Ende letzten Jahres hat ein ganz großer die große Bühne der Formel 1 verlassen. Nach 22 Jahren als Motorsportchef von Mercedes-Benz beendete Norbert Haug seine Karriere in der Königsklasse. Doch auch in seinem ersten Jahr als Zuschauer verfolgt er den Rennzirkus natürlich ganz genau. Und so kommt er natürlich auch nicht umher, ein Wort über die aktuelle Saison und Dominator Sebastian Vettel zu verlieren. "Er hat es verdient", machte er seinen Standpunkt schnell klar. Kritik, wonach der Heppenheimer nur wegen des überlegenen Materials zu seinem vierten Titel in Folge fahren würde, lässt Haug nicht gelten.

"Es ist immer die Kombination: Man braucht ein gutes Auto. Aber es soll niemand denken, dass Mark Webber nicht ein guter Fahrer sei, er ist ein sehr guter Fahrer, aber Sebastian kann immer noch einen oben drauf setzten. Der Kerl ist der Hammer!" Vor allem Aussagen, in denen ein anderer Pilot als "Der beste Fahrer" bezeichnet wird, bringen den ehemaligen Journalisten auf die Palme. "Das stimmt überhaupt nicht, er [Vettel] ist ganz klar der Beste, macht am wenigsten Politik, lässt sich auch nicht ablenken, arbeitet am meisten, ist im Simulator und motiviert sein Team", so Haug im Bayerischen Rundfunk.

Es seien auch die kleinen Gesten, wie das Begrüßen jedes einzelnen Mechanikers, die ihn bei Vettel an Michael Schumacher erinnern. Auch der Grund, weshalb Vettel im derzeit besten Auto sitzt, ist eine Parallele zum Rekordweltmeister: "Er hat geholfen, das Auto das er hat, dahin mit zu entwickeln und deshalb geht es vollkommen in Ordnung." Sein ehemaliges Team Mercedes sieht er auf einem sehr guten Weg, im nächsten Jahr geht er auch fest davon aus, dass die Silberpfeile um die Weltmeisterschaft kämpfen werden, die Weichen seien gestellt. "Aber jetzt muss man nicht in die Zukunft schauen, sondern die Gegenwart beurteilen und da sind sie [Red Bull und Sebastian Vettel] mit Abstand die Besten."

Dabei verrät der 60-Jährige, dass es fast nicht zur Traumehe zwischen Vettel und Red Bull gekommen wäre, der Heppenheimer sei auf dem Weg zu Mercedes gewesen. "Es hätte sich fast mal entwickelt, aber hätte, wäre, wenn gibt es in der Formel 1 nicht. Wir haben sehr intensive Gespräche geführt, aber Red Bull hat in aufgebaut. Dass er jetzt bei Red Bull Racing fährt ist die logische Konsequenz." Aber nicht alles, was der 26-Jährige macht, ist perfekt. Kritik übt Haug am vielzitierten Eier-Spruch. "Ganz ehrlich: ich weiß nicht, ob das sein bester Spruch war."

Mercedes hatte großes Interesse an Sebastian Vettel, Foto: adrivo sportpresse
Mercedes hatte großes Interesse an Sebastian Vettel, Foto: adrivo sportpresse

Physiognomisch könne er sich das ohnehin nicht wirklich vorstellen, was Vettel damit ausdrücken wollte hingegen schon. Inhaltlich findet der Schwarzwälder die Aussage aber auch nicht richtig, dafür freute er sich über die Reaktion seines ehemaligen Piloten. "Ich finde es auch gut, dass Nico [Rosberg] gesagt hat: "Moment mal, unsere Jungs arbeiten ganz hart." Und ich weiß auch, was bei diesem vergleichsweise noch kleinen Mercedes Team gearbeitet wird und dass da Vollgas gegeben wird. Da hat Nico seine Jungs verteidigt und das ist vollkommen richtig."

Pfiffe, die Vettel bei vergangenen Rennen auf dem Podium begleiteten, kann Haug gar nichts abgewinnen. "Ich habe mir angewöhnt manche Dinge im Leben noch nicht einmal zu ignorieren, dazu gehören die Buhrufe." Als Außenstehender könne er die Leistungen Vettels vollkommen unvoreingenommen bewerten und fände keinerlei Kritikpunkt. "Wir kennen ihn und ich habe größten Respekt vor dem, was er macht - und Michael Schumacher übrigens auch."

Haug findet nicht nur für den bald vierfachen Weltmeister lobende Worte, auch die Arbeit von Red Bull hat es ihm angetan. "Sebastian wäre der erste, der dort weg wäre, wenn er sich nicht wohl fühlen würde. Er würde auch Wege finden, aber ich kann sagen: Dietrich Mateschitz und die ganze Truppe haben das sehr gut in die Wege geleitet." Den Vorwurf, Red Bull würde nur wegen des größten Budgets die Königsklasse dominieren, lässt er nicht gelten. "Titel in der Formel 1 gibt es nicht bei Postwurfsendungen. Auch wenn man Geld hat gewinnt man nicht automatisch Titel. Da gibt es Autohersteller, die sehr viel Geld hatten und nicht viel gewonnen haben." Mercedes sei davon aber ausdrücklich nicht gemeint, schließlich würden die Stuttgarter konsequent auf geringe Kosten des Formel-1-Teams achten.