1. - S wie schneller Hulk

Pole Position für Nico Hülkenberg! Mit dieser Schlagzeile rechneten vor dem Qualifying wohl noch nicht einmal die größten Fans des Deutschen. Schon gar nicht mit über einer Sekunde Vorsprung auf die Pole-Könige von Red Bull. "Natürlich ist eine Sekunde Rückstand nicht leicht zu verdauen", war selbst Sebastian Vettel nach dem Qualifying etwas ratlos.

Was also brachte Hülkenberg die Pole? Was machte ihn schneller als alle Titelanwärter? "Mein Ingenieur hat mir einen super Luftdruck reingemacht", lobte Hülkenberg gegenüber Motorsport-Magazin.com. Das sei aber nur einer von mehreren wichtigen Punkten gewesen. Das Wichtigste für den Deutschen: "Ich habe es gut umgesetzt."

Tatsächlich fuhr er unter schwierigen Bedingungen auf abtrocknender Strecke eine fehlerfreie Runde. "Als einziger, inklusive mir", lobte Fernando Alonso. Dafür gab es sogar Lob von Williams-Urgestein Patrick Head. Auch Rubens Barrichello musste anerkennen: "Man konnte an den Daten sehen, dass Nico die Reifen sehr gut auf Temperatur halten konnte - er war fantastisch." Genau das war der Schlüssel: Hülkenberg konnte die weichen Slicks bei feuchter Strecke auf Temperatur halten.

"Wir haben schon das ganze Jahr und vor allem bei den letzten Rennen gesehen, dass Williams bei wenig Grip hin und wieder die besten Sektorenzeiten gefahren ist", analysierte Vettel. "Mischbedingungen scheinen ihnen zu liegen, aber trotzdem muss man dann erst mal eine Sekunde schneller fahren als alle anderen."

Dabei profitierte Hülkenberg vom Timing, zumindest was das Ausmaß seines Vorsprungs anging. "Er ist drei Sekunden vor Schluss noch einmal über die Linie gefahren und da hat er das Meiste herausgeholt", erklärt Christian Klien. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Strecke klar am besten. "Aber er wäre auch mit seiner vorhergehenden Runde um eine Zehntel auf Pole gewesen."

2. - S wie Startaufstellung

Nico Hülkenberg überflügte die Pole-Könige der Formel 1, Foto: Sutton
Nico Hülkenberg überflügte die Pole-Könige der Formel 1, Foto: Sutton

Hinter dem Sensations-Polemann reihten sich die Titelfavoriten beinahe in umgekehrter Reihenfolge ein: Vettel vor Webber, Hamilton und Alonso. Jenson Button verspielte wohl seine letzte mathematische Titelchance mit Startplatz elf.

Unter den anderen Titelanwärtern herrschte Zufriedenheit vor - denn Hülkenberg tut keinem von ihnen weh. "Bei diesen Verhältnissen kann man schnell einen Fehler machen, also bin ich zufrieden, dass ich vorne dabei und nah an Seb [Vettel] dran bin", sagte etwa Mark Webber. Ähnliche Worte fanden auch Hamilton und Alonso. "Ich hätte heute auch leicht 17. sein können", so Webber. "Vor dem Q3 wäre ich mit Platz 3 wahrscheinlich nicht zufrieden gewesen, aber nach der schwierigen Session auf Slicks ist es gut, in Reihe 2 zu stehen."

In der reinen deutschen Startreihe an der Spitze wird es keine Absprache unter den Landsleuten geben. "Nico fährt sein eigenes Rennen und wir müssen uns auf uns konzentrieren", sagt Vettel. "Hier kann unheimlich viel passieren. In den letzten Jahren waren die Rennen immer sehr unterhaltsam." Auch Hülkenberg betonte: "Sebastian ist schnell genug und wird es schon allein packen. Ich halte mich da raus und werde mich gegenüber allen gleich verhalten."

