Wie beurteilen Sie die ersten drei Rennen aus Sicht des Sauber F1 Teams?
Peter Sauber: Wir wollten in dieser Saison von Anfang an ein Auto zu haben, das wettbewerbsfähig und zuverlässig zugleich ist. Diese erste Vorgabe haben wir eindeutig erfüllt. Ohne die Unachtsamkeit mit den Heckflügeln in Melbourne wäre die Punkteausbeute ausgezeichnet, jetzt ist sie mit sieben Zählern in Ordnung. Wichtig ist, dass wir jedes Mal aus eigener Kraft in der Lage waren, um WM-Punkte zu kämpfen. Aber das Rennen in Shanghai hat auch gezeigt, dass es schwieriger wird. Umso wichtiger wird es sein, sich jetzt laufend zu verbessern. Mehrere Teams haben angekündigt, beim nächsten Rennen in Istanbul große Entwicklungspakete zu bringen, dadurch kann sich die Reihenfolge durchaus wieder verschieben. Wir haben eine größere Modifikation für das Rennen in Barcelona geplant.

Hat sich denn die Zielsetzung für die Saison geändert?
Peter Sauber: Nein, das hat sie nicht. Es ist weiterhin unser Ziel, bei jedem Rennen Punkte zu holen und unsere Position in der Konstrukteurs-WM zu verbessern.

Wie sind Sie mit Ihrem Rookie Sergio Perez zufrieden?
Peter Sauber: Wir wussten, dass wir mit Sergio einen jungen, schnellen Fahrer bekommen. Dennoch hat man bei einem Rookie nie eine Garantie, dass er unter dem Druck eines Rennwochenendes auch in der Lage ist, sein volles Potenzial abzurufen. Ich hatte hohe Erwartungen an Sergio, und ich muss sagen, dass er diese bisher sogar übertroffen hat. Er ist nicht nur in der Lage, sehr reifenschonend zu fahren, sondern ist im Rennen auch ausgesprochen konstant. Aber Sergio ist sich durchaus bewusst, dass er am Anfang eines langen Lernprozesses steht, dazu gehören auch Zwischenfälle wie am vergangenen Sonntag in Shanghai. Ich bin mir sicher, dass Sergio eine Menge Potenzial hat und dieses nun Schritt für Schritt ausschöpfen wird. Ganz entscheidend dabei ist, dass er sich im Team wohl fühlt und ein Umfeld hat, das ihm eine optimale Entwicklung erleichtert.

Wie kommt Kamui Kobayashi in seiner neuen Rolle als Teamleader zurecht?
Peter Sauber: Grundsätzlich möchte ich betonen, dass bei uns die Piloten gleich behandelt werden. Aber wenn ein Rookie zum Team hinzustößt, dann übernimmt der Dienstältere, und das ist hier Kamui, eine gewisse Führungsrolle. Kamui hat sich bereits im Laufe des vergangenen Jahres prächtig entwickelt, und er nimmt nun auch seine neue Rolle wahr, indem er unsere Ingenieure fordert und sie dabei unterstützt, die richtige Entwicklungsrichtung einzuschlagen. Und natürlich bereitet er uns nach wie vor mit seinen tollen Überholmanövern auf der Strecke Freude. Ganz wichtig ist auch, dass er ein echter Teamplayer ist, wovon auch Sergio profitieren kann. Die beiden arbeiten wirklich sehr gut zusammen.

Was halten Sie von der Einführung des verstellbaren Heckflügels?
Peter Sauber: Dieses neue Element hat jede Menge Diskussionen ausgelöst, unter Fahrern, Teamchefs und Fans. Tatsache ist, dass diese Heckflügel nicht bei allen Teams gleich gut funktionieren und einige damit ihre Schwierigkeiten haben. Bei uns haben diese Flügel vom ersten Rennen an gut funktioniert und damit auch die Zielsetzung der FIA als Überholhilfe erfüllt. Für eine abschließende Bilanz ist es aber meiner Meinung nach immer noch zu früh. Ich fände es sinnvoll, dass sich alle Beteiligten im Sommer zusammensetzen und die Erfahrungen bewerten.

Wie beurteilen Sie die Reifensituation?
Peter Sauber: Die Ausgangslage für Pirelli war ausgesprochen schwierig: Die Anforderungen waren sehr hoch, die Entwicklungszeit dagegen sehr kurz. Und es gab auch den Wunsch, dass diese Reifen nicht zu lange halten sollten, um zusätzliche Spannung in die Rennen zu bringen. Nach drei Grands Prix kann man Pirelli nur ein großes Kompliment machen, sie haben diese heikle Aufgabe sehr gut gemeistert. Dass unser Auto schonend mit den Reifen umgeht, ist kein Zufall. Unsere Ingenieure haben sich sehr früh mit dieser Thematik befasst und entsprechende Maßnahmen getroffen. Das kann sich nun in den Rennen durchaus positiv auswirken. Natürlich hat sich durch die vielen Boxenstopps die Charakteristik der Rennen stark verändert: Die Zuschauer und die TV-Kommentatoren werden nun ziemlich gefordert, um den Überblick zu behalten. Das gleiche gilt für die Teamstrategen an der Boxenmauer.

Wie bewerten Sie die allgemeine Entwicklung des Sauber F1 Teams?
Peter Sauber: Wenn ich um zwölf Monate zurückblicke, dann stellt sich die gesamte Situation unseres Teams heute schon erheblich besser dar. 2010 war für uns ein sehr schwieriges Jahr. Der Wandel vom Werksteam zurück zu einem Privatteam hat sehr viel Energie gekostet, und die Resultate auf der Strecke waren vor allem zu Saisonbeginn sehr schlecht. Aus dieser Position heraus war es auch fast unmöglich, Sponsoren für 2011 zu finden. Dennoch ist unser Auto nicht mehr weiß, und darauf können wir stolz sein. In einem Team unserer Größe ist es natürlich so, dass sich zusätzliche Mittel direkt in der Performance niederschlagen, denn die Ingenieure haben ja mehr Ideen als Ressourcen. Wir sind also auch weiter auf Sponsorensuche.

Für den technischen Bereich möchte ich betonen, dass der Sauber C30-Ferrari das erste Auto ist, für das James Key verantwortlich zeichnet. Es ist jetzt ein Jahr her, dass er zu uns gekommen ist, und er hat vieles sehr gut gemacht. Zum einen meine ich die strukturellen Veränderungen, die er vorgenommen hat, und zum anderen erfüllt das Auto die Zielsetzungen, die er dafür aufgestellt hat. Mit dem C29 gab es vor allem Probleme bezüglich der Fahrbarkeit auf unebenen Strecken und über Randsteine, die sich durch mechanische Abstimmungsveränderungen nicht ausgleichen ließen. Wir sind mit dem C30 deutlich flexibler, was die Bodenfreiheit angeht, und auch die aerodynamische Effizienz kann sich sehen lassen. Als Fazit kann ich sagen: Die allgemeine Entwicklung des Sauber F1 Teams verläuft positiv, aber wir müssen weiterhin sehr effizient und engagiert mit begrenzten Ressourcen arbeiten, um unser Saisonziel zu erreichen.