1. Wieso konnte Nico Rosberg Mark Webber nicht attackieren?

Am liebsten wollte er ihn sich schon in Kurve eins packen - doch dafür reichte der kurze Weg bis zur St. Devote nicht. Bereits am Start musste sich Nico Rosberg hinter Pole-Mann Mark Webber einsortieren. 78 Runden später war er immer noch so nah am in Führung liegenden Red Bull dran, wie nach den ersten Metern. Nur der Weg vorbei schien am Sonntag einfach versperrt. Stadtkurs Monaco eben - Überholen fast unmöglich. Das DRS: Im Fürstentum ein Treppenwitz. Auf der zu kurzen Start-Zielgeraden, die eigentlich eine Kurve ist, brachte es keinen spürbaren Vorteil. Für Rosberg hieß es so: Lauern auf die Strategiechance.

Und Mercedes ließ sich in der Tat etwas einfallen: Wenige Minuten vor Rosbergs Stopp lancierte das Team einen Funkspruch. Für die Konkurrenz wurde gut hörbar mitgeteilt, dass bald Regen drohen könnte. Direktive: Abwarten, Tee trinken - jetzt auf neue Trockenreifen wechseln wäre wenig sinnvoll. Wird es fünf Runden später nass, hat man einen Zusatzstopp verschenkt. Dennoch kam Rosberg kurze Zeit später als erster Spitzenpilot rein - der Funkspruch eine Finte? Red Bull roch den Braten, reagierte postwendend. Zwei Umläufe nach Rosberg, der nach seinem Boxenaufenthalt freie Fahrt genoss und Zeit gutmachte, holte sich auch Webber neue Pneus - so blieb er knapp vorm Deutschen, der sich anschließend am schon bekannten Red-Bull-Heckflügel sattsehen konnte.

Den Vorteil der schon wärmeren Reifen konnte er nicht umsetzen. "Zuerst war ich viel schneller, hing aber hinter ihm fest. Auf den härteren Reifen war es dann auch schwieriger, eben diese aufwärmen. Ich hatte oft blockierende Vorderreifen - die kamen einfach nicht auf Temperatur", meinte Rosberg nach der Zieldurchfahrt. Spätestens mit dem einsetzenden Nieselregen war die Messe dann gelesen - auf dem rutschigen Asphalt war Vorsicht oberste Maxime, an eine ernstzunehmende Attacke ohne übermäßiges Risiko nicht mehr wirklich zu denken. Für Spannung war freilich bis zur letzten Kurve gesorgt. Eine reelle Chance, die Prozession an der Spitze zu beenden, gab es jedoch nie.

Viel näher dran geht nicht - vorbeifahren leider auch nicht, Foto: Mercedes-Benz
Viel näher dran geht nicht - vorbeifahren leider auch nicht, Foto: Mercedes-Benz

2. Wie wurde Sebastian Vettel nach vorne gespült?

Zunächst hatte seine Entscheidung am Samstag noch für Verwunderung gesorgt. In Q3 verzichtete Sebastian Vettel auf einen gezeiteten Run, gab sich mit P10 zufrieden und dem Vorteil der freien Reifenwahl am Sonntag. Auch das Wissen um die Rückversetzungen von Pastor Maldonado und Michael Schumacher spielte wohl eine Rolle, wenngleich der Deutsche auf Grund seiner überraschenden Bestzeit letzten Endes gar nicht hinter Vettel rückte. Am Start lief für diesen dann alles glatt - ein Abkürzen der ersten Kurve wurde im Chaos um den Grosjean-Crash nicht geahndet und der Heppenheimer fand sich früh auf dem sechsten Platz wieder.

Als einziger Pilot innerhalb der Top-10 mit den viel länger haltenden, härteren Reifen ausgestattet, ging es von da an sukzessive nach vorne. Nach den Stopps der Konkurrenz fand sich Vettel in Runde 30 an der Spitze wieder. Mir freier Fahrt und ohne direkten Druck von hinten waren hervorragende Zeiten möglich, während die Gegner auch keinen Mischungsvorteil mehr hatten, sehr wohl aber darum kämpfen mussten, ihre neuen Pneus erst einmal auf Temperatur zu bringen. So konnte Vettel seinen Vorsprung auf Webber weiter ausbauen. Der große Pluspunkt an seiner Strategie: Sie war bombensicher.

Vettel eilte der Konkurrenz zwischenzeitlich auf und davon, Foto: Sutton
Vettel eilte der Konkurrenz zwischenzeitlich auf und davon, Foto: Sutton

Hätte nun der oftmals drohende Regen eingesetzt, wäre er der große Gewinner gewesen. Dann hätten alle Piloten an die Box kommen müssen und er sich im Vergleich zur Konkurrenz einen Stopp gespart. Doch selbst auf trockener Piste schien ein Sieg nicht unmöglich. Solange die Zeiten stimmten, blieb Vettel draußen, nahm den Verfolgern Runde um Runden die Zehntelsekunden ab. Erst als das Pendel nach 45 Runden umschlug und der Heppenheimer erstmals auch auf der Uhr den Nachteil seiner gebrauchten Reifen zu spüren bekam, bog er in die Box ab - denkbar knapp hinter den Top-3 kam er wieder heraus.

