Wie sieht das Urteil des FIA International Tribunal aus?

Sieben Stunden lang legten Pirelli, die FIA, Mercedes und sogar Red Bull ihre Beweise vor, einen Tag später kam das Urteil des FIA International Tribunal:

1. Mercedes wird verwarnt
2. Mercedes wird vom kommenden, dreitägigen Young Driver Test ausgeschlossen (17.-19. Juli in Silverstone)
3. Mercedes muss laut Artikel 13.2 JDR ein Drittel der Untersuchungs- und Anwaltskosten tragen, mit Ausnahme der FIA-Kosten
4. Pirelli wird verwarnt
5. Pirelli muss laut Artikel 13.2 JDR ein Drittel der Untersuchungs- und Anwaltskosten tragen, mit Ausnahme der FIA-Kosten
6. Die FIA muss laut Artikel 13.2 JDR ein Drittel der Untersuchungs- und Anwaltskosten tragen sowie all ihre eigenen Kosten
7. Weitere Schlussfolgerungen werden abgelehnt.

Warum wurde Mercedes bestraft?

Das FIA International Tribunal kam zu dem Schluss, dass sich Mercedes bei seinem dreitägigen Reifentest für Pirelli (15.-17. Mai auf dem Circuit de Catalunya) einen "unfairen, sportlichen Vorteil" verschafft und damit die Regeln gebrochen hat. Das sportliche Reglement der FIA verbietet (mit wenigen, streng limitierten Ausnahmen) Testfahrten während der Saison. Aus diesem Grund wurde Mercedes verwarnt und von den Young Driver Tests ausgeschlossen. Eine schlimmere Strafe (bis zum Punktabzug oder Rauswurf aus der Weltmeisterschaft) sprach das Tribunal nicht aus, weil Mercedes keine Absicht nachzuweisen war.

In der 20-seitigen Urteilsbegründung hieß es: "Weder Pirelli noch Mercedes verfolgten eine böswillige Absicht. Pirelli und Mercedes haben die FIA über ihre Absicht in Verbindung mit dem Test in Kenntnis gesetzt und die Erlaubnis erhalten. Mercedes hatte keinen Grund, anzunehmen, dass das Einverständnis nicht galt."

Warum wurde Pirelli nur verwarnt?

Als Reifenhersteller ist Pirelli kein eingeschriebener Wettbewerber der FIA Formel-1-Weltmeisterschaft. Bereits in der Anhörung am Donnerstag pochte die Pirelli-Anwältin darauf, dass die FIA ihren Mandanten ausschließlich zivilrechtlich belangen könne. Pirelli wies dabei daraufhin, dass alle elf Formel-1-Teams Kunden des Reifenlieferanten seien und dieser keinerlei Grund habe, einen zu bevorzugen.

Pirelli kam mit einer Verwarnung davon, Foto: Sutton
Pirelli kam mit einer Verwarnung davon, Foto: Sutton

Gleichzeitig kamen die Richter zu der Überzeugung, dass Pirelli ebenso wie Mercedes gegen die Artikel 1 und 151 des Internationalen Sporting Codes verstoßen hat, indem sie die anderen Teams nicht über den Test informierten und sensible Daten Mercedes verfügbar machten - selbst da dem Team die einzelnen Reifenspezifikationen nicht bekannt waren. Ebenso habe Mercedes einen "unfairen sportlichen Vorteil" im Wissen von Pirelli erworben.

Wird Mercedes in Berufung gehen?

Den beteiligten Parteien steht nach den Regeln des FIA International Tribunal das Recht zu, das Urteil der Richter vor dem International Court of Appeal, dem FIA-Berufungsgericht, anzufechten und in Berufung zu gehen. Mercedes lehnte diesen Weg in einer Stellungnahme direkt nach der Bekanntgabe des Urteils ab.

"Das MERCEDES AMG PETRONAS Formel-1-Team nimmt die heutige Entscheidung des FIA International Tribunals zur Kenntnis und akzeptiert diese", teilte Mercedes mit. "Mercedes akzeptiert das Strafmaß einer Verwarnung und einer Nichtteilnahme am bevorstehenden Young Driver Test, die das Tribunal entschieden hat. Im Interesse des Sports wird das Team nicht von seinem Recht der Berufung gegen diese Entscheidung Gebrauch machen."

