Er rückt die schwarze Krawatte zurecht, fährt sich noch einmal durchs Haar und drapiert sich vor einer beeindruckenden Tanne, die mit roten Weihnachtskugeln geschmückt ist. Dann ist es soweit, das rote Licht leuchtet auf, die Kamera läuft. "Mehr als einen Star zu haben, bedeutet mehr Probleme zu haben. Deshalb setzt Ferrari nur auf einen Star im Team." Die Stimme von Luca di Montezemolo wirkt ruhig, aber bestimmt, als er bei der traditionellen Ferrari-Weihnachtsfeier über die Zukunft des Rennstalls spricht. In keinem Moment seiner Rede lässt er Zweifel an seinen Worten aufkommen.

Neun Monate nach Montezemolos Weihnachtsrede verkündet Ferrari die Verpflichtung von Kimi Räikkönen. "Die Scuderia Ferrari gibt hiermit bekannt, dass das Team eine Übereinkunft mit Kimi Räikkönen getroffen hat. Der Finne wird in den nächsten beiden Jahren mit Fernando Alonso die Fahrerpaarung bilden." Exakt sieben Jahre und einen Tag nach dem ersten Wechsel des Finnen zu Ferrari steht der Traditionsrennstall vor einer neuen Zeitrechnung.

Die knappe und emotionslose Pressemitteilung lässt die immense Bedeutung der Tatsache, dass Ferrari künftig auf zwei Nummer-1-Piloten setzt, nicht im Geringsten erahnen. Ebenso wird mit keiner Silbe erwähnt, dass di Montezemolo jenes Szenario stets ausgeschlossen hatte. "Luca di Montezemolo muss sich an die eigene Nase fassen", meint Damon Hill. "Er hat immer gesagt, dass es keine zwei Nummer-1-Fahrer bei Ferrari geben wird. Doch Red Bull gewinnt einfach schon zu lange, Ferrari musste handeln."

Immerhin gewann Kimi Räikkönen 2007 den Fahrertitel für Ferrari, seitdem wartet die Scuderia vergebens auf einen weiteren WM-Erfolg. "Die Leistungen von Fernando und Felipe in allen Ehren, aber die Verpflichtung von Kimi wird Ferrari einen Schub geben", ist David Coulthard überzeugt. Auf dem Papier ist Ferraris Rückholaktion nachvollziehbar oder besser gesagt ein cleverer Schachzug. "Jeder weiß, dass beide großartige Rennfahrer sind. Wenn zwei Fahrer die Weiterentwicklung des Teams antreiben, schafft dies eine gute Ausgangslage", weiß Coulthard. Mit zwei heißen Eisen im WM-Feuer lässt es sich eben leichter gewinnen, vor allem den Konstrukteurs-Titel, der dem Team ca. 100 Millionen Euro einbringt.

Das Duell 2014: Alonso vs. Räikkönen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH
Das Duell 2014: Alonso vs. Räikkönen, Foto: adrivo Sportpresse GmbH

Aus diesem Grund hätte sich auch Niki Lauda auf Räikkönen gestürzt. "Dass Ferrari seit Jahren stagniert, ist bekannt. Es wird ihnen einen richten Schub geben, es in dieser Situation mit einem Fahrerwechsel zu probieren und einer Ausnahmeerscheinung wie Räikkönen", ist der Ex-Ferrari-Pilot überzeugt. Im Kampf um den Titel gegen starke Gegner wie Red Bull oder Mercedes kann sich Ferrari keine Schwachstelle leisten - wie zuletzt in Person von Felipe Massa. "Ein Team wie Ferrari muss gewinnen und dieses Jahr waren sie einfach nicht gut genug. Kimi wird Massas Defizit begleichen, auch wenn es Fernando bestimmt nicht gefallen wird, einen Fahrer mit einem derartigen Status an seiner Seite zu haben", meint Sir Jackie Stewart.

Die Paarung Räikkönen/Alonso gilt durchaus als explosiv, Erinnerungen an die Rivalität zwischen Ayrton Senna und Alain Prost werden wach, weshalb Jacques Villeneuve urteilte: "Ferrari ist völlig verrückt, Räikkönen zurück zu holen." Vielleicht ist es tatsächlich verrückt, Ironie des Schicksals ist auf jeden Fall.

Leidenschaft und Emotion waren es, die Räikkönen Ende 2009 sein Ferrari-Cockpit gekostet haben. Ein spanischer Matador mit dem unbändigen Willen zu gewinnen, passte einfach besser zu Ferrari als der Iceman mit dem Leitspruch "I don't know". Mit Alonso schien Ferrari den perfekten Deckel für seinen Topf gefunden zu haben, doch in den vergangenen Monaten musste das Team erkennen, dass Alonsos konträrer Charakter zu Räikkönen auch seine Tücken hat. "Wenn auf ihm viel Druck lastet, gibt es auch eine andere Seite an Fernando, die recht zerstörerisch sein kann. Das haben wir bei McLaren gesehen und jetzt bei Ferrari, als er mit dem Auto nicht glücklich war", erklärt Johnny Herbert.

Und hier kommt die Ironie ins Spiel, denn Alonsos emotionale Ausbrüche aufgrund der mangelnden Konkurrenzfähigkeit seines Boliden führten zu einer emotionalen Reaktion seitens des Teams. "Alonso hat einen großen Fehler begangen, als er anfing, sich über Ferrari zu beschweren und herum zu streiten. Damit hat er Ferrari praktisch gezwungen, sich nach Alternativen umzuschauen, während er selbst keine hatte", sagt Jean Alesi dem Motorsport-Magazin. "Ich weiß aus meiner Zeit dort, dass man Ferrari nicht kritisieren darf. Selbst Alain Prost durfte das nicht - und ist dafür sogar gefeuert worden. So große Teams können es sich nicht leisten, dass Fahrer ihr Image beschädigen." Und damit war die Tür für Räikkönen geöffnet.

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