Noch am Samstag hatte Nico Rosberg im Anschluss an die Qualifikation verkündet: "Mein Ziel für morgen ist wie immer Platz eins - der Sieg ist hier aber leider unrealistisch." Wohl selten hatte sich der Deutsche so gerne geirrt wie in Silverstone. 30. Juni 2013, Sonntagnachmittag, 14:36 Ortszeit: Nico Rosberg gewinnt den Großen Preis von Großbritannien und sichert sich den dritten Formel-1-Sieg seiner Karriere, den zweiten in dieser Saison, gewann der Wahl-Monegasse doch Ende Mai auch schon in den Häuserschluchten Monte Carlos. Sein Triumph auf der Insel sollte dem letzten jedoch in nichts nachstehen, vor allem nicht in Sachen Dramatik. "Es ist fantastisch. Das ist ein ganz besonderer Tag, denn unser Werk hier ist ganz in der Nähe", jubelte Rosberg auf dem Podium, welches er nach 52 turbulenten Rennrunden als Erster besteigen durfte.

Den Dank richtete der Sieger gleichwohl an sein Team. "Von ihnen war es heute wieder ein ganz toller Job. Schon die ganze Saison lang haben wir dieses Jahr einfach diesen Schwung. Wir sind immer sehr schnell in der Qualifikation." Was Rosberg aber noch mehr freute: "Heute hatten wir auch im Rennen das schnellste Auto." Für ihn machte es sein dritter F1-Sieg zu einem ganz speziellen Tag. "Den Sieg widme ich dem Team und den Kollegen, die hier im Werk arbeiten... viele von ihnen waren heute ja auch hier an der Strecke", strahlte Rosberg stolz. Zu sehen bekamen die Mercedes-Mitarbeiter vor Ort aber nicht nur einen Silberpfeil-Sieg, sondern auch einen spektakulären Reifenplatzer beim in Führung liegenden Lewis Hamilton. "Für Lewis tut es mir leid und für die britischen Fans natürlich auch", meinte Rosberg mit Blick auf seinen Teamkollegen.

Keine Chance gegen Vettel

Der Moment des Erfolgs: Rosberg gewinnt in Großbritannien, Foto: Sutton
Der Moment des Erfolgs: Rosberg gewinnt in Großbritannien, Foto: Sutton

"Es wäre sicher ein tolles Rennen für ihn geworden und natürlich ist die Enttäuschung bei ihm nun groß, aber so ist der Rennsport eben manchmal", spendete Rosberg Trost. Die harte Seite des Motorsports musste am Sonntag auch Landsmann Sebastian Vettel erfahren, der auf dem Weg zum Sieg von einem Getriebeproblem ausgebremst wurde. "Darüber, dass Seb stoppen musste, war ich natürlich nicht so enttäuscht", so Rosberg, der einräumte, dass er Vettel in den letzten elf Runden auf der Strecke wohl nicht mehr hätte abfangen können. "Ihn hätte ich nicht mehr geknackt. Zwar war ich schnell unterwegs und vielleicht auch einen Tick schneller als er, aber geschafft hätte ich es trotzdem nicht", glaubte der Wiesbadener. Der Grund für diese Annahme: "Näher als eine oder anderthalb Sekunden bin ich nie an ihn rangekommen - also wäre es nicht möglich gewesen, denn Rankommen ist eine Sache... Überholen aber eine ganz andere."

Nachdem Vettel ausgerollt war, hatte Rosberg den Sieg bereits zum Greifen nah vor Augen. Doch in trockenen Tüchern sei deshalb noch lange nichts gewesen. Dass das Safety-Car wegen des gestrandeten Red Bulls auf die Strecke kam, habe Rosberg immens geholfen, denn der Deutsche verriet, dass sein Reifensatz just in diesem Moment am Ende gewesen sei. "Nach dem Stopp lief es dann großartig für mich, aber davor hatte auch ich ein Reifenproblem und wir hatten wirklich Glück mit der Safety-Car-Phase", räumte der Silverstone-Triumphator ein. Die Reifenproblematik stufte Rosberg derweil als besorgniserregend ein. "Der Sieg war vor diesem Hintergrund ein Zittern bis ins Ziel. Bei jeder Vibration habe ich gedacht: 'Oh ne, jetzt habe ich auch einen Reifenschaden.' Mit den Reifen war es heute nicht in Ordnung", kritisierte Rosberg.

