Ziel eins, der Fahrertitel, ist geschafft, Ziel zwei, der Konstrukteurstitel, jetzt auch. Was macht man in dieser Situation, um zu gewährleisten, dass die Red-Bull-Erfolgsstory auch nächstes Jahr und darüber hinaus weitergeht?
Dr. Helmut Marko: Das was wir schon vor drei Jahren getan haben, dass wir auf Kontinuität schauen, damit gewährleistet ist, dass dieses Team von Adrian Newey als Speerspitze bis hinunter zum letzten Arbeiter in der Fabrik zusammen bleibt, und mit der selben Leidenschaft und Motivation an die Sache heran geht. Dafür war Ziel zwei, der Konstrukteurs-WM-Titel, ein wichtiger Schritt. Denn die Prämienausschüttung bei uns ist allein auf den Konstrukteurstitel aufgebaut. Und die für den Titel ist schon signifikant höher als die für Platz 2. Das ist deutlich mehr als eine lineare Steigerung, und da geht es schon um beträchtliche Summen, für viele wesentlich mehr als ein Monatsgehalt. Mein Fahrer in England konnte sich von der Prämie letztes Jahr ein Auto kaufen.

Wie weit ist man mit dem Auto für 2012 – steht die komplette Basis schon?
Dr. Helmut Marko: Das Grundkonzept macht bei uns Adrian Newey – und ich frage ihn nicht, wie weit er mit dem Auto ist oder wie es im Detail aussieht. Das machen er und seine Techniker und da haben wir auch das Vertrauen in seinen Zeitplan. Natürlich wollen wir mit dem Auto beim ersten Test sein, aber wenn er sagt, da ist noch eine halbe Sekunde drin und wir lassen den Test aus, dann lassen wir ihn aus. Was wir ja zum Beispiel 2009 und 2010 gemacht haben.

Wie groß ist das Problem, noch nicht zu wissen, wie die Reifen 2012 sein werden?
Dr. Helmut Marko: Wenn man ein gutes Chassis hat, dann lässt sich das adaptieren. Ich glaube nicht, dass der Reifen allein so entscheidend ist. Das eine ist das Chassis und das andere ist der Fahrer. Da sieht man dann halt die Unterschiede. Das war ja auch einer der entscheidenden Punkte zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber. Sebastian konnte sich viel schneller und viel besser an die Eigenheiten der Reifen anpassen, was für den Start und für die ganzen Rennen sehr entscheidend war.

Red Bull hatte viel zu feiern, Foto: Red Bull
Red Bull hatte viel zu feiern, Foto: Red Bull

Was war der größte Schritt für Red Bull zwischen 2010 und 2011?
Dr. Helmut Marko: Dass wir die Standfestigkeit viel besser in den Griff bekommen haben. Wir haben bis jetzt in dieser Saison noch keinen technischen Ausfall, während wir 2010 bei Sebastian durch Defekte, ob nun direkt bei uns oder bei Renault, an die 100 Punkte verloren haben. Das ist darauf zurückzuführen, dass Newey mit seiner Extrembauweise sehr, sehr hohe Anforderungen stellt, wir aber inzwischen in Milton Keynes in der Lage sind, diese Herausforderung im Produktionsprozess anzunehmen und zu bestehen. Und zwar nicht nur in Sachen Zuverlässigkeit, sondern das auch noch wesentlich schneller als früher. Das Team ist an den Ansprüchen von Newey gewachsen – ansonsten könnten wir nicht diese vielen Updates bringen.

Diese Updates haben ja gerade das Misstrauen der Konkurrenz auf den Plan gerufen, Red Bull würde sich nicht an vereinbarte Beschränkungen halten, zu viel Geld ausgeben...
Dr. Helmut Marko: Wir liegen absolut innerhalb des in der FOTA beschlossenen Abkommens, des RRA. Aber dass man, wenn man an der Spitze ist, beschuldigt und verfolgt wird, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Andere Teams wie McLaren entwickeln mindestens ebenso viel, wenn nicht noch mehr. Aber es kommt eben auch auf die Effizienz an. Bei uns, das ist entscheidend, haben vor drei oder vier Jahren vielleicht 50 bis 60 Prozent der Updates auch tatsächlich eine Zeitverbesserung gebracht, heute sind es 98 Prozent.

