Bei Mercedes ist auf den ersten Blick kein Stein auf dem anderen geblieben. Hinter den Kulissen wurde fleißig rumgewerkelt - Michael Schumacher und Norbert Haug sind weg, dafür sind Toto Wolff als Executive Direktor, Niki Lauda als Aufsichtsratschef und Lewis Hamilton an Bord gekommen.

Letzterer soll gemeinsam mit Nico Rosberg dafür Sorge tragen, dass Mercedes 2013 auf die Siegerstraße findet und dort auch über 2013 hinaus bleibt. Nach nahezu drei erfolglosen Jahren muss der Weg für Mercedes 2013 nach vorne gehen. Ob und wie weit, das wird sich im Verlauf der Saison zeigen.

Toto Wolff ist das neue Gesicht bei Mercedes, Foto: Mercedes AMG
Toto Wolff ist das neue Gesicht bei Mercedes, Foto: Mercedes AMG

Das Team: Toto Wolff ist das neue Gesicht bei Mercedes. Als Nachfolger von Norbert Haug komplettiert der Investor und Motorsport-Manager zusammen mit Teamchef Ross Brawn und Niki Lauda als Aufsichtsratschef das Führungsteam des Formel-1-Rennstalls. Die Aufgabe ist keine leichte: Wolff muss Mercedes auf Erfolgskurs bringen. Der einzige Sieg des Teams, der aus dem Vorjahr (China-GP, Nico Rosberg) rührt, ist zu wenig und der fünfte Platz in der Konstrukteurswertung inakzeptabel.

Wenn es um den Grund für den ausbleibenden Erfolg ging, wurde in der Vergangenheit immer wieder das bekannte "zu viele Köche verderben den Brei"-Zitat zur Hilfe genommen. Denn mit Ross Brawn, Geoff Willis, Aldo Costa und Bob Bell hat Mercedes eine Vielzahl an Anführern. Wolff sieht darin aber kein Problem: "Man kann nie zu viele Topleute haben", ist Wolff überzeugt. "Das ist keineswegs negativ, so lange jeder versteht, wo seine Position und sein Platz im Team sind."

Die Fahrer: Mit den Bestzeiten bei den Abschlusstests in Barcelona hat Mercedes die Neugierde der Konkurrenz geweckt. "Sie haben mit ihren Zeiten für einige verdutzte Gesichter gesorgt", bestätigt Red Bull-Teamchef Christian Horner. "Ihre Autos sehen schnell aus und allein auf Grund der Tatsache, dass Lewis zum Team gewechselt ist, werden sie definitiv Fortschritte machen." Auch wenn Mercedes mit Michael Schumacher in den letzten drei Jahren den siebenfachen Champion unter Vertrag hatte, so hält die Konkurrenz vor allem auf die Verbindung Hamilton/Mercedes große Stücke.

Der Weltmeister von 2008 gilt auch unter seinen Konkurrenten als einer der stärksten Piloten im Feld. Für Fernando Alonso ist der Brite sogar der einzige - außer ihm -, der in einem schlechten Auto Rennen gewinnen kann. Nico Rosberg kennt seinen neuen Teamkollegen noch aus Kartzeiten und weiß genau, wie Hamilton tickt und was er fahrerisch drauf hat. "Er ist einer der Besten im Feld. Zusammen werden wir es schaffen, das Team nach vorne zu bringen." Der Erfolg des Kollektivs steht für die Piloten dabei als höheres Gut über den Siegen des Einzelnen.

Das Auto: Ross Brawn bezeichnete den F1 W04 bei der Präsentation als 'hochentwickelt'. Doch die Fachwelt hielt sich mit Lobpreisungen auf den ersten Mercedes nach Michael Schumacher zurück. Offensichtliche Änderungen zum Vorjahresmodell blieben weitgehend aus und der F1 W03 war nicht gerade als Siegauto bekannt. An den ersten Testtagen lief der neue Bolide noch nicht wirklich gut. Ein fehlerhafter Kabelbaum sorgte an Tag eins für einen kleinen Brand, am zweiten Tag flog Lewis Hamilton wegen eines Bremsdefekts ab. In Folge lief es jedoch deutlich besser, Mercedes absolvierte nach Sauber die meisten Testkilometer. Technisch rüsteten die Schwaben fleißig auf - neben einem fünfteiligen Frontflügel wurden verschiedene Coanda-Auspuff-Varianten und zeitweise ein DRD getestet.

F1 W04, Foto: Sutton
F1 W04, Foto: Sutton

Auch wenn Mercedes über mehr Erfahrung mit dem Drag Reduction Device (DRD) verfügt als Sauber und Red Bull, so ist trotzdem fraglich, ob das System in Melbourne eingesetzt wird. Doch selbst ohne diese Vorrichtung machte der Silberpfeil seinem Namen alle Ehre und war pfeilschnell. Bestzeiten von Nico Rosberg und Lewis Hamilton an den letzten beiden Testtagen unterstreichen den guten Gesamteindruck. Ein großes Fragezeichen steht jedoch hinter dem Umgang mit den Reifen: schon im vergangenen Jahr waren Rosberg und Schumacher bei kühlen Temperaturen - ähnlich den Testbedingungen - schnell und konstant unterwegs, bei heißeren Rennen mussten sie jedoch tatenlos zusehen, wie sich ihre Pneus verabschiedeten.

Saisonziel: Erfolge einfahren und 2012 Vergessen machen.

PRO: Die Vorzeichen stehen gut: Testbestzeiten in Barcelona, die zweitmeisten Kilometer des Winters. Der Windkanal ist umgerüstet, die Ende 2011 verstärkte Technikabteilung hatte ein Jahr Zeit, sich aufeinander einzuspielen und neue Ideen zu entwickeln. Mit Toto Wolff und Niki Lauda fegt zudem ein frischer Wind durch die Hallen und Lewis Hamilton gilt als einer der besten Fahrer im Feld. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. In diesem Jahr muss und wird Mercedes mehr als nur einen Einzelsieg abliefern. (Stephan Heublein)

CONTRA: Nach drei nahezu erfolglosen Jahren darf sich Mercedes ruhig über den Titel "Testweltmeister" freuen, allerdings sind Testfahrten eine Sache, Rennen eine völlig andere. Abgedroschen, aber wahr wie Mercedes 2012 am eigenen Leib erfuhr. Nachdem das Team bei den Wintertests eine gute Form zeigte, jagte man dieser während der Saison hinterher. 2013 heißt es für Mercedes daher einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Sollte sich daraus tatsächlich eine Chance auf den Titel ergeben, sind Jubelschreie von allen Seiten immer noch früh genug. (Kerstin Hasenbichler)