustausch ab?
Steffen Dietz: Primär über das Web-Portal, jedes Team hat einen entsprechenden Zugang. Es gibt sogar zwei Portale - eines im lokalen Netzwerk vor Ort und eine Backup-Version für die restlichen Teammitglieder in den Fabriken, wo zumeist die Strategieprogramme laufen. Das Portal ist so designt, dass es auch auf Smartphones funktioniert und sich an jede Bildschirmgröße anpasst.

Das Portal ist in mehrere Bereiche aufgegliedert. Es werden das Radar, der Live-Ticker, die manuellen Vorhersagen, die Modellvorhersagen und ein Observations-Bereich dargestellt. Anhand des Observations-Bereichs können die Teams verfolgen, wie sich die Parameter wie Temperatur oder Niederschlag an den Wetterstationen in den letzten Stunden verändert haben. Darüber hinaus gibt es noch ein Archiv.

Das Live-On-Track-System liefert den Teams Informationen, Foto: Ubimet
Das Live-On-Track-System liefert den Teams Informationen, Foto: Ubimet

Wenn die Teams Fragen haben, versuchen wir diese natürlich zu beantworten, müssen aber darauf achten, dass wir keinem Team mehr Informationen geben als im Portal veröffentlicht werden. Insofern beschränkt sich die Kommunikation mit den Teams momentan eher auf Fragen und Antworten, was die Technik betrifft und wie die Daten zu interpretieren sind. Die Prognosen an sich werden über das Portal veröffentlicht und es gibt keine weitere Kommunikation in diese Richtung.

Wie schwierig war es in Malaysia, den Regen im Qualifying zu prognostizieren?
Steffen Dietz: Überall, wo wir Meteorologen hinkommen, ist es für uns eine besondere Herausforderung, das Wetter präzise vorherzusagen, denn teilweise waren wir an den Orten noch nie. An dem erwähnten Samstag in Malaysia war die Strömung relativ schwach, das heißt Schauer, die sich entwickelt haben, sind kaum weitergezogen, sondern an Ort und Stelle entstanden und dort auch wieder verschwunden.

Beim Qualifying ist das Gewitter 1,5 km südöstlich der Strecke entstanden, also im direkten Umfeld. Es war ziemlich schwierig zu erkennen, was passieren würde, weil die Wolkendecke recht dicht war und man nicht allzu viel Bewegung sehen konnte - es war hier und da etwas dunkler und etwas heller. Der Schauer hat sich schnell intensiviert und wir haben versucht, rasch darauf zu reagieren, aber als wir den Teams mitgeteilt haben, dass mit Regen zu rechnen ist, sind bereits die ersten Tropfen über der Strecke gefallen.

In Malaysia hieß es Land unter, Foto: Sutton
In Malaysia hieß es Land unter, Foto: Sutton

Die Schwierigkeit bestand dann darin, das Ende des Schauers vorherzusagen, denn normalerweise ziehen die Schauer weiter, aber in Malaysia war das Gewitter stationär und es hat über längere Zeit heftig geschüttet. Obwohl wir nach Süden die Sonne durchblinzeln sehen konnten, hat es nicht aufgehört.

Zuletzt in Shanghai war die Herausforderung hingegen trotz des vorherrschenden Smogs vorherzusagen, ob und wann die Sonne herauskommt. So etwas erkennen Wettermodelle nicht immer zu 100%. Wir hatten daher am Freitag das Problem, dass die Modelle immer glaubten, die Wolken würden sich auflösen, die Sonne hervorkommen und die Temperaturen um fünf Grad steigen. Wir mussten die Modelle aber einbremsen, weil es am Boden weiterhin den Smog gab und die Sonne daher kaum durchkam.

Waren Malaysia und China bereits die schwierigsten Rennwochenenden des Jahres?
Steffen Dietz: Das würde ich nicht sagen, bei anderen Rennen wird es auch nicht einfach sein. Spa ist allseits bekannt als Ort, wo das Wetter durchaus sehr verschieden sein kann. In Montreal findet der Grand Prix zu einer Jahreszeit statt, zu der immer wieder Fronten durchziehen können, in Suzuka kann ein Taifun auftreten und auch Sao Paulo ist schwierig aufgrund der Küstennähe. Die meisten Strecken sind potenziell gefährdet, vom Wetter beeinflusst zu werden.

Hat man es in Bahrain oder Abu Dhabi einfacher, weil die Regenwahrscheinlichkeit so gering ist?
Steffen Dietz: Natürlich ist es leichter. Die Teams interessiert hauptsächlich der Regen - wenn man diesen ausschließen kann und es viel Sonnenschein gibt, lassen sich die Prognosen deutlich einfacher erstellen.

