Selten wurde eine Formel-1-Saison mit größerer Spannung erwartet als in diesem Jahr. Die neuen Regeln brechen mit der seit Jahren gültigen Hierarchie, wegen der Power Units könnte das Fahrerfeld auf den Kopf gestellt werden. Schon das Qualifying in Melbourne hat gezeigt, wie verrückt es in der neuen F1-Ära zugehen kann: Licht und Schatten bei Red Bull, Toro Rossos im Q3, Williams auf dem Weg zurück Richtung Spitze.

Das Reglement sorgt für Faszination, bringt aber auch kritische Stimmen mit sich. Schon vor einigen Monaten hatte Red Bulls Teamchef Christian Horner gesagt, dass es noch zu früh sei für die Einführung der Turbo-Motoren. Während sich Horner damit eher auf die sportliche Seite bezog, sprach Jackie Stewart nun einen anderen Kritikpunkt an. "Ich glaube, dass die Kosten, die diese Technik verschlingt, im Augenblick einer globalen Finanzkrise größer sind, als es sich die Formel 1 erlauben kann", so der dreifache Weltmeister am Rande des Australien Grand Prix gegenüber der Welt.

Effizienz heißt das neue Zauberwort in der Formel 1 - dabei fallen die extremen Kosten der Power Units gern einmal unter den Tisch. Um 50 Prozent Sprit zu sparen, mussten erst einmal hunderte Millionen in die Entwicklung der Motoren investiert werden. "Es gibt ein Missverhältnis zwischen der schwachen globalen Ökonomie und dem Anspruch der Formel 1, über das Jahr hinweg das größte TV-Ereignis der Welt zu sein", mahnte Stewart. "Ich befürchte, dass sich die Formel 1 überheben wird und dass das Publikum diese Entwicklung nicht richtig versteht, weil es an der notwendigen Aufklärung fehlt."

Argument der F1-Verantwortlichen: Die Königsklasse folgt dem Trend des Straßenverkehrs, mittels Hybridtechnik umweltbewusster und kostensparender zu arbeiten. Stewart kritisch: "Den Auftrag erfüllt sie auch. Aber nicht zu jedem Preis. Das kann auf die Dauer so nicht funktionieren."

Stewart sprach von vermeidbaren Dominoreaktionen, die die neue Technik mit sich bringe und ging dabei konkret auf den sportlichen Blickwinkel ein. Konkret meinte er den großen Zeitunterschied zwischen den einzelnen Teams - wegen der im Qualifying geltenden 107-Prozent-Regel erscheint es durchaus möglich, dass nicht alle 22 Fahrer bei jedem Rennen antreten dürfen. In Melbourne waren etwa sieben Fahrer im Q1 mindestens vier Sekunden langsamer als Lewis Hamiltons Bestzeit. Bekommen die Teams ihre Schwierigkeiten nicht schnell in den Griff, könnte weiter eine solch große Lücke klaffen und einige Piloten an der 107-Prozent-Hürde scheitern.

Laut Stewart müsse die FIA die Regeln des Qualifyings anpassen, die Formel 1 könne es sich nicht leisten, mit nur einem Teil des Feldes ins Rennen zu starten. "Ein Fahrer, der sechs Sekunden langsamer ist als das schnellste Auto, bedeutet ein enormes Sicherheitsrisiko", so der Schotte weiter. "Und wenn ich von Sicherheit in der Formel 1 spreche, meine ich die Frage nach Leben oder Tod. Ich verstehe das Problem. Ich verstehe nur nicht, dass so wenig darüber nachgedacht wird."