Ist Daniel Ricciardos Aufstieg zu Red Bull eine Bestätigung für eure Arbeit?
Franz Tost: Auf jeden Fall wird die Arbeit von Toro Rosso dadurch bestätigt. Es freut uns natürlich, wenn einer unserer Fahrer ausgewählt wird. Ich bin überzeugt, dass Daniel gute Leistungen zeigen wird. Alles andere wird die Zukunft zeigen.

Sie sind das Red-Bull-Ausbildungsteam, aber ist es trotzdem frustrierend, dass sie die gesamte Aufbauarbeit leisten und ihnen die Fahrer dann weggenommen werden? Sie hatten vor einiger Zeit gesagt, dass sie Daniel gerne behalten hätten?
Franz Tost: Ich hätte ihn gern behalten, aber es ist nicht frustrierend, denn das ist unsere Philosophie. Wenn man das bedenkt, ist es nicht so unbefriedigend.

Worin sehen Sie die Stärken des Teams, junge Fahrer an die Formel 1 heranzuführen? Das ist ja bereits mit Sebastian [Vettel] gelungen?
Franz Tost: Wenn man sich junge Fahrer ins Team holt, bedeutet das immer intensive Arbeit, weil man sich mit dem Thema auseinandersetzen muss. Seien es nun das physikalische Training, Ernährungsfragen oder die Einführung in Überseerennen mit Jetlag und allem anderen was dazugehört. Es gilt auch, sich intensiv mit einem Fahrer auseinanderzusetzen, wenn er zum ersten Mal an eine neue Strecke kommt. Ob das nun Input-Studien oder Simulatorarbeit ist, der Aufwand ist sehr groß. Darum muss sich ein Team mit erfahrenen Piloten nicht mehr kümmern.

Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo scheinen den gleichen Humor zu haben, Foto: Sutton
Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo scheinen den gleichen Humor zu haben, Foto: Sutton

Wie würde Ihr Vergleich zwischen Sebastian und Daniel ausfallen?
Franz Tost: Ich vergleiche Fahrer untereinander eigentlich sehr ungern oder stelle ihre Vor- oder Nachteile heraus. Wichtig ist die Entwicklung des Fahrers, denn er bleibt nicht auf dem Stand, mit dem er Toro Rosso verlassen hat. Bei einem Top-Team warten ganz andere Herausforderungen und entscheidend ist, wie er sich unter diesem Gesichtspunkt weiterentwickelt.

Wenn Sie nicht direkt die Schwächen oder Stärken vergleichen wollen; Haben die beiden Gemeinsamkeiten?
Franz Tost: Sie sind beide sehr talentiert und mit voller Hingabe bei ihrer Arbeit. Das wird Daniel in der Zukunft bei Red Bull sehr helfen.

Damit ist bei Toro Rosso ein Platz frei; vielleicht für Antonio Felix da Costa?
Franz Tost: Bezüglich der Fahrerpaarung für das kommende Jahr ist noch keine Entscheidung getroffen. Wir müssen abwarten, in welche Richtung sich Red Bull orientiert. Es sind noch einige Rennen zu fahren, also gilt es abzuwarten.

Aber er würde in das Schema des Teams passen?
Franz Tost: Es ist nicht wichtig, ob er ins Schema passen würde, sondern dass er zu Red Bull passt. Wenn er talentiert ist und die richtige Einstellung mitbringt, ist mir jeder Fahrer recht.

Gab es einmal einen Fahrer im Programm, vom dem sie nicht begeistert waren?
Franz Tost: Das entscheide nicht ich, das entscheidet der Fahrer selbst. Ich sagte bereits vorher: Ein Fahrer, der Leistung zeigt und sich entwickelt, findet bei mir immer ein offenes Ohr. Wenn die Leistung nicht überzeugt, liegt es wiederrum an Red Bull, ihn aus dem Programm zu entlassen.

