Technische Finessen halten sich im Rahmen der Diskussion über die aktuellen Testfahrten eher in Grenzen - die großen Innovationen blieben bislang aus, vielmehr verlagerten sich die Teams auf Detailarbeit und Änderungen unter der Motorhaube. Doch ein Technik-Feature ist derzeit in aller Munde: das passive DR-System. Als Antwort auf der Verbot des Doppel-DRS sowie der Regeländerung, dass der Heckflügel im Qualifying nur noch an den ausgewiesenen Zonen flachgestellt werden darf, tüftelten die Teams an einer anderen Möglichkeit, weniger Abtrieb und somit mehr Topspeed erzeugen zu können.

Vorhang auf für das passive DRS. Derzeit wird viel über das innovative System diskutiert, doch eine definitive Erklärung ist nur bedingt möglich. Selbst die Teams blicken nur teilweise durch und bislang haben sich erst vier Mannschaften getraut, das passive DRS zu testen. Bei den Testfahrten in Barcelona versuchten sich Lotus, Sauber, Mercedes und, erstmals am Freitag, auch Red Bull an dieser Mechanik. Die Silberpfeile waren das erste Team bei den ersten Tests des Jahres in Jerez, das sich traute, das neue DR-System einzusetzen.

Red Bull testete das passive DRS erstmals am Freitag, Foto: Sutton
Red Bull testete das passive DRS erstmals am Freitag, Foto: Sutton

Der Plan hinter dem passiven DRS ist klar: Es soll vor allem auf den Geraden höhere Topspeeds ermöglichen. Doch wie funktioniert das System? Über Luftöffnungen seitlich der Airbox strömt Luft in Richtung Heck des Boliden. Mittels eines eigenen Kanals wird diese Luft dann an die Unterplatte des Heckflügels geströmt. Dadurch verringert sich der Luftwiderstand, es wird also weniger Abtrieb generiert. Das System funktioniert zwar anders als der bislang eingesetzte, flach gestellte Heckflügel, hat aber prinzipiell den gleichen Effekt. Vereinfacht ausgedrückt: Mehr Luft unter dem Heckflügel bedeutet weniger Downforce und damit besseren Topspeed.

Der Knackpunkt an dieser innovativen Idee ist jedoch, dass das System ausschließlich passiv benutzt werden darf. Es gibt also keinen Knopf oder gesteuerte Sensoren, mit welchen der Fahrer das passive DRS aktivieren kann. An dieser Stelle wird es kompliziert, denn ein Staudruckmesser innerhalb des besagten Kanalsystems regelt mittels einer Ventilsteuerung, wohin die Luft von den Einlässen an der Airbox gesteuert wird. Die Teams müssen eine Konstante definieren - also eine bestimmten Druck durch Geschwindigkeit - bei der das Ventil den Luftstrom so leitet, dass dieser den unteren Teil des Heckflügels anbläst.

Hier gut sichtbar: Der Carbon-Kanal unter dem Lotus-Heckflügel, Foto: Sutton
Hier gut sichtbar: Der Carbon-Kanal unter dem Lotus-Heckflügel, Foto: Sutton

Andernfalls strömt die Luft über den zweiten Kanal in Richtung Heck und der Abtrieb wird nicht verringert. Gleichzeitig erhöht sich die Downforce des Autos jedoch nicht respektive höchstens marginal. Die Schwierigkeit für die Teams besteht darin, den Staudruckmesser exakt einzustellen und zu definieren. Wenn das Konzept nicht aufgeht, kostet der Kanal und die Vorrichtung im besten Fall nur knapp ein Kilogramm unnützes Gewicht. Im schlimmsten Fall verliert das Auto an der falschen Stelle - also in der Kurve - wegen falscher Ventilstellung den benötigten Abtrieb und wird dadurch schwer kontrollierbar.

Wie viel Vorteil das passive DR-System nun wirklich bringt, darüber scheiden sich die Geister. Die einen sprechen von ein paar Hundertstelsekunden, andere von einem Zehntel pro Runde. Zweitere Einschätzung wäre schon ein immenser Vorteil, da die Performance der Autos sehr beieinander liegt und schon vermeintliche Kleinigkeiten den Ausschlag geben können. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie viel die Teams bereit sind zu riskieren - wenn das komplizierte System am Rennwochenende falsch funktioniert, könnte es schnell zum Abflug kommen. Der nicht unerhebliche Risikofaktor dürfte einer der Gründe dafür sein, dass bislang nur vier Teams das System testen.

Sauber experimentiert auch mit dem passiven DRS, Foto: Sutton
Sauber experimentiert auch mit dem passiven DRS, Foto: Sutton

Interessant: Die vier Teams waren bislang nicht durchgängig mit dem System unterwegs, sondern schraubten den vertikalen Steg unter dem Heckflügel immer mal wieder ab und setzten ihre Testprogramme ohne das passive DRS fort. "Es ist ein sehr komplexes System und es korrekt zum Arbeiten zu bringen, ist eine Herausforderung. Aber der Vorteil, der sich daraus erschließt, ist verlockend", sagte Lotus-Technikdirektor James Allison. "Ich denke nicht, dass wir das System bis zum ersten Rennen zum Arbeiten bringen, aber wir erhoffen uns einen Schritt näher dran zu sein, wenn wir aus Spanien abreisen - und hoffentlich kommt das System im Verlauf der Saison endlich zum Einsatz."