"Grande Casino" - anders kann man es nicht nennen, was derzeit in Italien bei und rund um Ferrari abgeht. Überstürzter Rückflug der Teamführung von Australien nach Maranello, Krisensitzungen, hektische Änderungen - und dazu eine italienische Presse, die sich erst mal auf das schwächste Glied in der Kette, auf Felipe Massa, einschießt und dessen sofortige Entlassung fordert. "Wahrscheinlich denken die, dass sie so mehr Zeitungen verkaufen", versucht der das Ganze eher ironisch zu kommentieren, um sich gar nicht erst auf ernsthafte Diskussionen zu dem Thema einlassen zu müssen.

"Ich kenne das schon, ist doch jedes Jahr dasselbe", so Massa. Wobei er natürlich auch immer wieder Munition liefert - nicht nur, weil er in Australien um Welten hinter Fernando Alonso lag. Mag sein, dass mit seinem Auto irgendetwas wirklich nicht stimmte, denn dass beim Testen die Differenzen nicht so groß waren, stimmt schon. Dass Ferrari jetzt das komplette Auto tauscht, nicht nur das Chassis, sondern wie Massa meint, "auch noch alle sonstigen Teile, sodass nichts mehr vom Melbourne-Auto hier zum Einsatz kommt, ist sicher einerseits einer tatsächlichen Ratlosigkeit geschuldet und nicht zu verstehen ist, warum der Unterschied auch im Fahrverhalten - und so etwas lässt sich an Daten auch nachweisen - auf einmal so groß war.

Aber es ist sicher zum Teil auch der Versuch von Beruhigungspsychologie. Denn das ist der große Schwachpunkt von Massa, durch den er immer wieder Angriffsfläche bietet. Er reagiert oft viel zu emotional, in die eine oder andere Richtung - und steht damit sich selbst und einer effizienten Arbeitsweise massiv im Weg. Wer den Brasilianer am Sonntag Abend in Melbourne erlebte, völlig aufgelöst, in einer Mischung aus Frust und Panik, der tut sich schwer, sich vorzustellen, dass er da noch ein konstruktives Briefing abliefern konnte. Und das war nicht das erste Mal.

Schon während der Wintertests wirkte Massa zu Beginn völlig verloren, dann aber, als an einem Tag die Dinge besser zu funktionieren schienen, fast schon wieder überoptimistisch. Von einem Extrem ins andere, das hilft nicht weiter. Nicht umsonst mahnt Fernando Alonso, der zwar auch ein Temperamentsbolzen sein kann, in seiner Arbeitsweise aber sehr kühl und kalkuliert vorgeht, immer wieder zu Ruhe und Besonnenheit. Eines ist freilich auch klar: Ein vorzeitiger Rausschmiss von Massa löst das grundlegende Ferrari-Problem, dass das Auto im Vergleich zur Spitze einfach zu langsam ist, auch nicht.

Bessere Alternative?

Mal betrübt, mal übermotiviert - Felipe Massa, Foto: Sutton
Mal betrübt, mal übermotiviert - Felipe Massa, Foto: Sutton

Und ob die als Alternative gehandelten Sergio Perez oder Jarno Trulli wirklich bessere Leistungen brächten, das sei auch noch dahin gestellt, speziell im Fall von letzerem. Um gleich der Frage nach Adrian Sutil zuvor zukommen: So lange der noch seine Berufungsverhandlung im Raum stehen hat, ist er überhaupt kein Thema, danach wird man sehen müssen. Tatsache ist, dass Sponsoren und gerade auch "Werksteams" wie es Ferrari letztlich eines ist, in so einem Fall schon deutliche Image-Bedenken haben, mag das nun gerechtfertigt sein oder nicht.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali ist jedenfalls nicht zu beneiden. Noch scheint er sich in seiner Position nicht wirklich gefährdet zu sehen, aber er weiß natürlich auch: Wenn es nicht sehr bald deutliche Fortschritte gibt, etwa mit einem neuen, komplett überarbeiteten Auto in China, von dem schon die Rede ist, dann wird sich das Trommelfeuer der öffentlichen Kritik sehr schnell auch auf ihn ausweiten - und Massa als "Sündenbock" den Medien nicht mehr reichen. Und dann ist die Frage, wie schnell Oberboss Luca di Montezemolo das Gefühl hat, reagieren zu müssen.