Das Auto

Der Auftakt war vielversprechend. In den ersten beiden WM-Läufen platzierten sich die Toro-Rosso-Piloten Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne jeweils einmal in den Punkterängen. Dann war es mit der Herrlichkeit aber auch schon wieder vorbei. Weitere Punktefahrten brachte die Talentschmiede von Red Bull nicht zustande. Im Gegenteil: Der STR7 fiel im Vergleich zu den Konkurrenzfahrzeugen von Sauber, Williams und Force India deutlich ab, und zwar unabhängig von den am Rennwochenende herrschenden Bedingungen. Die Quittung: Platz neun in der Konstrukteurs-WM.

Aber woran genau hapert es beim Rennstall aus Faenza? Ricciardo kennt die Achillesferse seines Autos genau. "Wenn ich eine Sache nennen soll, würde ich sagen, wir brauchen mehr Traktion", sagte der Australier am Rande des Großen Preises von Europa. Drei Rennen später besteht das Problem noch immer. Allem Anschein nach haben die Techniker bei der Auspuffentwicklung die falsche Richtung eingeschlagen. Der Toro-Rosso-Bolide verfügt dank des Ferrari-V8-Motors zwar über jede Menge Power, bislang ist es aber nicht gelungen, die vorhandene Antriebskraft in Beschleunigung umzusetzen.

Team & Fahrer

Das wenig innovative Auto und die bislang enttäuschenden Ergebnisse - zu Saisonbeginn hatte das Team von Franz Tost mit Platz fünf in der Konstrukteurswertung kokettiert - haben bereits das erste Opfer gefordert. Technik-Chef Giorgio Ascanelli wurde nach dem Grand Prix in Silverstone beurlaubt. In diesem Fall ist das sogar wörtlich zu nehmen. Der Italiener befindet sich seit Mitte Juli offiziell im Urlaub, an diesem Status hat sich bis heute nichts geändert. Eine Rückkehr zu Toro Rosso ist aber unwahrscheinlich. Grund für den Bruch zwischen Teamleitung und dem Technik-Direktor sollen strittige Strategieentscheidungen und Unstimmigkeiten über die Entwicklungsarbeit am STR7 sein.

Talentiert, aber noch nicht fehlerlos: Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo, Foto: Sutton
Talentiert, aber noch nicht fehlerlos: Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo, Foto: Sutton

Bei der Handhabung der Causa Ascanelli hat sich Toro Rosso nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Nachfragen wurden vom Team spöttisch kommentiert oder kategorisch abgeblockt. Ein Nachfolger für den geschassten Italiener ist indes nicht in Sicht. Favorit auf die Nachfolge soll der frühere Sauber-Mann James Key sein - fix ist aber noch nichts. Mit einem Personalwechsel an vorderster Front ist es ohnehin nicht getan. Entscheidend wird sein, ob der neue Mann den schlingernden STR7 wieder flottbekommt. Sportlicher Erfolg würde zumindest den unglücklichen Eindruck verwischen, den das Team in der gesamten Affäre abgegeben hat.

Für Erfolgserlebnisse auf den Strecken sind neben der Technik-Crew vor allem die Fahrer verantwortlich. Mit Ricciardo und Vergne verfügt Toro Rosso über zwei Piloten, die dem Sinnbild des ungeschliffenen Rohdiamanten alle Ehre machen. Ricciardo stellte seinen Speed bereits mehrfach unter Beweis. Der Australier schaffte in Melbourne und Bahrain den Sprung in die dritte Qualifying-Runde. Bei seinem Heimrennen fuhr er dank einer furiosen Schlussrunde seine ersten Formel-1-Punkte ein. Probleme bereitet Ricciardo hingegen die erste Runde, in der er bereits mehrere Male eine gute Startposition verspielte. "Ich muss die Starts und die gesamte erste Runde besser hinbekommen", meinte er selbstkritisch. "Wenn ich in den ersten Kurven bessere Entscheidungen getroffen hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich glücklicher."

Der Schwachpunkt Vergnes ist das Zeittraining. Die Qualifying-Bilanz von 9:2 zugunsten Ricciardos spricht eine deutliche Sprache. "Das Qualifying gehört zu den härtesten Dingen für die neuen Fahrer", erklärte der Toro-Rosso-Rookie. "Der Verkehr und der Druck, dass in einer Runde alles passen muss, machen es nicht gerade einfach." In den Rennen leistete sich Vergne genauso wie sein Teamkollege zu viele Fehler. Negativer Höhepunkt war der Große Preis von Europa, als Vergne wegen eines Unfalls mit Heikki Kovalainen im nächsten Rennen zehn Startplätze nach hinten versetzt wurde und eine Geldstrafe von 25.000 Euro aufgebrummt kam. Trotz aller Schwierigkeiten: Im teaminternen Duell mit Ricciardo liegt Vergne nach Punkten mit 4:2 vorne.

Ausblick zweite Hälfte

Große Sprünge in der Teamwertung sind nach dem zuletzt rapiden Leistungsabfall utopisch. Vom Speed ist Toro Rosso den Hinterbänkler-Teams inzwischen näher als dem anvisierten Mittelfeld. Für Franz Tost und Co. geht es nun darum, Caterham auf Distanz zu halten. Eine Herausforderung, der das Schwesterteam von Red Bull nach jetzigem Stand durchaus gewachsen sein sollte. Wenn an einem Wochenende alles passt, haben beide Fahrer durchaus die Chance noch einmal in den Punkten zu landen. Für Ricciardo und Vergne, die sich ursprünglich für ein Cockpit bei Red Bull empfehlen wollten, ist es nicht unbedingt ein Nachteil, dass Mark Webber seinen Vertrag bereits um ein Jahr verlängert hat. So bleibt den Youngstern ein weiteres Jahr, um ihre Fehlerquote zu reduzieren.