Die Kurscharakteristik minderte anschließend den Vorteil seiner neuen, superweichen Reifen - dem Fahren im Pulk konnte auch er nichts entgegensetzen. Hätte er jedoch mit dem Regen etwas mehr Glück gehabt, wäre der Sieg drin gewesen. So reichte es immerhin zu zwölf wertvollen Meisterschaftspunkten. Gemessen am Taktikrisiko und der im Vergleich zu Webber zumindest im Qualifying fehlenden Pace kein schlechtes Endergebnis für den 24-Jährigen.

Der Barcelona-Sieger schied im Fürstentum früh aus, Foto: Sutton
Der Barcelona-Sieger schied im Fürstentum früh aus, Foto: Sutton

3. Was war mit Pastor Maldonado?

In Barcelona noch der Sensationssieger, kam es für Pastor Maldonado in Monaco knüppeldick. Auf der erklärten Lieblingsstrecke des Williams-Piloten lief einfach gar nichts zusammen. Bereits im dritten Freien Training kollidierte er mit Sauber-Pilot Sergio Perez. Anschließend wurde er von der Rennleitung in der Startaufstellung um zehn Plätze nach hinten strafversetzt. Nachdem er am Samstagvormittag auch noch in der Casino-Kurve abgeflogen war und den FW34 dabei beschädigt hatte, musste das Team zu allem Überfluss auch noch sein Getriebe wechseln.

Dafür kassierte er die nächste Strafe und musste weitere fünf Plätze zurück. Sein Einzug in Q3 und der neunte Platz im Zeittraining waren somit Makulatur. Für den Venezolaner ging es folglich aus der letzten Reihe los - auf einem Kurs wie in Monte Carlo natürlich eine Anleitung zum unglücklich sein. Und es kam, wie es kommen musste: Im Rückstau nach Romain Grosjeans Dreher vor Kurve eins fuhr der Heißsporn im Williams auf das Heck von Pedro de la Rosa auf, riss sich dabei den Front- und dem Spanier den Heckflügel ab. Mit dem stark angeschlagenen Boliden schaffte er es dann noch bis zur Haarnadel, ehe ohne Abtrieb Endstation war. Für den 27-Jährigen einfach ein Wochenende zum Vergessen.

Wohin des Weges Romain Grosjean?, Foto: Sutton
Wohin des Weges Romain Grosjean?, Foto: Sutton

4. Warum kam Jenson Button nicht nach vorne?

Ein Wochenende zum Vergessen - damit kennt sich mittlerweile auch Jenson Button bestens aus. Nachdem es zuletzt bereits in Bahrain und Barcelona nicht glatt lief, lohnte sich für den Sieger von 2009 auch der Ausflug ins Fürstentum nicht. Dabei fehlte ihm einmal mehr die Pace - seine Chancen für das Rennen ruinierte er sich bereits im Qualifying, als er nicht über Platz zwölf hinauskam. Auf Grund der Rückversetzung Maldonados und der im Vergleich zu einigen sich davor befindlichen Fahrzeugen besseren Pace seines McLarens, hätten aber dennoch gute Punkte drin sein können.

Diese Chancen wurden jedoch von einem katastrophalen Start zunichte gemacht. Freilich war es nicht Buttons Schuld, dass er im Getümmel in die haarige Szene mit Kobayashi verwickelt wurde - glücklich schätzen, dass sein Auto das überstand, musste er sich trotzdem. Viel Zeit verlor er anschließend hinter dem Räikkönen-Train. Überhaupt brachten die Finnen Button in Monaco zur Verzweiflung. Nach seinem Boxenstopp, fiel er erneut hinter Heikki Kovalainen zurück, was sein Rennen endgültig zerstörte.

Jenson Button hat derzeit einfach kein Glück, Foto: Sutton
Jenson Button hat derzeit einfach kein Glück, Foto: Sutton

Erinnerungen an David Coulthard 2001 wurden wach - der Schotte war damals ebenfalls im erdrückend schnelleren McLaren fast ein ganzes Rennen hinter Enrique Bernoldi im Arrows festgehangen - überholen ausgeschlossen. Diesmal hieß der Arrows Caterham - Button hätte ihn wohl am liebsten ins Hafenbecken geschossen. Als dem sonst so temperierten Briten irgendwann die Nerven durchgingen und er es mit der Brechstange versuchte, drehte er sich beim Angriffsversuch und stellte seinen Boliden anschließend fernab der Punkte völlig frustriert ab. In der WM hat er nun schon 31 Zähler Rückstand auf Alonso - ein herber Rückschlag für Button.

