Ein Rennen mit einem Fixpunkt: Sebastian Vettel - Du hattest zwar gestern angedeutet, dass das möglich wäre, aber hättest Du es so deutlich erwartet?
Christian Danner: Na ja, ich freue mich ja wirklich, wenn der Sebastian gewinnt - aber eines muss man schon sagen: wie überlegen Red Bull im Moment wieder alles beherrscht, das ist schon enorm, man könnte fast sagen, beängstigend. Wenn Mark Webber am Ende mit einem beschädigten Auto und ohne Not die schnellste Rennrunde fahren kann, schneller als zum Beispiel Fernando Alonso, der ja noch richtig Druck machen musste, dann sagt das ja schon sehr viel. Sicher, wenn Alonso von weiter vorne gestartet wäre, hätte er vielleicht ein bisschen näher an Sebastian dranbleiben können, aber eine Chance, zu gewinnen, hätte er wohl nie gehabt. Denn man muss ja sehen, dass Sebastian zumindest ab Hälfte des Rennens mit Sicherheit nicht mehr am Limit war...

Warum wird dann Mark Webber, der ja sogar vor Alonso gestartet ist, nur Vierter?
Christian Danner: Weil er mal wieder irgendwie im Verkehr zu viel Zeit verloren hat...

Kimi Räikkönen hat ja ein totales Desaster erlebt...
Christian Danner: Das kann man so sagen, da hat wirklich überhaupt nicht gepasst. Sicher, es gab wohl auch noch ein paar extra Probleme, mit den Bremsen oder dem verpatzten Boxenstopp - aber grundsätzlich scheint Lotus den Vorteil des deutlich besseren Umgangs mit den Reifen nicht mehr zu haben - und damit fällt für die natürlich ein ganz wichtiger Faktor in ihrem Konzept weg. Eines ist klar: So kann man nicht bis zum Ende um den WM-Titel nachlegen, da muss jetzt ganz schnell ein Schritt nach vorne kommen, sonst ist Red Bull mit deren momentaner Form sehr bald außer Reichweite.

Was sagst Du zu Mercedes?
Christian Danner: Das war eine sehr gute und solide Leistung, sicher, die waren nicht ganz so schnell wie Red Bull und den Fernando muss man bei der Betrachtung auch ein bisschen außen vor lassen, aber ansonsten doch richtig ordentlich dabei. Gerade im Vergleich zu dem, was wir noch in Bahrain oder Barcelona gesehen haben, ist das doch ein deutlicher Sprung nach vorne. Bei Nico war es sicher nicht optimal, ihn noch mal mit einem weichen Satz Reifen raus zu schicken beim ersten Boxenstopp, das hat ihn einige Zeit gekostet, sonst wäre er auch deutlich näher dran gewesen.

Lotus hängt der Konkurrenz hinterher, Foto: Sutton
Lotus hängt der Konkurrenz hinterher, Foto: Sutton

War Adrian Sutil an seinem nicht optimalen Rennen zum Teil auch selbst schuld?
Christian Danner: Also der Dreher bei dem Überholversuch gegen Bottas geht schon auf seine Kappe, die haben sich ja nicht einmal berührt. Dadurch ist er dann halt in die Nähe von Maldonado geraten - und wenn man dem zu nahe ist, wird es immer gefährlich, dass man dann was abbekommt. Die Situation mit den blauen Flaggen und der Strafe kann ich nicht beurteilen, das war ja nicht zu sehen, ob und wie lange er da wirklich die anderen aufgehalten hat. Es ist natürlich schade für ihn, dass er da noch mal zwei Plätze verloren hat, nachdem er sich wieder so weit vorgekämpft hatte, und das Auto war wirklich schnell, wie man auch bei di Resta gesehen hat. Andererseits ist es auch erstaunlich, dass man mit so einem Rennen überhaupt noch einen Punkt holt...

Was ist dein Kanada-Fazit?
Christian Danner: Grundsätzlich kann man sehen, dass sich jetzt, zur Saisonmitte, die Dinge wieder eindeutig stabilisiert haben. Diejenigen, die mit dem meisten Geld die Sache angehen, sind vorne - hier vielleicht mit den kleinen Ausnahmen, dass Kimi etwas langsamer war als sonst und di Resta und letztlich auch Sutil etwas schneller. Aber die Grundtendenz ist da - und die wird sich in den nächsten Rennen eher noch verstärken. Die Großen werden sich weiter von den Kleinen absetzen - lediglich Toro Rosso scheint ein bisschen weiter vor zu kommen, während es bei Sauber und Williams schon ziemlich düster aussieht.

Was erwartest Du von Silverstone in drei Wochen?
Christian Danner: Dass wir bis dahin wohl zum Glück eine Entscheidung zu dem ganzen Reifentest-Theater haben und damit dann endlich Ruhe ist. Außerdem ist Silverstone das Rennen, bei dem sich die Engländer wieder alle damit brüsten können, die Formel 1 und den Motorsport überhaupt erfunden zu haben. Na ja, sie haben ja nicht unrecht - trotzdem finde ich, dass zumindest das neue Silverstone ein ziemlicher Horror ist. Die gleichen Probleme wie früher, um da hin- und wegzukommen, dazu jetzt noch dieser komische neue Paddock- und Boxenkomplex. Früher war das wenigstens im Infield alles besser, hat noch Tradition und Flair ausgestrahlt - eben als Symbol für die britische Rennsport-Historie. Jetzt ist es irgendwie gar nichts mehr...