Welche Rolle spielte Charlie Whiting?

Charlie Whiting musste viele Fragen beantworten, Foto: Sutton
Charlie Whiting musste viele Fragen beantworten, Foto: Sutton

Charlie Whiting war in der Test-Causa das Zünglein an der Waage, denn der FIA-Renndirektor hatte Mercedes die Erlaubnis für den Test erteilt. Das konnte Mercedes mit E-Mails belegen. "Wir alle verlassen uns auf seine Meinung", betonte Mercedes-Teamchef Ross Brawn während des Tribunals. Doch für FIA-Ankläger Howard war Whitings Aussage keine Erlaubnis, weil er dazu auch gar nicht befugt war, sondern lediglich seine persönliche Auslegung der Regeln.

Das Internationale FIA-Tribunal kam zu dem Schluss, dass sich Charlie Whiting korrekt verhalten hat. In der Theorie hätte ein aktuelles Auto zu Testzwecken eingesetzt werden dürfen - unter der Voraussetzung, dass diese Gelegenheit allen Teams angeboten wird. "Charlie Whiting hat den Rat eines FIA-Anwalts eingeholt und somit in bester Absicht gehandelt", lautete die Erklärung des Tribunals.

Wie reagierte Red Bull auf das Urteil?

"Dem Tribunal wurden gestern auf faire Art und Weise alle Fakten präsentiert und es hat eine Entscheidung getroffen", sagte Teamchef Christian Horner. "Wir haben Protest eingelegt, weil wir Klarheit darüber wollten, ob man während der Saison mit einem aktuellen Auto testen darf oder nicht und glaubten, es handelte sich um einen Regelverstoß."

Nach dem Urteilsspruch würde nun die erhoffte Klarheit bestehen. Das Strafmaß - der Ausschluss bei den Young Driver Tests - erachtete Horner bereits kurz nach dem Tribunal nicht als ausreichend. "Mercedes hat seinen Test bereits absolviert, noch dazu mit den Stammfahrern. Eine Verbannung wäre somit keine großartige Strafe", stellte der Brite klar. Auch Helmut Marko sieht die Straße als zu milde an. "Das ist nicht das Urteil, was wir erwartet haben. Wir hatten mit einer weitaus schärferen Strafe gerechnet", gab der Österreicher schonungslos zu. Immerhin hatte Red Bull die FIA mit Informationen versorgt, die belegen sollten, was Mercedes aus dem Test gelernt hat.

Warum war der Ferrari-Test legal?

Mercedes-Anwalt Paul Harris hatte in seiner Verteidigung vor dem Tribunal am Donnerstag immer wieder den Ferrari-Test ins Spiel gebracht. Doch das Internationale Tribunal geht davon aus, dass bei Ferrari alles regelkonform ablief. Für einen gegenteiligen Rückschluss gäbe es keine Beweise.

"Das Tribunal ist nicht in der Lage, ein Urteil darüber abzugeben, ob der Ferrari-Test von 2012 und 2013 autorisiert war oder nicht. Das Tribunal geht davon aus, dass der Test im Konsens mit Charlie Whiting geschehen ist. Es liegen dem Tribunal keine Indizien vor, die darauf schließen lassen, dass die Meinung des Tribunals falsch ist", hieß es in einem 20-seitigen Dokument.

Was sind die Folgen des Urteils?

Die FIA hat ihre Lektion aus Reifen-Test-Gate und dem FIA-Tribunal gelernt. Künftig will der Weltverband härter durchgreifen, damit nicht mehr diskutiert werden kann, ob ein Regelverstoß vorliegt oder nicht. "Die FIA wird gemeinsam mit allen F1-Teams sicherstellen, dass die Testfahrten strenger kontrolliert werden", hieß es in einer offiziellen Stellungnahme. Um künftig auch Pirelli bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, will die FIA zusammen mit Mercedes und den anderen Teams enger zusammenarbeiten, um eine bessere Testlösung zu finden.