5. Warum war Peter Sauber auf Lotus nicht gut zu sprechen?

Dass die Pace im Auto steckte, das war bei den vielen Versuchen einer Aufholjagd durch Sergio Perez erkennbar. Auch drehte der Mexikaner die mit Abstand schnellste Rennrunde. Doch für Sauber blieb der Grand Prix von Monaco eine ernüchternde Angelegenheit - irgendwie war im Fürstentum der Wurm drin. "Der Wurm hieß heute aber Grosjean. Das muss man ganz klar sagen", ärgerte sich Teamchef Peter Sauber nach dem Rennen im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Das ist jetzt das zweite Mal und der dritte Crash im sechsten Rennen. Grosjean hat sich gedreht, dann ist er rückwärts in Kamui rein", erklärte der Schweizer.

Einmal zweiter Stock bitte: Kamui Kobayashi, Foto: Sutton
Einmal zweiter Stock bitte: Kamui Kobayashi, Foto: Sutton

Für Kobayashi, der im Startchaos in St. Devote ungewollt fliegen lernte, bedeutete die unsanfte Berührung wenig später das Aus. Doch damit noch nicht genug von Lotus: Auch bei der Durchfahrtsstrafe für Sergio Perez wegen Behinderung eines anderen Piloten war ein schwarz-goldener Bolide beteiligt - diesmal war es Kimi Räikkönen. Perez hatte den Finnen durch sein spätes Abbiegen klar blockiert, fast wäre es so vor der Zielkurve zu einem Unfall gekommen. Dass Peter Sauber Lotus folglich nicht mehr aus dem Kopf bekam, zeigte sich auch bei seiner Rennanalyse. "Wir tun uns noch schwer mit den Resultaten. Es gibt auch andere Autos, die hier nicht gut waren wie der Lotus - zumindest ging er nicht gut."

6. Warum fuhr Jean-Eric Vergne am Ende auf Intermediates?

Die mit Abstand extremste Strategie zeigte in Monte Carlo Jean-Eric Vergne. Nach seinem Start vom 16. Platz war der Rookie in der ersten Runde zunächst um eine Position zurückgefallen. Nach 17 Umläufen entschied man sich bei Toro Rosso daher, den Franzosen zu einem frühen ersten Boxenstopp hereinzuholen. Dabei wechselte das Team von den superweichen Pneus auf die härtere Reifenmischung. Auf dieser fuhr Vergne anschließend bis zur 70. Runde - zwischenzeitlich hatte ihn diese Strategie bis auf den starken siebten Platz vorgespült. Als wegen des großen Reifenabbaus jedoch ein zusätzlicher Splash & Dash nötig wurde, pokerte das Team hoch und ging 'All-in'.

Vergne bekam bei drohenden Schauern und beginnendem Nieselregen acht Runden vor Schluss Intermediates aufgezogen. Da er als Elfter ohnehin schon aus den Punkten herausgefallen war, konnte das Team ohne Verluste eine Risikostrategie wählen, die sich durchaus hätte auszahlen können. Ex-Ferrari-Pilot Patrick Tambay ging anschließend sogar soweit, dem Franzosen Siegchancen einzuräumen. "Alle waren so spät im Rennen auf stark abgefahrenen Trockenreifen. Damit bei Regen auf der Strecke zu bleiben, wäre schwierig geworden", so Tambay, der anfügte: "Mit den Intermediates hätte Vergne ein Auto nach dem anderen überholt." Der Guss blieb jedoch aus, Vergnes Risiko wurde mit P12 nicht belohnt.

7. Weshalb wurde Heikki Kovalainens 13. Platz wie ein Sieg bejubelt?

Bereits ein paar Runden vor dem Ziel staunten die Zuschauer nicht schlecht: An Heikki Kovalainens Caterham hing ein schiefer Frontflügel herunter. Beschädigt hatte er sich diesen bei seinen harten Verteidigungsversuchen gegen Sergio Perez im Zuge des Button-Drehers. Die Gesichter bei Caterham wurden schon lang, doch man hatte Glück - nach dem Wechsel der Frontpartie kam Kovalainen knapp vor dem auf P14 liegenden Timo Glock im Marussia zurück auf die Strecke. Bei diesem Positionskampf ging es wahrlich um Millionen - am Ende der Saison könnte er noch ganz wichtig werden. Normalerweise sind die Gefilde im Fahrwasser der Top-10 keine, in die die drei kleinen Teams Caterham, Marussia und HRT vordringen können.

Kein Grund rot zu sehen: Der späte Flügelwechsel ging auf, Foto: Sutton
Kein Grund rot zu sehen: Der späte Flügelwechsel ging auf, Foto: Sutton

Da davon auszugehen ist, dass alle drei übers Jahr ohne Punkte bleiben, richtet sich die endgültige Platzierung in der Konstrukteurs-WM nach dem besten Einzelergebnis des Jahres - und damit auch die Endabrechnung, wenn es an die Ausschüttung und Verteilung der TV-Gelder geht. In Chaos-Rennen mit vielen Ausfällen gilt es also doppelt zur Stelle zu sein, wenn die Großen schwächeln - vor allem, wenn einem mit Marussia der direkte Konkurrent im Nacken sitzt, so wie in Monaco. "Das war so wichtig, wirklich entscheidend", meinte Teamchef Tony Fernandes nach Rennende. Der Caterham-Boss jubelte: "Einfach toll! Es war das beste Gefühl, das ich in diesen drei Jahren Formel 1 hatte."