Die Formel 1-Motoren ab 2014 werden die effizientesten aller Zeiten. Möglich machen es gleich zwei Energierückgewinnungs-Systeme, die sich sogar gegenseitig auf Touren bringen können. Renault Sport F1-Motorenchef Rob White erklärt, wie das geht.

Wenn die Formel 1 ab 2014 mit den neuen 1,6-Liter-V6-Turbos antritt, ändern sich nicht bloß Hubraum und Sound der Boliden. Wegen der begrenzten Benzindurchflussmenge und dem "doppelten" Energierückgewinnungssystem ERS (Energy Recovery System) dürfte sich die ganze Art und Weise verändern, wie schnelle Rundenzeiten erzielt werden. Rob White, der Leiter der Motorenentwicklung bei Renault Sport F1 in Viry-Chatillon, prophezeit beispielsweise: "Die angeblasenen Diffusoren werden verschwinden, denn wegen der Turbolader wird der Abgasstrom nicht mehr genug Masse besitzen, damit sie etwas bringen."

Einfach nur heiße Luft ist der Auspuffstrom deswegen längst nicht. Denn die Abgase treiben neben dem besagten Turbolader auch eines von zwei Energierückgewinnungs-Systemen an, die ab 2014 erlaubt sind: die MGU-H. Das Kürzel steht für "Motor Generator Unit - Heat" und damit für einen Generator, der aus der Abwärme elektrische Energie macht. Dieser Generator wird über die mit rund 100.000/min rotierende Welle des Turboladers angetrieben. Der so erzeugte und in Akkus gespeicherte Strom kann auf zwei Arten genutzt werden: Erstens treibt er beim Beschleunigen die Turboladerwelle zusätzlich an. Auf diese Weise steht schon bei niedrigen Drehzahlen ein ordentlicher Ladedruck zur Verfügung - das früher gefürchtete "Turboloch" bis zum Einsetzen des vollen Drehmoments wird damit überwunden.

Neue Möglichkeiten

Bei der zweiten Möglichkeit kommt die andere Energierückgewinnung ins Spiel: die MGU-K. Diese "Motor Generator Unit - Kinetic" entspricht weitgehend dem bekannten KERS der aktuellen Formel 1-Aggregate und im Prinzip auch dem rekuperativen Bremssystem des Elektroautos Renault ZOE. In den Bremsphasen wird über den Antriebsstrang ein Generator angetrieben - ähnlich wie ein Dynamo am Fahrrad. Der gewonnene Strom wird gespeichert. Beim nächsten Beschleunigen arbeitet der Generator als Elektromotor und liefert zusätzlichen Schub.

Der Clou der 2014er-Turbomotoren laut Rob White: "Die von den beiden Rekuperationssystemen zurückgewonnene Energie darf laut Reglement fast nach Belieben eingesetzt werden. Sie darf wahlweise in einer Batterie gespeichert werden, über die MGU-H den Turbolader unterstützen oder über die MGU-K auf die Antriebswellen wirken."

Rein physikalisch betrachtet, wäre die direkte Umsetzung in Vortrieb am effizientesten. "Aber auf der Rennstrecke kann je nach Situation das Zwischenspeichern sinnvoller sein. Wenn du die Energie für bestimmte Beschleunigungsphasen aufsparst, erzielst du bessere Rundenzeiten", erklärt Rob White. "Es will auch genau überlegt sein, an welchen Punkten der Rennstrecke du eher mit dem früh einsetzenden Ladedruck oder mit dem direkten Elektroantrieb die meiste Zeit gewinnst bzw. dir im Zweikampf Vorteile sicherst."

Doppelt so stark wie KERS

Hintergrund: Laut Reglement dürfen die MGUs pro Runde 2 Megajoule Energie zurückgewinnen, aber bis zu 4 Megajoule abgeben. Das entspricht einem Leistungszuwachs über eine Zeitspanne von etwa 34 Sekunden. Der Zusatzschub des aktuellen KERS darf pro Runde für insgesamt 6,5 Sekunden aktiviert werden. Der auf den Antriebsstrang wirkende MGU-K kann 120 kW - mehr als 160 PS - mobilisieren. Das ist ziemlich genau doppelt so viel Leistung wie das aktuelle KERS freigibt.

Was heißt das für die Arbeit der Fahrer und der Motoreningenieure? Klar ist: Die Zahl der Variablen im Strategie-Puzzle wird ab 2014 durch die beiden MGUs des ERS, den auf 100 Kilogramm pro Stunde begrenzten Kraftstofffluss und die maximale Kraftstoffmenge von 100 Kilogramm fürs Rennen nochmals erweitert. Die Fahrer sollen aber nicht noch stärker mit Knöpfchendrücken und Kopfrechnen belastet werden als heute. "Einige Aufgaben, die momentan der Fahrer erledigt, werden elektronische Regelsysteme übernehmen. Zum Beispiel brauchen sie den Ladezustand der Batterie nicht mehr selbst im Blick behalten", erklärt Rob White.

"Wir werden für Qualifying und Rennen, fürs Überholen, fürs Verteidigen der Position und für die optimale Rundenzeit die Energie ganz unterschiedlich einsetzen. Es gibt zwei limitierende Faktoren: den maximalen Benzindurchfluss und die maximale Energie, die du aus den Batterien abrufen darfst. Theoretisch wirst du für eine Qualifying-Runde den gesamten Stromvorrat verbrauchen. Im Rennen wäre das nicht sinnvoll, denn pro Runde darfst du mehr Energie abrufen, als du wieder aufladen kannst. Außerdem dürfen sich die Akkus nur bis zu einem bestimmten Punkt entladen. Das heißt: Wir müssen nicht bloß möglichst viel Leistung erzielen, sondern sie auch auf nachhaltige Weise nutzen."

Renault Sport F1 importiert also nicht bloß Technologien aus der Serienproduktion in die Königsklasse - mit der neuen Motorengeneration zieht auch ein neues Denken ein, das sich um Effizienz und Nachhaltigkeit dreht. Dass wir ab 2014 nur noch Gleichmäßigkeitsfahrten in der Formel 1 erleben, ist dennoch ausgeschlossen. "In der Summe werden der Turbomotor und die beiden Hybridsysteme den neuen V6-Aggregaten genauso viel Drehmoment und Leistung verleihen wie die aktuellen V8-Sauger bieten", ist Rob White überzeugt. "Es wird weiterhin darum gehen, so schnell wie möglich und auf der bestmöglichen Position ins Ziel zu kommen - nur eben mit einer festgelegten Energiemenge, die wir optimal nutzen werden."