Freundin Vivien versuchte sich als Party-Organisatorin, Foto: Sutton
Freundin Vivien versuchte sich als Party-Organisatorin, Foto: Sutton

Er forderte vom Hersteller Pirelli: "Das war heute ein Chaos und sie müssen das schleunigst analysieren und verbessern. Dass Reifen so hochgehen, ist ein enormes Risiko." Auch auf das Fahren habe sich das Gummi-Drama um den ein oder anderen seiner Kollegen signifikant ausgewirkt, da man ihm via Funk von der Box genaue Instruktionen gegeben habe, was er noch machen dürfe und was nicht. "Ich durfte nicht mehr über die Kerbs fahren und das Problem war ja, dass wir nicht wussten, warum diese Reifenschäden auftreten, sprich ob es die Belastung in den Kurven oder wirklich die Kerbs selbst waren." Gerade im Schlussspurt habe das Nerven gekostet, da von hinten mit Mark Webber ein schnelles Auto heranstürmte. "Mit Mark war es wirklich ein Spiel. Ich musste gucken, dass er nicht zu nah rankommt, dabei aber auch auf die Reifen aufpassen. Am Ende ist es sich ausgegangen", strahlte Rosberg.

Nico & die Camper

Nun sei er einfach nur erleichtert über den aus seiner Sicht phänomenalen Rennausgang. Am Donnerstag hatte Rosberg Geburtstag, seinen 28. - im Fahrerlager von Silverstone hatte er diesen am Vorabend des Rennens mit ein paar Kollegen und Freunden sogar noch gefeiert. Von einem großen Kater war am nächsten Tag aber augenscheinlich keine Spur - ganz im Gegenteil, machte sich Rosberg mit seiner Siegesfahrt sein schönstes Geburtstagsgeschenk doch selbst. "Es war wirklich ein super Wochenende. Alle Fahrer campen hier und gestern hat meine Freundin für mich dann noch eine Überraschungsgeburtstagsparty organisiert." Einziges Manko: "Während alle anderen Würstchen und Fleisch essen konnten, saß ich da, strikt nach Plan, mit einem Teller Pasta ohne alles - Nudeln ohne Soße, wenn man so will..."

Mit dem Siegerpokal vom Sonntag im Schrank dürfte Rosberg das Hungergefühl aber wohl bestens verschmerzen können - zumal das nächste Highlight schon direkt vor der Türe steht. "Jetzt geht es zum Nürburgring. Das heißt, es geht vom Heimrennen des Teams zu meinem Heimrennen, beziehungsweise meinem zweiten, denn der Monaco Grand Prix war ja auch schon so etwas für mich", freute sich Rosberg. "Ich bin sehr stolz als Deutscher einen Silberpfeil zu fahren, und das jetzt auch noch in der Heimat. Dort hoffe ich natürlich erneut auf ein Top-Ergebnis", stellte der 28-Jährige klar, dass sein Siegeshunger noch lange nicht gestillt sei. Von einem Wendepunkt in der WM wollte Rosberg aber trotz des Höhenflugs noch nicht sprechen. Er wollte nur auf das Rennen selbst blicken. "Und da muss man feststellen, dass das Team toll gearbeitet hat, wir die Reifen jetzt schonen und somit auch gewinnen können - das finde ich toll."

Podiumsfahrer unter sich: Rosberg, Alonso & Webber, Foto: Sutton
Podiumsfahrer unter sich: Rosberg, Alonso & Webber, Foto: Sutton

Lob für seine Leistung erhielt Rosberg derweil auch von den Verantwortlichen bei Mercedes. Teamchef Ross Brawn musste nach dem Grand Prix vor seinen Landsleuten erst einmal tief durchatmen. "Das war ein intensives und spannendes Rennen", sagte der Brite. "Zwar hatten wir mit Lewis etwas Pech, mit Sebastians Ausfall dann aber Glück - so gleicht sich alles aus", resümierte Brwan. Lob gab es vom Teamchef für beide Silberpfeil-Fahrer: "Sie sind fantastisch gefahren. Nicht nur Nico, sondern auch Lewis, denn sein Auto war ganz schön kaputt und er hat sich trotzdem zurückgekämpft." Toto Wolff fügte an: "Eine Megaleistung von beiden - Lewis hat das Rennen dominiert, nun ist er undankbarer Vierter, was schade ist, denn es wäre wohl sein Rennen geworden." Zum Glück habe man jedoch zwei schnelle Piloten, so Wolff, der froh war, dass am Ende Rosberg die Kartoffeln aus dem Feuer holte.