Michael Schumacher hätte Hülkenberg am liebsten die Pole-Party vermiest. Der Mercedes-Pilot musste im Q3 die beiden Red Bull vorbeilassen und verlor deshalb Temperatur in den Reifen. "Wenn man großen Vorsprung von Nico anschaut, denke ich nicht, dass unser Auto langsamer gewesen wäre als ihres und ich hätte fahrerisch sicher auch mit ihm mithalten können." Schumachers Schlussfolgerung: "Also bin ich mir sicher, dass wir heute um die Pole hätten kämpfen können." So wurde es nur Platz acht.

3. - S wie Start

Das Senna S wartet auf die 24 Piloten - und dabei kann es immer mal zu Berührungen oder leichteren Beschädigungen kommen, im besten Fall. "Die erste Kurve wird interessant", glaubt auch Hamilton. "Ein guter Start ist wichtig und dann schauen wir weiter." Probleme mit Hülkenberg, der erstmals in der Formel 1 auf der Pole steht, erwartet er nicht. "Ich denke, er hat genug Erfahrung - vielleicht nicht von der Pole aus, aber er hat Erfahrung. Das sollte kein Problem sein."

Sebastian Vettel möchte die Situation an der Spitze ohnehin schnellstmöglich verändern: "Ich hoffe, dass ich schon am Start an ihm vorbeiziehen kann, aber den Gefallen wird er mir denke ich nicht tun", so der Deutsche. Fernando Alonso baut genau auf einen solchen Angriff an der Spitze. "Der Start wird interessant, denn sie müssen etwas riskieren und vor mir bleiben", sagt Alonso über seine WM-Rivalen vor ihm. "Die anderen Drei werden aber reagieren. Danach geht es um die Strategie."

4. - S wie Strecke

Mit nur 4,3 Kilometern gehört die Stecke in Sao Paulo zu den kürzesten der Saison, doch an Herausforderungen für Fahrer und Ingenieure mangelt es beileibe nicht. Der Kurs vereint eine der längsten Geraden der Saison mit engen Kehren und einer Reihe von Highspeed-Kurven.

Das Setup muss widersprüchliche Anforderungen erfüllen, weil es für verschiedene Kurvenarten - schnelle und langsame - passen soll. Außerdem ist der Asphalt trotz einiger Reparaturen nach wie vor wellig. "Da hilft es, wenn dein Auto etwas sanfter darüber fährt und sich gutmütig fahren lässt", erklärt Robert Kubica. "Wie überall suchen wir auch hier nach dem besten Kompromiss aus viel Abtrieb für die Kurven und geringem Luftwiderstand auf den Geraden."

Die Strecke bietet einige gute Überholmöglichkeiten. Die beste ist Turn 1, die Schikane nach Start und Ziel: "Wenn du auf der Geraden einen guten Windschatten erwischst, kannst du dich ansaugen und beim Bremsen innen neben den Gegner ziehen", so Kubica. "Im vergangenen Jahr gab es an dieser Stelle viel Action, weil einige Autos mit Trocken-, andere mit Regenabstimmung fuhren - das führte zu größeren Geschwindigkeitsunterschieden als üblich." Ähnliches könnte auch in diesem Jahr blühen.

5. - S wie Strategie

Die Strategie fällt in diesem Jahr meist gleich aus: Ein Boxenstopp - mehr ist selten angesagt. Außer die Reifen zerfallen oder der Wettergott spielt mit. In Sao Paulo regnete es schon am Samstag, was einige Teams wie Toro Rosso dazu veranlasste, mit einer Regenabstimmung zu fahren. Andere setzten auf den Sonntag, an dem es nicht regnen soll. Wie lange die weichen und harten Reifen jeweils halten, ist nicht ganz klar - denn durch den verregneten Samstag ist die Strecke wieder grüner als am Ende des Freitags.

