Realitäts-Check für Mercedes: Beim Großen Preis von Kanada wird sich zeigen, was der Erfolg von Monaco wert war. Im Qualifying werden die Zeitfahr-Könige Nico Rosberg und Lewis Hamilton sicherlich auch in Montreal schnell sein. Anders als in Monaco wird es den Silberpfeil-Piloten im Rennen allerdings nicht gelingen, dem restlichen Feld den eigenen - langsamen - Rhythmus aufzuzwingen. Und sobald Tempo gebolzt wird, stellen sich wahrscheinlich nicht nur die Mercedes-Piloten die bange Frage: Wie lange halten das die - im Fall von Mercedes - hochsensiblen (Hinter-)Reifen aus?

Rosberg, in Monaco noch der strahlende Sieger, ist sich der Achillesferse durchaus bewusst. "Wir fahren in Kanada mit wenig Abtrieb, um auf den langen Geraden schnell zu sein. Das wird die Reifen stark beanspruchen", sagte er. Aber wer weiß, vielleicht haben die zusätzlichen Testkilometer in Barcelona die Truppe aus Brackley in Sachen Reifenmanagement nach vorne gebracht? Darüber hinaus hat Mercedes mit Lewis Hamilton einen echten Kanada-Spezialisten in seinen Reihen. Von bislang fünf Rennen auf dem Circuit Gilles Villeneuve konnte er drei gewinnen.

Härtester Konkurrent für die Silberpfeil-Piloten dürfte wie bereits in Monaco Red Bull sein - auch wenn die Strecke zu den wenigen gehört, auf denen das Weltmeisterteam noch nicht gewinnen konnte. Aber es gibt einige Gründe, die dafür sprechen, dass die Truppe aus Milton Keynes ihr Kanada-Trauma in diesem Jahr ablegt. Zum einem der Stop-and-Go-Charakter der Strecke: Aus den langsamen Kurven heraus wird eine gute Traktion benötigt - von jeher eine Stärke der Autos von Aerodynamik-Guru Adrian Newey.

Gibt es eine Neuauflage des Duells Mercedes-Red Bull, Foto: Mercedes-Benz
Gibt es eine Neuauflage des Duells Mercedes-Red Bull, Foto: Mercedes-Benz

Zudem lässt sich der Reifenverschleiß des RB9 in weniger schnell gefahrenen Kurven besser kontrollieren, wie es beispielsweise beim Sieg von Sebastian Vettel in Bahrain der Fall war. Fast am wichtigsten ist allerdings, dass der Kurs die ein oder andere Überholmöglichkeit bietet. Ein Rennverlauf wie in Monte Carlo, als Vettel und Teamkollege Mark Webber hinter den 'Silbernen Reisebussen' festhingen, ist demnach eher unwahrscheinlich. Dass die beiden Red-Bull-Piloten ein ernstes Wort um den Sieg mitreden, ist zum jetzigen Zeitpunkt deutlich realistischer.

Interessant wird sein, ob Ferraris Berg- und Talfahrt weitergeht. Bei den Roten folgte auf jedes Top-Resultat ein Leistungsabfall - und auf jeden Rückschlag antwortete Fernando Alonso mit einem Rennsieg. Gilt das Gesetz der Serie auch beim siebten Saisonrennen, müsste Ferrari wieder vorne stehen. Sorgen dürfte der Technik-Abteilung um Pat Fry aber weiterhin die Qualifying-Performance bereiten. Alonso verlor auf der Fahrerstrecke in Monaco über eine schnelle Runde knapp eine Sekunde auf die Spitze. Fraglich ist auch noch, wie sich Felipe Massa von seinem Crash-Debakel im Fürstentum wiederholt hat.

Stichwort Crash-Debakel: Lotus-Pilot Kimi Räikkönen büßte nach einem Zusammenstoß mit Sergio Perez in der Endphase des Rennens in Monaco nicht nur einen fast sicheren fünften Platz, sondern auch wichtige WM-Punkte ein. Seine Felle im WM-Kampf sieht der Iceman dennoch nicht davon schwimmen. "Es ist immer noch ein früher Zeitpunkt in der Saison. 21 Punkte aufzuholen, ist nicht so viel - besonders wenn Sebastian irgendwann auch einmal ein schlechtes Wochenende hat", sagte er. Wichtiger sei es für das Team, sich zunächst einmal auf die eigene Leistung zu konzentrieren. "Wir müssen zum Rennlevel zurückkehren, dass wir vor Monaco hatten, damit die Dinge so schnell wie möglich wieder gut für uns laufen."

Was kann Force India?

Einen wirklich guten Lauf hat in diesem Jahr Force India. Bislang nahmen Adrian Sutil und Paul di Resta bereits siebenmal Punkte von den Grand-Prix-Wochenenden mit. Vor allem im Fall von Sutil hätten es noch deutlich mehr sein können, als die zwei Top-10-Resultate, allerdings wurde der Formel-1-Rückkehrer gleich mehrere Male von unverschuldeten Crashs und Pannen an der Box ausgebremst. Doch der glänzende Auftritt von Monaco macht nicht nur Sutil optimistisch - auch Teamchef Vijay Mallya. "Ich habe das Gefühl, wir sind drauf und dran, unsere erste Podestplatzierung seit 2009 einzufahren. Es wird Zeit, dass wir diesen Schritt endlich machen", sagte der Force-India-Boss. "Montreal wäre ein großartiger Platz, um das zu schaffen."