Kaum ein Kurs ist Fahrern und Ingenieuren besser bekannt als der Circuit de Catalunya. Fast alle - heute noch erlaubten - Testfahrten finden auf der Strecke nahe der Costa Brava statt. Es gibt wohl wenige Rennen, die so sehnsüchtig erwartet werden, wie der Auftakt in die Europasaison. Nicht nur, dass die Königsklasse endlich wieder europäischen Asphalt unter die Räder nimmt, es ist auch der Start in eine neue Technik-Saison. Nirgendwo sonst sind so umfangreiche Updates an nahezu jedem Boliden zu bewundern, wie in Barcelona. Ein Flügelchen hier, ein neuer Auspuff dort - Updates gehören zu Barcelona wie Sangria an den Ballermann.

1996 deklassierte Michael Schumacher die Konkurrenz in Barcelona, Foto: Sutton
1996 deklassierte Michael Schumacher die Konkurrenz in Barcelona, Foto: Sutton

Dass es im Barcelona so viele technischen Neuerungen gibt, hat mehrere Gründe. Zum einen konnten die Ingenieure in den ersten Saisonläufen Schwachstellen an den Fahrzeugen ausmachen und hatten nach Bahrain drei Wochen Zeit, daran zu arbeiten. Zum anderen gilt: Wenn ein Auto in Barcelona funktioniert, dann funktioniert es überall. Auch deshalb fällt die Wahl der Testfahrten nicht ganz zufällig auf den 4,655 Kilometer langen Kurs. Laut Remi Taffin, Motoren-Mann bei Renault Sport F1 stellt die Strecke in vielerlei Hinsicht den 'Mittelwert aller Grand-Prix-Strecken' dar. Der Franzose geht sogar noch weiter: "Die Anforderungen sind so repräsentativ, dass wir bestimmte Daten des Kurses in unserem Freigabeprozess für die Motoren verwenden."

Doch was macht den Kurs so normal, so mittelmäßig, dass es schon besonders ist? Auf nur 4,655 Kilometern stellt der Circuit de Catalunya die Fahrzeuge vor mehrere Herausforderungen. Die Start- und Zielgerade ist mit einer Länge von etwa einem Kilometer verhältnismäßig lang. Vor dem ersten Bremspunkt werden Geschwindigkeiten von bis zu 320 Stundenkilometern erreicht, ehe die Piloten für die erste Kurvenkombination auf etwa die halbe Geschwindigkeit verzögern. Die erste Passage ist sogleich das Prunkstück der Strecke, weil fahrerisch wie technisch besonders anspruchsvoll. Nach einer mittelschnellen rechtslinks-Passage folgt eine nicht enden wollende bergauf Rechtskurve.

Diese ewig scheinende Kurve ist aus mehreren Gründen schwierig zu durchfahren. Verpasst der Fahrer den Scheitelpunkt nur minimal, verliert er gleich sehr viel Zeit, weil er erst deutlich später aufs Gas gehen kann. Doch selbst wenn der Scheitelpunkt perfekt getroffen wird, so ist die Gaspedalstellung mindestens genauso wichtig. Geht ein Pilot zu früh aufs Gas, wird er am Kurvenausgang, der zudem über eine Kuppe führt und somit schlecht einsehbar ist, weit hinausgetragen und er muss kurz lupfen, um nicht von der Strecke abzukommen. Die Kuppe sorgt außerdem dafür, dass der Kurvenausgang prädestiniert für plötzliches Übersteuern, sogenanntes snappy oversteer, ist. Weil die Seitenführungskräfte auf die Reifen in dieser Kurve besonders hoch sind, gilt die Renault-Kurve als Schlüsselstelle für die hochsensiblen Pirelli-Pneus.

Langsame und Mittelschnelle Kurven prägen den zweiten Sektor, ehe es in den entscheidenden letzten Abschnitt geht. Dieser beginnt mit dem härtesten Bremspunkt der Strecke. Auf der Gegengeraden, auf der sich in diesem Jahr die zweite DRS-Zone befindet, wird von rund 300 Stundenkilometern auf etwa 75 Kilometer pro Stunde verzögert. Anschließend ist eine gute Traktion gefragt und erneut ein guter linker Vorderreifen. Eine gefühlte Ewigkeit ist das Lenkrad nach rechts eingeschlagen, ehe eine 2007 eingebaute Schikane den Fluss unterbricht. Die Schikane stellt hohe Ansprüche an das Fahrwerk, das an dieser Stelle mit den hohen Kerbs zurechtkommen muss. Anschließend braucht es wieder eine gute Traktion, um durch den letzten Rechtsknick hindurch auf die Start- und Zielgerade zu beschleunigen.

Die Start- und Zielgerade ist nicht nur wegen ihrer Länge ein wichtiger Faktor. Weil sich die erste DRS-Zone darauf befindet, steigt der Geschwindigkeitszuwachs am Ende der Geraden sehr deutlich bei aufgeklapptem Flügel an, bis zu 20 Stundenkilometer Geschwindigkeitsdifferenz werden erwartet. Außerdem können die Piloten ihr KERS extrem lange betätigen. Weil nach dem Überfahren der Ziellinie wieder die knapp sieben Sekunden Extraboost zur Verfügung stehen, kann KERS am Ende der vorangegangenen Runde und am Anfang der neuen Runde eingesetzt werden, was wegen der Charakteristik auch Sinn macht. Die Kühlung des Systems ist deshalb besonders wichtig.

2012 siegte Pastor Maldonado von der Pole Position aus, Foto: Sutton
2012 siegte Pastor Maldonado von der Pole Position aus, Foto: Sutton

Kühlung kann in Barcelona immer ein Stichwort sein - muss es aber nicht. Hitzeschlachten hat das Rennen nahe der Millionenmetropole schon einige gesehen, allerdings sagen die Wetterprognosen eher Frühlingstemperaturen um die 20 Grad voraus. Entscheidender könnte da schon der Wind sein. "Drastische Windrichtungswechsel sind eine erhebliche Herausforderung für das Setup und die Handhabung der Formel-1-Boliden", weiß Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. Lotus-Pilot Kimi Räikkönen stimmt zu. "Das Setup ist entscheidend, da sich die Strecke durch Wind und Temperaturen verändert."

In Barcelona spielt das Qualifikationstraining eine enorm wichtige Rolle. Elf der letzten zwölf Rennen wurden von der Pole Position aus gewonnen, seit der ersten Austragung des Spanien GPs im Jahr 1991 gelang es überhaupt nur fünf Piloten, das Rennen für sich zu entscheiden, ohne dabei von der ersten Startposition aus ins Rennen gegangen zu sein. Zum Vergleich: In Monaco, der 'Qualifying-Strecke' schlechthin, wurde im selben Zeitraum der Grand Prix elf Mal nicht von Startposition eins aus gewonnen.