Sebastian, Joschi Walch hat ausgerechnet, dass Du in Singapur eigentlich gewonnen hast, weil Du der Schnellste warst - wenn man die acht Meter vom Startplatz abzieht.
Sebastian Vettel: Das stimmt, aber das ist nur Rechnerei. Ich bin acht Meter hinter Fernando Alonso gestartet und im Rennen hat er sich einen Vorsprung von 90 cm erarbeitet - wenn wir beide bei Null beginnen. Wenn man dann die acht Meter abzieht, hätte ich mit 7,1 Metern Vorsprung gewonnen. Leider fahren alle zur gleichen Zeit los. Er war im Qualifying schneller und stand deshalb auf der Pole. Wir müssen heute mit dem zweiten Platz leben, können das aber sehr gut. Wir haben das Beste herausgeholt. Es gab im Rennen keine echte Chance, an Fernando vorbeizugehen. Er hat sich keine Fehler erlaubt. Wenn wir freie Fahrt gehabt hätten, hätten wir schneller fahren können, aber so hing ich immer fest.

Hattest Du dabei das Qualifying im Kopf und was gewesen wäre, wenn Du auf Pole gestanden hättest?
Sebastian Vettel: Nein, so weit darf man nicht gehen. Gestern hatten wir ein ziemlich schwieriges Qualifying, das nicht richtig rund lief - ich habe nie in den Rhythmus gefunden. Es wäre keine Schwierigkeit gewesen, diese sechs Hundertstel schneller zu fahren, aber im Endeffekt hat es zur Session gepasst - es lief einfach nicht rund. Ich hatte auf der entscheidenden Runde im Q3 einen Patzer.

Wie froh warst Du am Start, dass Dich Lewis Hamilton nicht überholt hat?
Sebastian Vettel: Ich habe ihn gar nicht gesehen und mich voll und ganz auf Fernando konzentriert. Ich habe mir den Start noch einmal angeschaut: Lewis hat sehr spät in die erste Kurve hinein gebremst, da hat nicht viel gefehlt. Im Auto habe ich das gar nicht wahrgenommen.

Gab es die Möglichkeit, eine Runde länger draußen zu bleiben als Fernando?
Sebastian Vettel: Die weichen Reifen haben extrem abgebaut. Es wurde schwierig, dann noch länger draußen zu bleiben, hätte nichts gebracht, weil die harten Reifen von Fernando sofort um so viel besser waren. Ich wäre auf den Option-Reifen schneller gewesen als alle Anderen, aber ich hätte gegen den neuen Reifen von Fernando nichts ausrichten können.

Dachtet Ihr also, dass Ihr eher etwas Druck auf Ferrari beim Boxenstopp ausüben könntet?
Sebastian Vettel: Sobald sich das Fenster geöffnet hat, sind wir hereingekommen. Ich war noch relativ weit dahinter. Das sieht bei 60 km/h deutlich anders aus als bei 150 oder 200 km/h, aber es waren doch gute anderthalb bis zwei Sekunden Abstand. Selbst ohne den Patzer beim Losfahren aus der Box hätte es nicht gereicht.

Ihr seid zwei Stunden lang auf höchstem Niveau gefahren. Wie hast Du Dich danach gefühlt?
Sebastian Vettel: Letztlich hat Fernando den Kampf gewonnen, also könnte man sich als Zweiter besser fühlen. Die Strecke ist sehr schwierig, körperlich eine der anstrengendsten im gesamten Jahr. Es gibt kaum eine Pause, um sich auszuruhen, die Luftfeuchtigkeit ist hoch, es gibt sehr viele Bodenwellen, die hart für den Körper und das Material sind.

Wenn man dann immer im Verkehr feststeckt und nicht frei fahren kann, ist es noch schwieriger, weil man die ganzen Anhaltspunkte etwas verschwommen sieht, da der Vordermann im Weg ist. Man schaut in die Kurve hinein, orientiert sich an Mauern und Kerbs - wenn man dann ein Auto davor hat, ist das nicht leicht. Es war ein schwieriges Rennen, aber Überholen war sehr schwierig und unmöglich, wenn die Autos ähnlich schnell sind. Ohne Fehler hatte es Fernando relativ einfach, mich abzuwehren. Ich wäre am liebsten noch weiter gefahren, bis er den Fehler gemacht hätte oder ich vorbeigekommen wäre.

Was bedeutet das für die WM?
Sebastian Vettel: Die Punkte sind sehr wichtig und geben uns viel Rückenwind. Wir waren das gesamte Wochenende stark und Singapur gehört zu den Strecken, wo der Fahrer noch einen Unterschied machen kann. Im Rennen waren Fernando und ich um Einiges vor den Anderen. Lewis konnte am Anfang noch mithalten, danach bekam er Reifenprobleme und dann waren wir ziemlich weit vor dem Rest des Feldes.

Suzuka sollte Euch ebenfalls liegen.
Sebastian Vettel: Suzuka ist eine der besten Strecken überhaupt. Sie sollte mir und unserem Auto liegen. Letztes Jahr habe ich mich dort sehr wohl gefühlt - also freue ich mich darauf.