Haben Sie beim Österreich GP einen besonderen Heimvorteil?
Steffen Dietz: Wir haben schon einen Vorteil, denn es ist ein Terrain, das wir kennen und auf dem wir im Vergleich zu anderen Strecken viel Erfahrung haben. Meine Kollegen und ich beherrschen unser Gebiet eigentlich recht gut. Man kann Fehlprognosen natürlich nicht ausschließen, aber prinzipiell haben wir eine gute Ahnung davon, wie sich das Wetter im Juni mit seinen Schauern und Gewittern gestaltet. Das Hauptproblem in Spielberg wird aufgrund der Berge sein, einen ordentlichen Radarstandort zu finden. Da wir Berge nicht versetzen können, müssen wir schauen, wie wir das am besten lösen, denn auf 2.000 Meter hohe Berge kommen wir nicht hinauf.

In Bahrain sind die Prognosen verhältnismäßig einfach, Foto: Sutton
In Bahrain sind die Prognosen verhältnismäßig einfach, Foto: Sutton

Ist Ihnen ein Trockenrennen lieber oder mögen Sie die Herausforderung, die unsichere Verhältnisse bieten?
Steffen Dietz: Der Mix ist das Beste. Natürlich wollen wir den Teams, der FIA und der FOM zunächst zeigen, was wir können und das ist nur bei schwierigen Verhältnissen möglich. In drei von vier Qualifyings hat es bislang geregnet und wir haben das soweit gut hinbekommen. Insofern war es gut, dass wir zeigen konnten, dass wir in der Lage sind, ordentliche Prognosen erstellen und die Teams auf sie vertrauen können. Das war für den Anfang wichtig, allerdings hätte ich auch nichts dagegen, wenn Barcelona trocken ausfällt, denn es ist schon weniger Stress. Man hat den körperlichen Stress durch den Auf- und Abbau, aber Donnerstag bis Sonntagnachmittag hat man im Falle von ruhigem Wetter selbst etwas mehr Ruhe.

Wie zufrieden sind die Verantwortlichen der Formel 1 nach den ersten vier Rennwochenenden?
Steffen Dietz: Es gab von den Teams betreffend die Wettervorhersagen wenig Feedback, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie zufrieden sind, weil meistens melden sie sich nur, wenn irgendetwas nicht stimmt. Wir haben primär Kontakt mit den Teams, der FIA, der FOM und dem Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer. Prinzipiell glaube ich, sind die Wettervorhersagen gut gelaufen und wir können zufrieden sein. Nur beim Qualifying in Australien lagen wir mit dem Regen fünf Minuten daneben, aber sonst waren wir gut dabei und hatten von Anfang an immer grob die richtige Einschätzung. Wenn die erste Prognose ordentlich gesetzt wird und man einen roten Faden hat, der immer beibehalten werden kann, ist das eine gute Basis.

Aufgrund des Klimawandels neigt das Wetter zu immer größeren Extremen. Wird es in Zukunft öfter vorkommen, dass Sessions verschoben werden müssen?
Steffen Dietz: Ich denke, das ist schlecht umlegbar auf die Formel 1, weil wir uns in vielen verschiedenen Klimazonen befinden. In Europa wird das Klima zwar extremer, aber es hat keinen großen Einfluss auf die Formel 1, denn es sind nur einzelne Stunden im Jahr betroffen und dass ein Schauer zu genau diesem Zeitpunkt doppelt so stark wie gewöhnlich ausfällt, ist unwahrscheinlich.

Hat man als jemand, der das Wetter für die Formel 1 vorhersagt, auch Zeit, ein bisschen vom Rennen mitzubekommen?
Steffen Dietz: Manchmal fahren wir zum Radar, bauen es ab und wundern uns, wer überhaupt gewonnen hat. Wir haben Glück und sitzen immer in einem Raum zusammen mit den Jungs von Magneti Marelli, wo es einen kleinen Fernseher gibt auf dem man sieht, was grundsätzlich passiert. Es ist für uns auch wichtig zu sehen, wie nass es auf der Strecke tatsächlich ist, wenn es regnet. Man hört zudem Funksprüche der Teams an die Fahrer über das aktuelle Wetter, etwa wo es nieselt, was auch für uns Feedback ist, das wir nutzen können. Wie viel wir tatsächlich mitbekommen, hängt davon ab, wie stressig es ist und manchmal wissen wir am Ende eben nicht, wer gewonnen hat und was passiert ist. Es ist nicht so schön, wie wenn man zuhause vor dem Fernseher sitzt.