Ist Red Bull auch im Einsatz finanzieller Mittel effizienter als die Konkurrenz?
Dr. Helmut Marko: Das wird wahrscheinlich auch der Fall sein. Wir haben drastisch umstrukturiert in Milton Keynes, wir haben bessere Maschinen, und ein sehr gutes Verhältnis zwischen Eigenproduktion und Auslagerung. In den Monaten Dezember, Januar, wenn die Produktion des neuen Autos auf Hochtouren läuft, dann lagern wir relativ viel aus, damit wir nicht so viel Stammpersonal brauchen. Das Gesamtpaket ist strukturell und organisatorisch super einfach. Das macht natürlich auch viel aus.

Wieviel Prozent des Erfolgs gehen auf das Konto von Sebastian Vettel?
Dr. Helmut Marko: Weltmeister wird man nur, wenn das Auto passt, der Motor passt und der Fahrer passt. Es ist natürlich angenehm, wenn man den oder zumindest einen der drei schnellsten Fahrer hat, der gleichzeitig, und das wird immer wieder übersehen, einer der härtesten Arbeiter überhaupt ist. Er ist derjenige, der am spätesten das Fahrerlager verlässt. Dass er so lange mit den Ingenieuren zusammensitzt, um aus den Komponenten, die zur Verfügung stehen, immer das absolute Maximum herauszuholen, das ist natürlich sehr, sehr wichtig. Auch weil die Ingenieure wissen: Einem Vettel können sie nichts vormachen.

Sebastian Vettel beschert dem Team Erfolg um Erfolg, Foto: Pirelli
Sebastian Vettel beschert dem Team Erfolg um Erfolg, Foto: Pirelli

Wie wichtig ist Didi Mateschitz in diesem Gesamtkonzept – außer als Geldgeber?
Dr. Helmut Marko: Geldgeber – das ist auch so eine Sache. Das ist ja nichts, was er aus Jux und Tollerei macht. Das ist ein Marketingtool von Red Bull, inzwischen übrigens bei weitem das erfolgreichste. Mateschitz ist insofern wichtig bei Red Bull, weil bei uns durch ihn die Entscheidungswege sehr kurz sind. Auch bei schwerwiegenden Entscheidungen kommt man innerhalb von ein paar Stunden zu einem Ergebnis. Außerdem hat er, obwohl er nur sehr selten bei den Rennen ist, durchaus eine Ahnung und kann entsprechenden Input geben. So hatte er eben diese Vision, einen Adrian Newey zu einem damaligen Mittelklasseteam zu holen. Er ist einfach auch ein Racer.

Was für Ziele kann es für Red Bull 2012 konkret noch geben? Ist 2011 überhaupt zu toppen?
Dr. Helmut Marko: Das Ziel ist, das Erreichte zu verteidigen. Und es gibt sehr viele Punkte, bei denen wir wissen, dass sie innerhalb des Teams noch verbesserungsfähig sind. Man weiß nie, was die anderen bringen, aber durch die Stabilität des Teams sind wir jetzt auch in der Lage, das Auto sofort entsprechend zu modifizieren und zu verändern, sollte es nicht auf Anhieb passen, um dann wieder vorne mit dabei zu sein. Wir lehnen uns nicht zurück, wir arbeiten hart daran, alles immer weiter zu verbessern. Und wir haben den Vorteil, mit Sebastian Vettel, den jüngsten unter den Top-Piloten zu haben, auch was die Erfahrung angeht. Das heißt, das auch bei ihm noch lange nicht der Zenit erreicht ist. Wir haben jetzt bis 2014 alles stabilisiert, haben, was auch wichtig ist, ein noch engeres und besseres Verhältnis zu Renault. Vorher waren wir ein Kundenteam, jetzt sind wir Partner. Das ermöglicht natürlich, dass wir in der Motorenentwicklung und -abstimmung immer mehr Einfluss bekommen, dass Renault das akzeptiert und kooperiert. Es spricht eigentlich nichts dagegen, auf Dauer erfolgreich zu sein.