Wichtig für die Strategie sind folgende Daten: Auf fünf Kilometern verbraucht ein F1-Auto in Sao Paulo rund 2,21 Kilo Sprit. Auf dieser Distanz bedeutet Sprit für eine Runde einen Verlust von 0,06 Sekunden pro Runde. Das Safety Car kam in den vergangenen Jahren in Sao Paulo - trotz der Natur als reinrassiger Rennstrecke mit Auslaufzonen - durchschnittlich einmal pro Rennen auf die Strecke.

6. - S wie Sonntagswetter

Am Samstag behielten die Wetterfrösche recht: Es sollte regnen und es regnete. Für den Sonntag sind trockene Bedingungen vorhergesagt - wie am Freitag. Bei Regen ist die Piste, wie im Qualifying gesehen, sehr tückisch, vor allem, weil es in Brasilien meist stark regnet. Oft stehen dann tiefe Pfützen in den Kurven und das Wasser läuft in Bächen über die Straße. Aber in den letzten Jahren haben die Veranstalter gute Arbeit geleistet und die Drainage stark verbessert. Im Qualifying gab es keine Probleme.

7. - S wie Spannung

Die erste Sensation ist geschafft, gelingt Nico Hülkenberg jetzt der zweite Husarenritt? Wir erinnern uns: In Monza gewann Sebastian Vettel einst nach seiner ersten Pole Position direkt sein erstes Rennen - im Regen. "Es wäre zu vermessen von uns, wenn wir versuchen würden, um den Sieg mitzukämpfen", beschwichtigt Hülkenberg. Aber ein bisschen Träumen muss erlaubt sein: "Ein Podium wäre sensationell und ein absoluter Traum, aber im Moment traue ich mich noch nicht, daran zu denken."

Schlechtes Omen? Am Freitag streikte die Technik zwei Mal bei Ferrari, Foto: Sutton
Schlechtes Omen? Am Freitag streikte die Technik zwei Mal bei Ferrari, Foto: Sutton

Das Rennen verspricht auch im Trockenen jede Menge Action. "In Brasilien kann es immer wieder verrückte Rennen geben, deshalb würde ich momentan auf keinen setzen", sagt Christian Klien. "So wie die Startaufstellung ist, wird es sicher ein verrücktes Rennen werden." Die Spannung rührt von der durcheinander gewürfelten Startaufstellung. "Die Red Bulls werden versuchen, so schnell wie möglich nach vorne zu kommen. Das wird schon interessant."

So sieht das auch Nick Heidfeld: "Vettel vor Webber vor Alonso, das macht die WM spannend. Das sind die WM-Positionen umgedreht, das geht nicht spannender." McLaren scheint etwas abgeschlagen. "Ich denke, wir haben eine gute Rennpace", macht sich Lewis Hamilton Mut. "Der Speed auf den Geraden bringt uns in eine gute Position." Denn mit einem hohen Topspeed könnte er am Ende der Zielgeraden überholen. Das ist auch sein Ziel: "Wir müssen Gas geben und den Anderen um uns herum Druck machen."

Hoffentlich endet das nicht mit einem Unfall, es wäre nicht das erste Mal bei Hamilton in dieser Saison. Hilfe von seinem Teamkollegen braucht er nicht zu erwarten. "Als Unterstützer für meinen Teamkollegen bin ich etwas weit hinten", sagt Jenson Button, der als Elfter startet. "Wenn Lewis einen guten Start erwischt, kann ich ihm nicht helfen."

Und was ist mit dem WM-Spitzenreiter? "Ich weiß, dass ich die WM hier gewinnen könnte, aber meine Priorität ist, den Abstand zum Zweiten zu vergrößern", sagt Fernando Alonso. "Jetzt sind es 11 Punkte und wenn ich nach dem Rennen mehr als 11 Punkte Vorsprung hätte, wäre das großartig." Mit Hülkenberg kam zudem eine unerwartete Variable ins Spiel. "Platz 5 ist nicht das Ende der Welt. Wir haben dieses Jahr schon öfters gesehen, dass die Red Bulls vorne standen, aber dann ausgeschieden sind."