Wie viel Geduld haben sie bei diesem Entwicklungs- und Leistungsprozess?
Franz Tost: Ich bin ein sehr geduldiger Mensch - das muss ich aber auch sein.

Wird man mit der Zeit eher geduldiger, oder wird es im Gegenzug schwieriger?
Franz Tost: Ich glaube, mit der Zeit bekommt man eher mehr Geduld, da man erkennt, wie schwierig die Materie ist - die Formel 1 ist nun einmal die höchste Klasse des Motorsports und wird immer komplexer. Das steigert sich im kommenden Jahr durch das neue Reglement und die technischen Änderungen nochmals. In diesem Fall kann man nicht erwarten, dass ein junger Fahrer sofort alles weiß. Derartige Erwartungen darf man zu Beginn nicht haben.

Glauben Sie, dass junge Fahrer es heutzutage schwerer haben im Vergleich zu den Zeiten, als es noch viele Testfahrten und Möglichkeiten gab?
Franz Tost: Die Testfahrten haben damals den Fahrern geholfen, mit der Materie Formel 1 schneller vertraut zu werden. Da aktuell aber niemand mehr testen darf, ist die Situation für alle gleich. Alle Fahrer haben die gleichen Voraussetzungen.

Antonio Felix da Costa gilt als Kandidat für ein Cockpit bei Toro Rosso, Foto: Sutton
Antonio Felix da Costa gilt als Kandidat für ein Cockpit bei Toro Rosso, Foto: Sutton

Kamen nicht Fahrer wie ein Sebastian Vettel oder ein Lewis Hamilton deutlich vorbereiteter in die Formel 1, als junge Fahrer, die ohne Tests reinspringen?
Franz Tost: Diese beiden Fahrer haben schon von den Tests profitiert. Sebastian Vettel hat mit BMW sehr viele Testfahrten absolviert und das hat natürlich geholfen. Da heutzutage keiner der jungen Fahrer testen darf, sind alle auf demselben Level. Natürlich dauert es dadurch etwas länger. Aus diesem Grund spreche ich immer von drei Jahren. Vor zehn Jahren konnte man mit einem Fahrer nach einem Rennen drei Tage testen. Dadurch konnte er mehr Kilometer und ebenso mehr Erfahrung sammeln und sich schneller an die Materie gewöhnen.

Wäre eine Regelung, dass beispielsweise in jedem Freien Training ein junger Fahrer verpflichtend fahren muss, sinnvoll?
Franz Tost: Es sollte kein Muss sein. Es sollte im Blick behalten werden, dass die Teams verschiedene Programme haben, aber ich denke, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Im kommenden Jahr wird es gestattet, dass die Teams die erste Stunde des ersten Freien Trainings einen anderen Fahrer einsetzen können - das würde den Fahrern sehr helfen, um zumindest die Strecken und die Teamarbeit kennenzulernen. Sollte einer dieser Piloten im Jahr darauf in der Formel 1 fahren, steht er nicht vor einer vollkommen neuen Herausforderung, sondern ist bereits mit der Materie vertraut.

Aber die Top-5-Teams werden das vermutlich auch im kommenden Jahr nicht machen. Wie sehe es aus, wenn es eine Verpflichtung gäbe?
Franz Tost: Es ist immer dasselbe: Die großen Teams werden keine Neulinge einsetzen. Junge Fahrer kommen in Teams, die meist im Mittelfeld platziert sind, und werden dort ausgebildet. Wenn sie daraufhin Leistung zeigen, kommen sie in ein Top-Team - das war schon immer so.

Wie gehen Sie an die neue Regelung heran? Lassen Sie einen ihrer jetzigen GP3-Fahrer dann für eine Stunde ins Auto?
Franz Tost: Das ist schon eine Überlegung. Die Philosophie von Toro Rosso ist es, junge Leute auszubilden. Ob ein Carlos Sainz junior, ein Antonio Felix da Costa oder ein Daniil Kwjat - das sind alles unsere Fahrer. Über einen Einsatz wird Red Bull entscheiden.